Von Jacob Zgraggen
Neben der Einführung dieser Steuer (www.mikrosteuer.ch) propagiert die Volksinitiative die gleichzeitige Abschaffung von Mehrwertsteuer, direkter Bundessteuer und Börsensteuer. Der Vorschlag sorgt für ein austariertes Steuersystem, die kantonalen Gewinn- und Einkommenssteuern werden bleiben.
Bestechende Einfachheit
Die dem Schweizer Volk unterbreitete Mikrosteuer hat zahlreiche Vorteile. Sie besteuert sämtliche bargeldlosen Geldbewegungen. Der Zahlungsverkehr stellt ein grosses Steuerreservoir dar. Basis dieser digitalen Steuer ist der elektronische Zahlungsverkehr. Infolge revolutionärer technischer Verbesserungen bei Karten, Smartphones, Apps und neuen Handelsplattformen setzt der Zahlungsverkehr zu exponentiellem Wachstum an.
Die Einfachheit der Mikrosteuer besticht. Jegliche Zahlung wird von ihr mit einem einheitlichen Mini-Steuersatz pro Gutschrift und pro Belastung erfasst, dies im Gegensatz zu den unübersichtlichen Steuersätzen bei der Mehrwertsteuer. Sie geht damit weiter als die Börsensteuer, welche nur einen Teil des mehr und mehr einem Finanzcasino gleichenden fragilen Finanzsystems besteuert. Sie vermeidet damit auch Schwächen der Finanztransaktionssteuer, welche die EU-Kommission im Jahr 2011 sämtlichen Mitgliedstaaten der EU vorgeschlagen hat, die aber ausser mit unbefriedigenden Restansätzen in Frankreich und Italien in keinem europäischen Land eingeführt wurde.
Maximaler Steuersatz in der Verfassung
Der Initiativtext fixiert den Steuersatz der Mikrosteuer für das erste Jahr auf 0,05 Promille pro Gutschrift und pro Belastung. Damit wird der Übergang von den wegfallenden Bundessteuern auf die Mikrosteuer synchronisiert. Die Bank belastet bei einer Überweisung von CHF 10’000.– den Zahlenden mit 50 Rappen und den Empfänger mit 50 Rappen.
Je nach fiskalpolitischer Situation kann das eidgenössische Parlament, also der Gesetzgeber, den Steuersatz für die folgenden Jahre anpassen. Selbst in der schlimmsten Finanzkrise darf der Steuersatz für ein Steuerjahr gemäss Verfassungsvorlage 5 Promille pro Gutschrift und pro Belastung nicht übersteigen.
Das Inkasso der Mikrosteuer erfolgt über das abwickelnde Finanzinstitut. Die Banken sind softwaremässig auf die neue Steuer vorbereitet. Bereits heute belasten sie Bankgebühren und Börsensteuer elektronisch. Technische Einzelheiten sind im Bundesgesetz über die Mikrosteuer zu regeln. Da jeweils nur ein einheitlicher Steuersatz ohne Ausnahmen gilt, zieht eine Änderung des Satzes keine weitere Revision der gesetzlichen Regeln und kein Red Tape nach sich.
Gilt für alle bargeldlosen Geldbewegungen
Der Mikrosteuer gelingt, was der Finanztransaktionssteuer nicht gelingt, nämlich umfassend sämtliche von der Finanzwelt kreierte Transaktionen zu besteuern, einschliesslich Boni, Derivate, Optionen, Termingeschäfte und strukturierte Produkte sowie weitere Finanzerfindungen, welche oft keinen Bezug zur realen Welt haben.
Das bestehende Steuersystem basiert im Wesentlichen auf der Gewinn-, Einkommens- und Mehrwertsteuer. Damit ist es, wie die finanziellen Folgen der Corona-Krise zeigen, zu wenig diversifiziert. Die Mikrosteuer wird helfen, das Steuersystem zu flexibilisieren und es auch aus Sicht der Fiskalpolitik für künftige Krisen zu diversifizieren.
Ausweg aus der Defensive
Die Spannweite von 1:100 zwischen dem Steuersatz im ersten Jahr und dem Maximalsatz ist aus fiskalpolitischer Sicht ein grosser Vorteil der Mikrosteuer. Plötzlich rasch ansteigende Schulden können so schneller abgebaut werden. Zudem: Die zu starke Abhängigkeit von der jetzigen Gewinnbesteuerung hat gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten den Nachteil, dass exakt dann die Erträge von Unternehmen wegschmelzen, wenn sie dringend nötig sind.
