Banken und Versicherungen sind von der Mehrwertsteuer (MWSt) weitgehend ausgenommen. Der gesamte Kredit- und Zahlungsbereich ist befreit. Kreditberatungen, Kreditgewährung sowie Kreditvermittlung können ohne MWSt in Rechnung gestellt werden. Umsätze aus Vermittlung, Einlagen und Kontokorrente unterliegen ebenso wenig der MWSt wie der Zahlungs- und Überweisungsverkehr, das Geschäft mit Geldforderungen einschliesslich Devisen, Derivate, Checks und andere Handelspapiere.
Einzig die Vermögensverwaltung unterliegt der Steuer. Sogar die Vermietung von Schrankfächern ist von der MWSt befreit, Ergebnis einer besonderen Leistung der Banklobbyisten. Es handelt sich um Subventionen des Bankgeschäfts, was sich mit nichts rechtfertigen lässt.
Auch Anlagefonds sind privilegiert
Nicht nur der Kreditsektor und der Zahlungsverkehr geniessen bei der MWSt eine privilegierte Sonderregelung. Das gleiche gilt für Schattenbanken wie Fondsleitungen, die seit 2006 im Gesetz Kollektivanlagen genannt werden. Vertrieb, Verwaltung und Aufbewahrung von Anteilen an Anlagefonds sind von der MWSt befreit.
Sogar delegierte Beauftragte und deren Unterbeauftragte im Fondsgeschäft geniessen das Steuerprivileg. Auch ausländischen Anlagefonds wird die MWSt grundsätzlich erlassen, wenn sie von der Finma in der Schweiz oder von der FMA in Liechtenstein zum Vertrieb zugelassen werden.
Das Bankwesen soll nicht privilegiert sein
Selbst bei Erlass des revidierten MWSt-Gesetzes im Jahr 2009, also nach der Bankenkrise von 2008, gingen die Politiker davon aus, dass Banken steuerlich bevorzugt behandelt werden sollten. Heute ist dies unverständlich. Wenn eine gesellschaftliche Notwendigkeit je bestanden hat, ist sie heute angesichts der rasant wachsenden Volumina der Produkte und Zahlungen im Finanzsektor und dessen Übertreibungen nicht mehr angebracht.
Man denke nur an die hohen Saläre, die Chuzpe bei den Boni und an die stetig wieder auftretenden Skandale, wie der Fall der UBS in Paris, die Millardenbussen, die sich dann auch noch steuerlich verwerten liessen, und zuletzt der Fall CS/Greensill.
KMU leisten einen enormen Erhebungsaufwand
Gärtner, Sanitäre, Elektriker, Dolmetscher, Druckereien, Anwälte, Treuhänder – die Liste liesse sich beliebig fortsetzen – kurz, der gesamte KMU-Mittelstand, sind im Gegensatz zu Kredinstituten verpflichtet, für die von ihnen erbrachten Dienstleistungen die MWSt zu belasten.
Diese Unternehmen sind zwar berechtigt, die Vorsteuer geltend zu machen. Für das Inkasso zugunsten der Steuerverwaltung (ESTV) und für die damit zusammenhängenden Umtriebe werden sie aber nicht entschädigt, sie arbeiten also gratis. Man wundert sich, weshalb der Gewerbeverband nicht einen effektiveren Einsatz für seine KMU leistet.
Bereits 2014 schätzte Prof. Reiner Eichenberger gestützt auf eine Studie des Bundes die gesamtwirtschaftlichen Erhebungskosten für Inkasso und Aufwand auf 46 bis 72 Prozent des Steuerertrags. Dieser beträgt zurzeit jährlich CHF 22 Milliarden.
Mittelständische Familien zahlen die Zeche
Der Name Mehrwertsteuer ist irreführend und falsch. Exakt handelt es sich um eine Konsumsteuer und für die Konsumenten ist diese Steuer alles andere als ein Mehrwert. Als Konsumsteuer ist die MWSt zudem ungerecht, weil Haushalte mit tiefen Einkommen in der Regel einen grösseren Teil ihres Einkommens für den Konsum verbrauchen als Haushalte mit höheren Einkommen. Eine Mittelstandsfamilie mit einem Einkommen von CHF 100’000 bezahlt pro Jahr ca. CHF 3’900 MWSt. Nach der vorgesehenen MWSt-Erhöhung wegen der AHV-Revision würde sich dieser Betrag jährlich auf CHF 4’200 belaufen.
Die Volksinitiative für eine Mikrosteuer auf dem Zahlungsverkehr, für die zurzeit Unterschriften gesammelt werden, sieht einen Steuersatz von 0,05 Promille im ersten Jahr vor. Selbst bei einem Steuersatz von 1 Promille beträgt die Belastung für die erwähnte Familie jährlich lediglich CHF 200. Das ist 20 Mal weniger als bei der MWSt.
