In der Sonntagspresse brachte Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf eine Eigenkapitalquote von 6 bis 10 Prozent für Schweizer Banken ins Spiel. Ein interessanter Versuch, Aktienkurse zu beeinflussen. Um ihn zu verstehen, muss man zuerst den Begriff Eigenkapital und seine Auswirkungen auf Erträge verstehen.
Der Hebel
Nehmen wir vereinfachend an, eine Bank dreht mit eigenen 4 Franken und 96 Franken Fremdkapital ein Finanzrad. Gelingt ihr auf die Gesamtsumme von 100 Franken ein vorsichtiger Gewinn von 2 Franken, sind das 2 Prozent. Aber 50 Prozent aufs Eigenkapital. Ziehen wir noch Fremdfinanzierungskosten, Aufwand und Gratis-Kaffee für die Angestellten ab, kommen wir immer noch auf mindestens 25 Prozent.
Super Sache, auch für die Besitzer der Bank, normalerweise Aktionäre. Bevor die allerdings an die Dividende kommen, schaufeln die Bonus-Banker noch mehr als die Hälfte des Ertrags in die eigene Tasche, denn auch ein Bonus fällt ja nicht vom Himmel. Aber immerhin, eine Dividende von 10 Prozent wäre für die gebeutelten Investoren in Aktien der beiden Schweizer Grossbanken eine grossartige Nachricht.
Nun ist es aber im Finanzzirkus so, dass alles mindestens zwei Seiten hat. Statt 2 Prozent Gewinn könnte es auch 4 Prozent Verlust reinhageln, dann wäre das Eigenkapital von 4 Franken weg, die Bank ist blank. Das finden Regierungen und Staaten nicht besonders lustig, weil dann gilt: too big to fail, die Feuerwehr muss mit Steuergeldern den Untergang der Bank verhindern.
Der Dschungel
Das Risiko einer Bank könnte man nun ganz einfach mit der sogenannten Leverage Ratio berechnen, also welches Verhältnis existiert zwischen Eigenkapital und Fremdkapital. Weil in der sogenannten Realwirtschaft, also bei den meisten KMU in der Schweiz, das Eigenkapital 40 Prozent oder mehr ausmacht, könnte der Laie nun meinen, dass das, vor allem nach den Erfahrungen der letzten Jahre, bei Finanzhäusern doch auch ein gesunder Ansatz wäre.
Um Himmels willen, sagt da aber der Banker, das lässt sich nicht so vergleichen. Schliesslich macht es doch einen bedeutenden Unterschied, ob man Geld in ein bombensicheres Staatspapier, eine ziemlich sichere Hypothek oder in ein spekulatives Derivat investiert. Dem muss mit einer sogenannten Risikogewichtung Rechnung getragen werden. Und schon sind wir im Dschungel der Berechnungen, nach Basel 2, Basel 2,5, Basel 3, mit oder ohne Swiss Finish. Diese Risikogewichtung ist eine dermassen komplizierte Rechnerei, dass sie von den zuständigen Aufsichtsbehörden gleich den Banken selbst überlassen wird. Und die verwirren dann Laien wie Regierende mit wunderbaren Eigenkapitalquoten von 12, 15, 18 oder noch mehr Prozent. Risikogewichtet, versteht sich.
Keine Kreditvergabe mehr
Nützt das nichts, sagen Banker zusätzlich, dass mehr Eigenkapital weniger Kreditvergabe bedeutet, und das sei ja in der aktuellen Wirtschaftskrise überall ausserhalb der Schweiz ganz schlecht. Ist zwar völliger Unsinn, denn erstens werden ja, dank Gratis-Geld, diese Ausleihungen lieber in Zockereien investiert als in die Realwirtschaft, wo komplizierte Businesspläne durchgeackert und analysiert werden müssen, bevor ein Kredit gesprochen würde.
Und zweitens wären Kreditvergaben genauso wie vorher möglich, nur wäre halt die Rendite aufs Eigenkapital kleiner. Der Aktionär könnte sich immerhin damit trösten, dass seine Bank und damit seine Aktie sicherer sind. Aber der Bonus-Banker hätte ein gröberes Problem, denn sein Extragewinn hängt ja grösstenteils von der Eigenkapitalrendite ab.
Der Schreckruf
Obwohl eine Anhebung des Eigenkapitals auf bis zu 10 Prozent, wie das die Bundesrätin in den Raum stellt, eine gute Sache wäre – andere ernstzunehmende Bankspezialisten fordern sogar 30 oder 40 Prozent –, muss man sich doch fragen, was Frau Widmer-Schlumpf da geritten hat.
Es gibt keine entsprechenden gesetzlichen Vorhaben, es ist nicht mal am Horizont sichtbar, dass Schweizer Banken solche Eigenkapitalvorschriften gemacht würden. Die Aufsichtsbehörde Finma hat letzthin lediglich die UBS aufgefordert, ihre Rückstellungen für Prozess- und Bussenrisiken zu erhöhen. Aber das ist eine andere Baustelle. Also liegt die Vermutung nahe, dass hier einfach mal so eine Idee in den Raum gestellt wurde. Bei dem aktuellen Zustand der hyperventilierenden und nervösen Börsen war’s aber nicht unbedingt eine gute Idee.
Es gibt nun den Artikel 258 im Schweizerischen Strafgesetzbuch, «Schreckung der Bevölkerung». Wer sie «durch Androhen oder Vorspiegeln einer Gefahr für Leib, Leben oder Eigentum in Schrecken versetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.» Das gilt aber wohl nicht für Banken und Börsen ...