Für die Schweiz als Staatswesen bringt die Mikrosteuer weitere Vorteile. Seit Jahren befindet sich die Schweiz in einer Defensivposition gegenüber der OECD, die sich redlich bemüht, europa- und weltweit Steuern anzugleichen. Im dritten Anlauf ist es der OECD gelungen, den Schweizer Souverän von Anpassungen der Unternehmenssteuern u. a. im Bereich Domizilgesellschaften zu überzeugen.
Die Schweiz als innovativer Vorreiter
Ein schaler Beigeschmack bleibt. Warum hat sich die Schweiz drängen lassen müssen? Warum hat sie die Lage nicht proaktiv beurteilt, eigene neue Ideen sowie überzeugende Vorschläge entwickelt und diese mit Scharfsinn und Schlauheit durchgesetzt, was früher eine Stärke der schweizerischen Aussenpolitik war? Denn das bestehende Steuersystem ist in vielen Ländern und nicht nur in der Schweiz angesichts der die Wirtschaftswelt durchpflügenden Digitalisierung überholungs- und anpassungsbedürftig und gute Ideen sind willkommen.
Die OECD versucht zurzeit, die internationale Konzernbesteuerung an die Erfordernisse der Digitalisierung anzupassen. Die vorgelegten Vorschläge sind nicht durchdacht und werden entweder scheitern oder zu einer weiteren unnötigen Komplizierung der internationalen Besteuerung führen. Eine weltweite Besteuerung der Zahlungsströme durch die Mikrosteuer, ergänzt mit einer Gewinnsteuer zu reduzierten Sätzen, das wäre die internationale Lösung.
Ziel: weltweite Mikrosteuer
Bis dieser Gedanke im zentralen Laboratorium der OECD in Paris ankommt, wird es noch einige Zeit brauchen. Die Association Microtax hat an zwei Vernehmlassungen der OECD für ein verbessertes internationales Steuersystem teilgenommen. Wir warten noch immer auf eine inhaltliche Antwort auf unseren Vorschlag einer weltweiten Mikrosteuer auf dem bargeldlosen Zahlungsverkehr.
Die Initianten der Mikrosteuer sind sich bewusst, dass neue Ideen und Anregungen im Steuerbereich, so sinnvoll sie auch sind, einen gewissen Reifeprozess durchlaufen müssen. Steuerakten bearbeiten und Steuerideen wälzen sind keine Lieblingsbeschäftigung der Bevölkerung. Die Diskussion über die Mikrosteuer darf jedoch nicht einseitig denkenden Experten jeglicher Couleur überlassen werden. Die in nächster Zeit absehbare Zunahme der Arbeitslosigkeit wird die Reifezeit beschleunigen.
Abwehrhaltung der Banken
Die Bankiervereinigung geht bereits jetzt in Defensivstellung, obwohl die Mikrosteuer das Finanzwesen erneuern wird und Vorteile für die Banken bringt. Die Bankiervereinigung erkennt die Chancen der Mikrosteuer für das schweizerische Bankwesen noch nicht, wie sie auch während Jahren verpasst hat, die Notwendigkeit der Anpassung des Bankgeheimnisses an unsere Zeit zu erkennen.
Nun versucht sie den neuen und zukunftsträchtigen Vorschlag für die neue Digitalsteuer ins Lächerliche zu ziehen, diesmal mit einem Vergleich zu Aladins Wunderlampe. Es lohnt sich für die Schweiz, diese Wunderlampe in Form der Mikrosteuer auf dem Zahlungsverkehr auszuprobieren. Das Schweizer Volk wird dank der Verfassungsinitiative Gelegenheit haben, die Mikrosteuer kennenzulernen und dieser zukunftsweisenden Steuer auch international den Weg zu öffnen.
*Jacob Zgraggen ist Jurist und ehemaliges Geschäftsleitungsmitglied der Bank Bär. Zusammen mit seinem Kollegen, dem früheren Banker Felix Bolliger, ist er Mitglied des Initiativkomitees zur Volksinitiative für die Einführung einer Mikrosteuer auf dem bargeldlosen Zahlungsverkehr (Initiativtext und weitere Informationen auf www.mikrosteuer.ch). Die Unterschriftensammlung für die Initiative ist seit dem Februar dieses Jahres im Gange.
Dem Initiativkomitee gehören unter anderen an: Marc Chesney vom Institut für Banking und Finance der Uni Zürich, Sergio Rossi von der Uni Freiburg und Anton Gunzinger von der ETH. Weitere Vertreter sind der frühere Bundesratssprecher Oswald Sigg und die ehemaligen Nationalräte Dick Marty (FDP) und Franco Cavalli (SP).