Die Skandalliga hat sich über die Winterferien gemausert. Schiedsrichter und höchste Funktionäre des Chinesischen Fussballverbandes (CFA) wurden rechtzeitig im Februar kurz vor Saisonbeginn wegen Match-Absprachen, Spielwetten, gekauften Matches und Korruption von einem Gericht zum Teil zu langen Haftstrafen verurteilt. In oranger Gefängniskleidung hörten sich mit steinernen Gesichtern die Allmächtigen des chinesischen Fussballs die Urteile an. Die Fans, welche der Skandalliga in den letzten Saisons immer mehr fernblieben, registrierten es mit Genugtuung. Dennoch, auch die Fans müssen sich sputen, denn in der vergangenen Saison kam es zu wüsten Ausschreitungen. Die chinesische Polizei freilich fackelt nicht lange und greift hart durch.
Deplorabel ins Aus gekickt
Wie so vieles, wurde nach chinesischer Ansicht auch das Fussballspiel in China erfunden. Vor zweitausend Jahren schon während der Han-Dynastie rannten Spieler einem ledernen, mit Tierhaaren gefüllten Ball nach. Vor tausend Jahren gar wurde der Legende nach ein begnadeter Spieler – der Lionel Messi der Song-Dynastie sozusagen – zum Premierminister des Reichs der Mitte ernannt. Von diesem sportlichen Glanz ist nichts mehr übriggeblieben. Dem chinesischen Fussball reichte es gerade einmal an die Weltmeisterschaften 2002. Für Brasilien 2014 und Olympia 2010 dagegen kickte sich China in der Asien-Gruppe deplorabel ins Aus.
Kein Wunder, denn national befindet sich der Fussball in einer kläglichen Situation. Seit fast zwei Jahrzehnten wird professionell Fussball gespielt, seit acht Jahren in der Chinesischen Superleague (CSL). Zu Beginn hiess sie mal CSL-Pirelli oder CSL-Siemens, derzeit wird mit dem Namen CSL-Wanda-Plaza einheimisches Schaffen gesponsert.
Die aus 16 Mannschaften bestehende Liga steht seit Beginn 2004 unter einem unglücklichen Stern. Da Glücksspiel in China ausser in staatlichen Lotterien verboten ist, wird unter den Glückspiel-verrückten gewettet, dass es seine Art hat. Auch und gerade auf Fussball. Chinesische Matches natürlich, vor allem aber auf die auch im Fernsehen übertragenen Spiele der europäischen Fussballgrossmächte Italien, Frankreich, Spanien, Deutschland und Grossbritannien. Viel Geld ist im Spiel. Experten sprechen von umgerechnet hohen zweistelligen Milliarden-Dollar-Beträgen. In der heimischen Liga geht die Zockerei so weit, dass auch der Frauen- und Jugend-Fussball betroffen ist. Kommt dazu, dass von den 16 CSL-Teams die Hälfte in Korruption und Kauf von Schiedsrichtern und gegnerischen Spielern verwickelt waren. Keine Mannschaft wurde relegiert.
Jetzt wird alles sauber…
In der Saison 2012 soll aber alles anders werden. Zunächst wurden im Februar mehrere Schiedsrichter und drei Vizepräsidenten des Chinesischen Fussball-Verbandes (CFA) zu unbedingten Gefängnisstrafen verurteilt. Dies veranlasste dann das Zentrale Fernsehen CCTV, erstmals seit dem Boykott vor drei Jahren wieder über heimischen Fussball zu berichten und gar während der Saison dreissig Direkt-Übertragungen in Aussicht zu stellen. Die Fans blieben wegen der Skandale immer mehr den Stadien fern, ausser beim FCB (FC Beijing Guoan), wo bei Heimspielen auch 2011 durchschnittlich 40'000 Zuschauer – inklusive Ihres Korrespondenten – ins Arbeiterstadion strömten.
Diese Saison allerdings wird, wenn es nach den Club-Besitzern und CFA-Granden geht, alles sauber, sportlich, professionell. Der letztjährige Meister Guangzhou Evergrande zum Beispiel hat Grosses vor. Immobilien Mogul Xu Jiayin, Präsident und Besitzer, will sage und schreibe 700 Millionen Yuan (umgerechnet gut 100 Mio Franken) investieren. Der brasilianische Stürmer und Fulminense-Star Dario Conca ist das Aushängeschild. Wie alle andern Clubs beschäftigt Guangzhou neben gut bezahlten chinesischen Kickern insgesamt fünf noch besser bezahlte Ausländer, davon einer nach Reglement aus Asien. Präsident Xu hat für die Spiele hohe Prämien ausgelobt für die nationale Meisterschaft genauso gut wie für die asiatische Champions-League.
300‘000 Dollar pro Monat, netto
Ebenfalls mit der grossen Kelle richtet das in den vergangenen Jahren in mannigfaltige Skandale verwickelte Shanghai Shenhua an. Mit der Verpflichtung des französischen Internationalen Nicolas Anelka (Liverpool, Real Madrid, Manchester City, Fenerbahce, PSG, Chelsea) hat sich Shanghai-Shenhua-Besitzer und IT-Mogul Zhu Jun einen Bubentraum erfüllt. Nicht ganz billig. In Alenkas Zwei-Jahres-Vertrag ist der Verdienst mit 300'000 Dollar beziffert. Pro Monat. Netto.
Die Liga hat insgesamt umgerechnet rund 400 Millionen Dollar investiert. Vierzehn von sechszehn Manschaften haben schliesslich einen direkten Draht zu Immobilienfirmen. So kommt es, dass dreizehn der sechszehn Clubs von ausländischen Trainern angeleitet werden, u.a. vom Franzosen Jean Tigana (Shanghai Shenhua), dem früheren japanischen Nationaltrainer Takeshi Okada (Hangzhou Greentown) sowie niederländischen, serbischen, bosnischen, portugiesischen, kroatischen oder brasilianischen Fussballlehrern.
Die illegalen Wettbüros sind bereit
Ob mit den kostspieligen Investitionen ins Personal die Qualität des chinesischen Fussballs angehoben werden kann, darüber zweifeln viele. Auf dem Internet sind die Blogger eher skeptisch. Anelka, hiess es in einem Mini-Blog, solle gefälligst erst mal einige Tore schiessen. Guangzhous südkoreanischer Trainer anerkennt zwar die Qualitäten von Stürmerstar Anelka, meint aber, dass Fussball eine Team-Sportart sei und deshalb einige hochklassige ausländische Kicker das chinesische Spiel nicht über Nacht verbessern könnten.
Alles ist in der chinesische Profi-Liga also bereit für saubere Spiele. Die Stadien sind aufgemöbelt, das zentrale Fernsehen CCTV vermeldet rekordverdächtigen Reklameverkauf, die 16 Mannschaften von Beijing Guoan bis zu Guizhou Renhe durchtraniert und die – illegalen – Wettbüros auf dem Internet und anderswo sind bereit, die Wetten anzunehmen. Mein Geheim-Tipp: Meister wird im November Dalian Shide.