Der Arbeitsaufwand für die MWSt liegt bei den KMU. Bei der Mikrosteuer auf dem Zahlungsverkehr sollen es Banken und andere Zahlungsabwickler sein, die das Steuer-Inkasso für die ESTV besorgen. Die Banken werden sich über diese neue Inkasso-Aufgabe nicht beklagen müssen, da sie für die Arbeiten zur Erhebung der Mikrosteuer entschädigt werden, im Gegensatz zu den KMU bei der MWSt.
Abgrenzungsprobleme bei der Mehrwertsteuer
Fünf verschiedene wirtschaftliche Sachverhalte, nämlich drei Steuersätze, das Null-Satz-Exportgeschäft und viele Ausnahmen führen zu unendlichen Abgrenzungsproblemen und Unsicherheiten über die korrekte Abrechnung durch die KMU. Auch für die Spezialisten der ESTV sind die zahllosen Sonderbehandlungen eine Herausforderung.
Die seinerzeit unrechtmässige MWSt-Belastung auf Billag-Rechnungen ist landesbekannt. Das Bundesgericht musste sich mit dem Thema befassen. Schliesslich erliess das Parlament das „Bundesgesetz über die pauschale Vergütung der Mehrwertsteuer auf den Empfangsgebühren für Radio und Fernsehen“: der Amtsschimmel wiehert. Das Gesetz regelt die Rückerstattung der in den Jahren 2010 bis 2015 zu Unrecht erhobenen MWSt auf den Empfangsgebühren. Jeder Haushalt erhält eine Pauschale von 50 Franken. Der Berg hat mit viel Aufwand eine Maus geboren.
Mehrwertsteuer kommt immer wieder unter Beschuss
Es kommt nicht von ungefähr, dass immer öfter die Abschaffung der MWSt gefordert wird. Die Grünliberale Partei startete im Juni 2011 eine Volksinitiative zur Abschaffung der MWSt .
2014 schlug Prof. Eichenberger die Abschaffung der MWSt vor als Kompensation für die von ihm geforderte Kostenwahrheit im Verkehr und Marktöffnung. Die Kostenwahrheit im Verkehr bringe den öffentlichen Haushalten Überschüsse von 16 bis 18 Milliarden Franken. Prof. Eichenberger hat das Projekt nicht vorangetrieben.
Im Gegensatz zu anderen Versuchen, die MWSt abzuschaffen, schlägt die Volksinitiative Mikrosteuer auf dem Zahlungsverkehr eine handfeste Finanzierungsalternative vor: Die stetig wachsenden Zahlungsströme der überbordenden Finanzwelt werden besteuert.
Mikrosteuer oder Mehrwertsteuer?
Die Mikrosteuer auf dem Zahlungsverkehr hat im Vergleich zur MWSt zahlreiche Vorzüge, sie ist zukunftsgerichtet und zeitgemäss. Sie ist eine Transaktionssteuer, die auf jeder Zahlung anfällt. Dank dem riesigen Zahlungsverkehr in der Schweiz von jährlich weit über CHF 100’000 Milliarden bringt 1 Promille Mikrosteuer dem Bund einen Ertrag von CHF 200 Milliarden, also fast 10 mal mehr als die MWSt. Für Bevölkerung und KMU wäre die Mikrosteuer eine Wohltat.
Wir stehen vor einer Zeitenwende. Die Ausgaben, die in den nächsten Jahren auf den Staat zukommen, werden stark wachsen.
Haften die Banken für Ihre Übertreibungen?
Die SIX-Statistik über Derivate zeigt, dass die Banken weiterhin das grosse Rad drehen. Das Derivatgeschäft nimmt astronomische Dimensionen an, es muss unbedingt besteuert werden. Im Mai 2020 war das Volumen der Equity-Derivate an mehreren Tagen 39’000 mal grösser als das schweizerische Bruttoinlandprodukt und damit auch 23’000 mal grösser als die Marktkapitalisierung des SMI. Die publizierten Zahlen sind so hoch, dass wegen der Kreuzverflechtungen bei Derivaten von einem existentiellen Risiko für die Schweiz ausgegangen werden muss.
Haften die Banker für ihre Übertreibungen? Werden die Banken bei der nächsten Finanzkrise wieder den Staat und damit den Steuerzahler um Hilfe bitten? Werden sie für den angerichteten Schaden haften und ihre Boni und übersetzten Saläre zurückzahlen?
Der unterbesteuerte Bankensektor darf sicher nicht länger von Privilegien bei der MWSt profitieren. Das riesige Steuer-Reservoir des Zahlungsverkehrs muss endlich besteuert werden. Die Mehrwertsteuer kann abgeschafft und durch die Mikrosteuer ersetzt werden.