Seit über tausend Jahren beteten hier Mönche, zuerst die Benediktiner, dann die Kartäuser und schliesslich die Zisterzienser. Das Kloster Trisulti (Abbazia di Trisulti) liegt südlich von Rom in einem Eichenwald nahe von Frosinone. Als der Abt und Ordensgründer Benedikt von Norcia (Nursia) nach Cassina wanderte, um dort zu sterben, machte er in Trisulti Halt. Doch seit dem Zweiten Weltkrieg hat die Kartause ihre Anziehungskraft verloren. Bis vor kurzem lebte nur noch ein einziger, 83-jähriger Mönch im Kloster. Und einige Katzen.
Jetzt ist auch der 43-jährige Engländer Benjamin Harnwell dort eingezogen. Er ist ein enger Freund und Gesinnungsgenosse von Steve Bannon, dem Guru der amerikanischen Rechten und einstigen Adlatus von Donald Trump.
„Salvini ist der Retter Italiens“
Hier im Apennin, auf 850 Metern Höhe, soll eine europäische Revolution vorbereitet werden. Hier sollen Studenten lernen, wie man einen erfolgreichen populistischen und souveränistischen Kampf führt. Ziel ist es, die Kartause in ein Schulungszentrum für Agitation zu verwandeln. Mit Hilfe von Benjamin Harnwell will Bannon eine „Gladiatorenschule für Kulturkrieger“ aufbauen („gladiator school for culture warriors“).
Vorbild sollen die zurzeit regierenden italienischen Populisten sein. „Salvini ist der Retter Italiens“, sagt Harnwell. Und Bannon ruft bei einem Treffen in Rom aus: „Italien ist im Moment das wichtigste Experiment. Hier beginnt der Umsturz, die Revolution.“
Euroa aufmischen
Bei den Europawahlen im kommenden Mai sollen die europäischen Populisten einen grossen Sieg feiern. „2019 wird ein aussergewöhnliches Jahr für den Populismus sein“, sagte Bannon am Sonntag in einem Interview mit dem Mailänder Corriere della sera. Bannon stützt sich nicht nur auf die Italiener Salvini und Di Maio, sondern auch auf Marine Le Pen, die AfD, Viktor Orbán und andere.
Die Idee, eine paneuropäische rechtspopulistische Bewegung aufzubauen hatte Salvini schon lange. Und Bannon half da nur allzu gern. In Brüssel hatte er „The Movement“ gegründet. Mit dieser Bewegung will er die europäische Politik radikal aufmischen. Wie sagte er einst: „Lenin wanted to destroy the state, and that’s my goal too. I want to bring everything crashing down, and destroy all of today’s establishment.“
100’000 Euro Jahresmiete
An den Wänden des Klosters Trisulti hängen hundertjährige Bilder. Hier beteten die Mönche nicht nur; sie waren berühmt für ihre Medizin, die sie aus Kräutern der umliegenden Wälder zusammenbrauten. Doch das Kloster, ein nationales italienisches Monument, begann zu zerfallen. Und der italienische Staat hat für Renovationen bekanntlich kein Geld. Da sprang Benjamin Harnwell ein. Mit dem italienischen Kulturministerium schloss er einen 19-jährigen Vertrag. Die Jahresmiete für das Kloster beträgt 100’000 Euro.
Trisulti muss jetzt erst renoviert werden. Es fehlt an allem. Das Dach ist undicht, es gibt keine Badezimmer, keine Küche, keine Internetverbindung. Ende dieses oder zu Beginn des nächsten Jahres soll es bereit sein für den Unterricht der Gladiatoren. Dann sollen hier, wie Steve Bannon sagt, „Agenten des Populismus“ ausgebildet werden. 50 Schlafzimmer für 100 Studenten stehen zur Verfügung. Angeboten werden sollen Kurse in Geschichte, Theologie, Philosophie und Wirtschaft. Und in Agitation, Populismus und Journalismus.
