So wie in Syrien wird auch in Jemen weiter bombardiert. Ohne erkennbare Erfolge. Seit über acht Monaten dauern nun die nächtlichen Bombardements.
Doch deutlicher als im Falle von Syrien lässt sich erkennen, dass in Jemen die radikalen Islamisten des „Islamischen Staats“ (IS) und von al-Kaida aus den Bombardierungen Gewinn ziehen.
Im Juli war die südliche Hafenstadt Aden von den Huthis befreit worden. In den Wochen danach verloren die Rebellen auch die Herrschaft über alle südlichen Provinzen. Seither bewegt sich wenig. Jene Truppenteile der jemenitischen Armee, die zu Präsident Abdrabbo Mansur al-Hadi halten, haben versucht, auf zwei Achsen Richtung Hauptstadt Sanaa vorzustossen. Unterstützt werden sie von jemenitischen Einheiten, die in Saudi-Arabien ausgebildet worden waren, sowie von Truppen und Kriegsmaterial aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, einigen saudischen Einheiten und einigen Hilfskräften aus Kuwait, Sudan, Marokko und Mauretanien. Sogar Söldner aus Kolumbien kämpfen gegen die Huthis.
Steckengebliebene Vorstösse
Der eine Vorstoss erfolgte aus der Wüste östliche der Hauptstadt heraus. Dort wurden Pro-Hadi-Truppen eingeflogen und lancierten den Angriff. Doch dieser blieb stecken.
Der zweite Angriff erfolgte von Aden aus Richtung Norden. Doch er hat noch nicht einmal die Stadt Taez, etwa auf halbem Weg zwischen Sanaa und Aden, erreicht. Die Huthis verteidigen vehement ihre Stellungen. Sie werden unterstützt von jenen Teilen der jemenitischen Armee, die zum früheren Präsidenten Ali Saleh Abdullah und seinem Sohn, General Ahmed Ali Saleh Abdullah, halten.
Die Strassen, die nach Taez führen, waren von den Huthis und ihren Freunden gesprengt worden. Im Innern der Stadt kämpfen Pro-Hadi-Truppen, unterstützt von einer Bürgerwehr, gegen die Huthis, die die Stadt belagern.
Islamisten füllt die Lücken im Süden
Währen rund um Taez gekämpft wird, machen sich im Süden radikale Islamisten breit. Anhänger des „Islamischen Staats“ und al-Kaidas sind dabei, die südlichen Volksmilizen, die sich gegen die Huthis erhoben haben, zu infiltrieren. Diesen Milizen war es zu verdanken, dass die Huthis aus dem Süden vertrieben werden konnten. Beliefert worden waren die Milizionäre mit Kriegsmarterial aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Vor allem Munition, Panzer und Kleinlastwagen waren geliefert worden.
Doch viele Offiziere und Soldaten dieser Milizen haben kein Interesse daran, nach Norden vorzustossen.
Sie kämpften für die Unabhängigkeit oder Autonomie der südlichen Landesteile. Manche ihrer Anführer waren Offiziere der jemenitischen Armee, die im Krieg von 1994 auf Seiten der südlichen Rebellen gekämpft hatten. Nach dem Sieg der nördlichen Einheiten waren sie aus der Armee entlassen worden. Einige dieser früheren Offiziere sollen offenbar al-Kaida nahestehen.
Schwarze Fahnen in Aden
Seit Aden befreit wurde, gibt es immer wieder Meldungen, wonach Aktivisten des „IS“ oder al-Kaidas ihre Präsenz auf den Strassen der Hafenstadt oder auf Märkten markieren. Auch vor Polizeiposten werden sie gesehen. Sie tragen die schwarze Fahne des „IS“ zur Schau und zeigen ihre Waffen. Doch dann verschwinden sie plötzlich.
Am vergangenen Dienstag wurde gemeldet, Kämpfer von al-Kaida hätten die Hafenstadt Zinjibar, östlich von Aden und den Hauptort der Provinz Abyan angegriffen und besetzt. Auch die nördlich davon gelegene Hügelstadt Dschaar sei in die Hände der Islamisten gefallen. Abyan ist die nordöstliche Nachbarprovinz Adens und eine der volksreichsten des jemenitischen Südens.
Zanjibar und Dschaar befanden sich schon einmal in der Gewalt von al-Qaeda-Kämpfern. Doch diese wurden 2012 von der jemenitischen Armee nach fast einjährigen Kämpfen vertrieben. Unterstützt worden wurde die jemenitische Armee damals durch amerikanische Drohnen-Angriffe. Zudem hatten sich einige der lokalen Stämme auf Seiten der Armee geschlagen.
