Vor Kurzem einigte sich die Bank of America (BoA) mit den US-Untersuchungsbehörden auf eine Zahlung von 9,33 Milliarden Dollar. Um einen drohenden Prozess zu vermeiden. Damit steigen die Gesamtzahlungen von Banken an den US-Staat seit Beginn der Finanzkrise 1 auf rund 110 Milliarden Dollar. Eine hübsche Summe, aber bei dieser Zahlung geschah ein kleines Wunder.
Ex-Chef muss auch zahlen
Im Rahmen dieses Vergleichs erklärte sich der damalige Chef der BoA, Kenneth Lewis, dazu bereit, 25 Millionen zu dieser Summe beizutragen. 15 Millionen übernimmt die BoA für ihn, aber 10 Millionen zahlt er aus dem eigenen Sack. Zudem darf Lewis drei Jahre lang kein börsenkotiertes Unternehmen leiten oder Einsitz im Verwaltungsrat nehmen.
Natürlich wird dieses Berufsverbot und diese Zahlung Lewis nicht dazu zwingen, der Sozialfürsorge zur Last zu fallen. Aber immerhin, es handelt sich um eine Premiere. Bislang wurden nur ganz wenige Bankbosse verknackt, wenn man ihnen kriminelles Verhalten nachweisen konnte. Alle anderen, vom Ex-Lehman-Boss Richard Fuld abwärts, dessen Pleite fast zur Kernschmelze des internationalen Finanzsystems führte, gingen straffrei aus. Und haftungsfrei.
Sie verloren zwar Position und Renommee und mussten verschmerzen, dass sie öffentlich geächtet wurden. Aber das war’s, Fuld führt seit 2009 die Beratungsfirma Matrix Advisors und dreht weiter mittelgrosse Räder mit Hedgefonds wie Blackstone oder BlackRock, wo er sich vielleicht auch mal mit dem Ex-Chef der Schweizer Nationalbank Philipp Hildebrand zum Geschäftsmeeting trifft.
Und in der Schweiz?
Aber immerhin, vielleicht wird es in Zukunft in den USA auch noch den einen oder anderen ehemaligen Bankenlenker treffen, der in Haftung für seine dramatischen Fehlentscheidungen genommen wird. Vor allem, da seine leistungsabhängigen Zusatzvergütungen, vulgo Bonus, für vergangene Jubelergebnisse ausbezahlt wurden. Und bislang niemals zurückgefordert, wenn sich im Nachhinein herausstellte, dass Jahre nach dem Jubel das Ganze in Katzenjammer und Desaster endete.
Das ist aber in der Schweiz ganz anders. Bei den beiden Grossbanken UBS und CS drehte sich nach jedem Desaster einfach das Personalkarussell, und die neue Führungsmannschaft verwies darauf, dass an die Oberfläche schwimmende Leichen in den Verantwortungsbereich ihrer Vorgänger gehörten, man nichts dafür könne und nun halt das ganze Schlamassel tatkräftig aufräume. Aber da gibt es aktuell einen Fall bei der Credit Suisse (CS), bei dem das nicht so leicht gelingen könnte. Wenn Haftbarkeit auch in der Schweiz noch etwas gilt.
Die Bank und die Busse
Letzte Woche wurde bekannt, dass die CS eine Busse von 900 Millionen Dollar abdrückt. Damit vermeidet sie weitere Folgen ihrer Beteiligung am Verramschen von Hypothekenpapieren in den USA. Bezahlt wird für den Zeitraum von 2005 bis 2007. Damals war ein gewisser Brady Dougan CEO der dafür verantwortlichen CS Investmentbank. Bevor er den Sprung ganz an die Spitze schaffte und 2010 einen über fünf Jahre aufgelaufenen Sonderbonus von über 71 Millionen einstrich.
Nun könnte der Laie meinen: Hm, Dougan war damals verantwortlich, vor der Busse kassierte er einen europaweit einmaligen Bonus von 71 Millionen, jetzt muss die Bank für damaliges Fehlverhalten 900 Millionen zahlen, das lässt doch die bonuswürdige Tätigkeit von Dougan in einem neuen Licht erscheinen.
Damit beweist aber der Laie einmal mehr, dass er keine Ahnung vom Funktionieren moderner Banken hat. Laut Pressemeldungen sieht die CS keinen Anlass, diese neue Busse mit der Auszahlung alter Boni zu verknüpfen. Weg ist weg, und wo kämen wir denn hin, wenn ein Bankführer nicht nur verbal Verantwortung, sondern auch finanziell Haftung für sein Handeln übernehmen müsste?
Der Fisch stinkt vom Kopf
Da Dougan offensichtlich selbst keinerlei Handlungsbedarf sieht, wäre eigentlich der Verwaltungsrat der CS gefordert, schliesslich ist es das oberste Kontrollgremium der Bank. Der wird aber präsidiert von Urs Rohner, der als ehemaliger Chief Legal, also juristischer Oberaufseher der Bank, selbst zu befürchten hat, dass vielleicht noch unschöne Ereignisse aus der Vergangenheit, beispielsweise im Steuerstreit mit den USA, an die Oberfläche schwimmen. Denn Rohner übte diese Funktion von 2004 bis 2009 aus.
Also lobt er den jämmerlichen Auftritt von Dougan & Co. vor dem Untersuchungsausschuss des Senats vor einem Monat, bei dem nicht nur Dougan von Senator Levin in die Ecke getrieben wurde, in höchsten Tönen: «Unser Management hat das ausgezeichnet gemacht.» Da wäre aber vielleicht noch etwas Luft nach oben.
Was wäre das für ein grandioser Akt, welches Vertrauen könnte wieder hergestellt werden, und das ist ja angeblich das Allerwichtigste für eine Bank, wenn Brady Dougan erklären würde, dass er angesichts neuer Entwicklungen freiwillig bereit sei, wenigstens einen Teil seines 71-Millionen-Bonus zurückzuzahlen. Auch er würde dadurch nicht dem Sozialamt zur Last fallen.