Die Idee: Anstatt dass jedes Mitglied des Euro-Raums für seine eigenen Staatsschulden haftet (oder eben auch nicht), werden Eurobonds ausgegeben, die gemeinsam von allen 17 Staaten garantiert werden. Das nimmt den Druck von Pleitestaaten wie Griechenland oder Portugal und von Wackelkandidaten wie Spanien oder Italien. Die Europäische Zentralbank (EZB) muss nicht mehr länger perverserweise solche Papiere selbst aufkaufen, alles wird gut.
Zahlmeister Deutschland
Hört sich gut an, ist es nicht. Deutschland, der einzige Eurostaat, der noch nicht wackelt (nachdem auch Frankreich langsam in die Bredouille gerät), würde noch mehr zum Zahlmeister Europas. Denn während solche Eurobonds allen anderen etwas Luft verschaffen würden, müsste Deutschland entschieden höhere Zinsen für seine eigenen Staatsschuldpapiere zahlen. Die Gelehrten streiten sich wie immer, aber Zahlen bis zu 50 Milliarden Euro jährlichen Zusatzkosten stehen im Raum. Ist doch ein Klacks, wenn damit der Euro gerettet würde. Wird er aber nicht.
Finanzausgleich?
Naiverweise könnte man annehmen, dass damit eine Transferunion eingeführt würde, wie sie auch zwischen deutschen Bundesländern oder Schweizer Kantonen existiert. Also die Starken helfen den Schwachen, und alle Menschen werden Brüder und Schwestern. Was alle Befürworter dabei gerne übersehen: Wie bei den USA handelt es sich hier um Bundesstaaten, keine Staatenbünde. Das ist keine Wortklauberei, sondern der entscheidende Unterschied. Denn was sollte beispielsweise Griechenland daran hindern, fröhlich weiter Schulden zu machen, wenn die Zinsen wieder erträglich wären? Nichts. Ausser, Deutschland dürfte in Berlin oder in Brüssel darüber entscheiden, wie der griechische Staatshaushalt auszusehen hätte. Ist aber doch eher unwahrscheinlich.
Wirtschaft und Schulden
Wenn die Zinszahlungen, die ein Schuldner leisten muss, durch die Decke gehen, dann ist das nicht die Ursache für seine Probleme, sondern das Symptom. Und da hilft dem Schuldner keine Symptombehandlung. Niedrigere Zinsen für bankrotte Staaten, ob die durch Tricks einer Notenbank oder durch Eurobonds hergestellt werden, nützen nichts. Das ist so, wie wenn man ein Fieber durch kalte Wickel bekämpfen will, anstatt die auslösende Infektion zu behandeln. Wenn eine Firma, oder ein Staat, nicht mal mehr die Zinsen seiner Schulden bezahlen kann, dann ist er pleite. Dann helfen nur ein Bankrott und ein anschliessender Neustart. Das kann doch eigentlich nicht so schwer zu verstehen sein.
Wieso denn nicht?
Als weiteres Argument wird von den Befürwortern von Eurobonds angeführt, dass Deutschland doch sowieso schon zu den Nettozahlern in der Eurozone gehöre, da käme es doch auf ein paar Milliarden mehr auch nicht an. Zunächst: Vielleicht haben sich diese Befürworter schon zu sehr an grosse Zahlen gewöhnt, bis zu 50 Milliarden sind eben kein Klacks. Aber selbst wenn: Jeder einzelne Euro, der in einen faktisch bankrotten Staat geschmissen wird, ist verschwendet, sinn- und zwecklos ausgegeben. Aus genau diesem Grund haben bislang ja auch alle grossartigen Rettungsschirme nicht funktioniert. Wie man daraus folgern kann, dass deshalb der letzte und allergrösste aufgespannt werden sollte, verstehen wohl nicht mal die Politiker selbst, die dafür sind.
Atempause
Das letzte Argument der Befürworter: Eurobonds verschaffen wenigstens eine Atempause, Ruhe, Raum für Erholung. Ah ja, gibt es denn bislang, und die Krise von Griechenland, Portugal, Irland, Spanien, Italien usw. ist ja nicht erst gestern ausgebrochen, irgend ein Anzeichen, ein Signal, einen Hoffnungsschimmer, ein Konzept, eine Idee, wie diese Staaten jemals in der Lage sein sollten, ihre Schulden vollumfänglich zurückzuzahlen? Wir könnten zusammen mit Katja Epstein ihren alten Heuler singen: «Wunder gibt es immer wieder.» Aber eigentlich sollten wir als erwachsene Menschen aus solchem Unsinn rausgewachsen sein. Oder etwa nicht?
Strikt, strikter, am striktesten
In Deutschland, was Wunder, bröckelt die Front der unerschütterlichen Nein-Sager zu Eurobonds bereits. Denn auch dort wird Politik als die Kunst verstanden, zu allem ein klares Jein zu sagen. Markig werden natürlich «strikte Regeln», «klare Haushaltsdisziplin», «Kontrollen» usw. gefordert, sollten Eurobonds, trotz vielen mutigen «Niemals», kommen. Ach, noch strikter als die Maastricht-Kriterien, die von allen Eurostaaten gebrochen wurden, zuvorderst von Deutschland? Gar noch strikter als die Einhaltung der No-Bailout-Klausel in der Europäischen Verfassung, also das Verbot, aus eigener Schuld in die Bredouille geratenen Staaten zu helfen? Gar noch strikter als das Versprechen, dass die Rettungsschirme nur zeitlich begrenzt seien, grosses Ehrenwort, bevor sie in Form des Wortungetüms Europäische Finanzstabilitätsfazilität (EFSF) zur stehenden Einrichtung wurden? Wortbrüchige Witzfiguren sind hier am Werk.
Und wem nutzt’s?
Wieder richtig geraten, deshalb sind Spekulanten wie George Soros auch sehr dafür: Für alle Zocker, Hedgefonds oder Banken, die noch Staatspapiere von Pleitestaaten im Portefeuille haben, wäre der Eurobond sehr attraktiv. Schon alleine mit seiner Verteilung lassen sich wieder Kommissionen verdienen, dass jedem Banker das Wasser im Munde zusammenläuft. Also stehen die Chancen wohl 80 zu 20 dafür, dass er eingeführt wird ...