Der Präsident zurück in Aden
Doch nun sind die radikalen Islamisten zurück. Es soll ihnen sogar gelungen sein, einige der Panzer in Besitz zu nehmen, die von den Vereinigten Arabischen Emiraten in grosser Stückzahl nach Aden verschifft worden waren. In der südöstlichen Hafenstadt Mukalla, knappe 500 Kilometer von Aden entfernt, regiert al-Qaeda schon seit fast einem Jahr.
In Aden sind zur Zeit die Truppen aus den Emiraten für die Sicherheit zuständig. Präsident al-Hadi ist aus Saudi-Arabien in seinen Präsidentenpalast nach Aden zurückgekehrt. Doch echte Sicherheit in der Hafenstadt wird es nur geben, wenn die lokale Bevölkerung selbst dafür sorgt.
Den Islamisten in die Hände gespielt
Allen ist klar, dass die radikalen Islamisten längerfristig von der Zerstörung der gesamten jemenitischen Infrastruktur und der daraus folgenden Teuerung und Hungersnot profitieren werden.
Doch sowohl Präsident al-Hadi wie auch die saudische Führung und wohl auch jene der Emirate scheinen immer noch an einen vollen Sieg zu glauben. Noch wollen sie keinen Kompromiss und kämpfen für eine Rückkehr al-Hadis und seiner Anhänger an die Macht in Sanaa.
Keine Gespräche
Die jemenitische Regierung jedoch scheint eher bereit, Verhandlungen zu beginnen. Solche streben die Uno-Vermittler seit Wochen an. Angeführt wird die Regierung von Ministerpräsident Khaled Baha, der auch den Titel eines jemenitischen Vizepräsidenten trägt.
In Oman finden Kontakte statt. Mehrmals schon hat die Uno angekündigt, Verhandlungen könnten bald beginnen, möglicherweise in Genf. Doch bisher geschah nichts. Die Vorgespräche scheiterten immer wieder an der Hauptforderunge der Saudis, wonach die Huthis zunächst ihre schweren Waffen abliefern und die Hauptstadt Sanaa räumen müssten.
Konzessionen erzwingen
Die Huthis ihrerseits erklären sich zwar bereit, über diese beiden Forderungen zu verhandeln. Doch sie weigern sich, diese als Vorbedingung für Verhandlungen zu akzeptieren.
Zweifellos hoffen die Huthis, dass wenn über ihre Präsenz in Sanaa verhandelt wird, sie im Gegenzug politische Konzessionen erzwingen könnten. Sie könnten zum Beispiel ein Mitspracherecht oder gar ein Vetorecht bei der politischen Neuordnung Jemens fordern. Ferner könnten sie für eine Autonomie für den von Zaiditen bewohnten Norden des Landes kämpfen.
Die Huthis sind schwierige Verhandlungspartner, weil sie die Gewohnheit haben, sich in einem ersten Schritt auf Vereinbarungen einzulassen, die Durchführung jedoch nachträglich widerrufen und eigene Vorbedingungen verlangen.
Konflikt zwischen dem Präsidenten und dem Ministerpräsidenten
Die Differenzen zwischen al-Hadi und seinem Ministerpräsidenten Baha sind neuerdings offen zutage getreten. In Aden hatte Präsident al-Hadi erklärt, er habe fünf Minister der Regierung Baha entlassen und sie durch neue ersetzt. Baha erwiderte von Paris aus, wo er am Klimagipfel teilnimmt, der Präsident habe kein Recht, die Regierung umzubilden, ohne den Ministerpräsidenten zu konsultieren. Die gegenwärtige Regierung bleibe im Amt. Tatsächlich steht in der Verfassung, dass die Regierung zwar vom Präsidenten ernannt wird, aber erst nach Konsultationen mit dem Regierungschef.
Baha war zum Ministerpräsidenten ernannt worden, nachdem al-Hadi von den Huthis aus Sanaa vertrieben worden war. Er galt als eine Figur, mit der sowohl al-Hadi wie auch die Huthis auskommen könnten. Die gegenwärtigen Reibungen mit dem Präsidenten dürften darauf zurückgehen, dass der Ministerpräsident im Einklang mit den westlichen Diplomaten und dem Uno-Vermittler Verhandlungen und einen Kompromiss anstrebt.
Al-Hadi jedoch kämpft noch immer für einen vollen Sieg über die Huthis. Der Präsident weiss, dass bei einem Kompromiss er das erste Opfer sein könnte. Die Macht al-Hadis beruht einzig darauf, dass ihn die Saudis als legalen Präsidenten auf den Schild heben. Saudi-Arabien legitimiert seine Bombenangriffe mit dem Kampf um eine Rückkehr des legalen Präsidenten.
Viele Jemeniten, auch solche, die nicht zu den Huthis halten, werfen al-Hadi vor, dass er für die saudischen Angriffe verantwortlich sei – Angriffe, die das Land nach und nach in Ruinen legen.