„Der Westen ist krank“
Benjamin Harnwell ist kein unbeschriebenes Blatt. Er ist Präsident des ultrakatholischen, sehr umstrittenen und polarisierenden Dignitatis Humanae Institute (DHI). Der Mensch sei ein „Ebenbild Gottes“, heisst es in den Statuten des Instituts. Ziel ist es, „die christlich-jüdischen Werte“ zu fördern. Harnwell hat enge Kontakte zu reaktionären katholischen Kreisen geknüpft. Der Westen sei geschwächt, krank, korrupt, habe sich von den christlich-jüdischen Werten entfernt, sagt Harnwell. Die Wirtschaftseliten seien an allem schuld, betonte Bannon immer wieder. Merkel „ist heute fertig, unglaublich“, sagt er dem Corriere. „Und Macron befindet sich in einer Todesspirale, weil er dem Volk nicht zugehört hat“ – im Gegensatz zu Salvini und Di Maio.
Wer finanziert die Gladiatoren-Schule? Bannon sagt, er habe persönlich Geld sowohl in „The Movement“ als auch in die geplante Agentenschule in Trisulti gesteckt. Wieviel, will er nicht sagen. „Das Geld wird aus Europa und vielleicht auch aus Amerika kommen“, erklärt er dem Corriere. „Es gibt einige konservative Katholiken ...“ Mehr sagte er nicht. Das linksliberale Magazin „L’Espresso“ enthüllte, dass Harnwell unter anderem Geld von Luca Volontè erhalten habe, einem italienischen Politiker mit sehr dubiosen Verbindungen zu Aserbeidschan. Der Linkspolitiker Nicola Fratoianni fragt: „Wer finanziert euch, nehmt ihr Dollar und Rubel?“ Rubel?
„Stop Bannon“
Bevor das Kloster fertig renoviert ist, will Bannon in Rom einen Prototyp seiner Schule testen: Während vier Wochen sollen etwa 25 Studenten in Populismus unterrichtet werden.
Doch Bannon und Hanrwell müssen mit einigen Hindernissen rechnen. Vor dem Kloster haben am Wochenende Hunderte gegen den Plan einer Populistenschule protestiert. „Stop Bannon“, hiess es auf Plakaten. Mauro Bussiglieri, der Bürgermeister von Collepardo, wo sich das Kloster befindet, ist wütend. „Die Bevölkerung versteht nicht, dass Trisulti ein Ort der Agitation werden soll.“ Politiker verschiedener Couleur haben sich den Protestierenden angeschlossen. „Wir wehren uns dagegen, dass „hier fanatische Populisten und Integralisten ausgebildet werden“, hiess es.
„Der Mensch ist besessen“
Die bannon’sche Revolte gegen das Establishment zündet nicht so richtig. In den USA ist sein Stern längst verblasst. Selbst Trump hat ihn aussortiert. Deshalb versucht er jetzt seinen Kampf nach Europa zu verlegen. Allerdings mit wenig Echo. Von seinem Brüsseler „Movement“, in dem sich „die Patrioten des Westens mit seinen christlich-jüdischen Wurzeln treffen“ sollen, so Bannon, spricht kaum jemand.
Die Manifestanten, die am vergangenen Wochenende gegen ihn vor der Kartause Trisulti protestierten, hatten wenig schmeichelhafte Worte für ihn übrig. „Der Mensch ist besessen“, „der Mensch ist krank“, „er hat eine tödliche Mission“, „hau ab über den grossen Teich!“
Kontraproduktiv?
Dazu kommt, dass auch in Italien der unberechenbare Haudegen Donald Trump wenig Sympathien geniesst. Auch wenn der Präsident seinen einstigen Chefstrategen längst fallen gelassen hat, gilt Bannon noch immer als ein Trump-Mann. Auch Salvini hat gemerkt, dass ein Schulterschluss mit Bannon eher kontraproduktiv sein könnte. In jüngster Zeit hat er sich nicht mehr mit ihm gezeigt.
Auf Einladung der postfaschistischen italienischen Partei „Fratelli d’Italia“ trat Bannon kürzlich in Rom auf. Für den Anlass war mächtig die Werbetrommel gerührt worden – mit wenig Erfolg. Im Saal befanden sich schliesslich mehr Journalisten als andere Italienerinnen und Italiener.