Die Nordkoreaner spielen mit einer Ungewissheit: Besitzen sie Atomwaffen? Nordkorea hat bisher zwei nukleare Sprengsätze gezündet. Ausserdem erprobten sie Raketen mit einer geschätzten Reichweite von 4000 Kilometern. Im Mai behauptete die Parteizeitung „Rodong Sinmun“, Wissenschaftlern des Landes sei es gelungen, eine kontrollierte nukleare Kettenreaktion durch Kernverschmelzung auszulösen. Das würde bedeuten, dass Nordkorea nicht nur einfache Atomsprengsätze, sondern auch thermonukleare Waffen wie die Wasserstoffbombe bauen könnte.
Das Gespann Nordkorea-Iran
Kurioserweise meldete kürzlich auch der Iran die Beherrschung der Kernfusion. Die Fachwelt nimmt solche Erfolgsmeldungen nicht ernst. In ihren Augen handelt es sich um einen Bluff, der den Anspruch der beiden Länder auf einen atomaren Status untermauern soll. Nordkorea und Iran arbeiten seit langem auf nuklearem Gebiet zusammen. Beide waren Kunden des „Vaters“ der pakistanischen Atombombe und Schwarzhändlers Abdul Kadir Khan. Von ihm kauften sie Zentrifugen zur Anreicherung von Uran, deren Blaupausen Khan in den siebziger Jahren als Gastforscher in den Niederlandes gestohlen hatte.
Bisher beruhte das nordkoreanische Atomwaffenprogramm auf dem Plutonium, das ein 5-Megawatt-Reaktor sowjetischer Bauart in Yongbyon ausschied. Westliche Experten errechneten, dass die Nordkoreaner etwa 40 bis 50 Kilo Plutonium besitzen. Theoretisch liessen sich damit etwa vier Atombomben herstellen. Einen beträchtlichen Teil der Bestände schluckten aber die beiden Versuchsexplosionen, obwohl die Nordkoreaner mit dem Spaltmaterial äusserst sparsam umgingen. Der erste Test 2006 erreichte statt der erwarteten Sprengkraft von vier Kilotonnen TNT nur eine Kilotonne. Die zweite Versuchsexplosion im Mai 2009 war offenbar ein Flop. Es wurde gerade nur so viel Plutonium verwendet, um die zur Kernspaltung notwendige kritische Masse zusammenzukriegen.
Brüchige Abkommen
Der Reaktor von Yongbyon wurde 2008 unter Aufsicht von Inspektoren der Internationalen Atomenergie-Organisation demontiert, sein Kühlturm gesprengt. Nordkorea hatte sich bei den „Sechs-Parteien-Gesprächen“ in Peking mit den USA, Russland, China, Japan und Südkorea auf die Stillegung des Meilers und Gegenleistungen in Form von Handelserleichterungen geeinigt. Unter anderem wurde Nordkoreaner von der schwarzen Liste der Staaten gestrichen, die Terroristen unterstützen.
Doch bald wurde ersichtlich, dass die Nordkoreaner die Uran-Brennstäbe des abgebauten Reaktors zurückhielten. Die USA, Japan und Südkorea sahen darin einen Vertragsbruch und fühlten sich ihrer Verpflichtungen entbunden.
Jetzt hat die Regierung in Pjöngjang den Bau eines Leichtwasserreaktors in eigener Regie angekündigt. US-Präsident Bill Clinton versprach Nordkorea bereits 1994 die Lieferung von zwei solchen Kernkraftwerken, die mit leicht angereichertem Uran funktionieren und kein Plutonium absondern. In einem „Rahmenabkommen“, das nach mehrjährigen Verhandlungen in Genf unterzeichnet wurde, verpflichteten sich die Nordkoreaner, den Reaktor von Yongbyon unter internationaler Aufsicht stillzulegen und ihr Atomwaffenprogramm einzustellen. Dafür hätten sie bis zur Fertigstellung der Kernkraftwerke Öl von den USA geliefert bekommen.
Clintons Amtsnachfolger George W. Bush stornierte aber das Abkommen. Die damals in Washington regierenden „Neocons“ setzten auf den Zusammenbruch des Regimes in Pjöngjang, den sie beschleunigen wollten. Daraufhin kündigte Nordkorea 2003 den Atomwaffensperrvertrag.
Seither geht es in den Beziehungen zwischen den USA und Nordkorea auf und ab. Diktator Kim Jong-Il verlangt von den USA „Sicherheitsgarantien“. 2009 brach Kim die Sechser-Gespräche ab.
"Ultramoderner Kontrollraum"?
Mitte November luden die Nordkoreaner den US-Wissenschaftler Siegfried Hecker zum Besuch ihrer neuen Uran-Anreicherungsanlage ein. Heckler fand dort einen „ultramodernen Kontrollraum“. Angeblich laufen in der Anlage bereits 2000 Zentrifugen. Doch die Umwandlung von Natururan zuerst in einen „gelben Kuchen“, dann in gasförmiges Uran-Hexafluorid und die Trennung des seltenen Isotopen U-235 in unzähligen Schleudergängen ist äusserst aufwändig. Noch mehr technisches Know-how und Geld erfordert der Bau verlässlicher Gefechtsköpfe und präziser Raketen. Das ständige Spiel mit der Atombombe stellt jedoch für die Kim-Dynastie eine Art Lebensversicherung dar.