Die SVP macht seit vielen Jahren Stimmung gegen die Ausländer. Doch jetzt warnt Christoph Blocher vor einer einschneidenden Beschränkung der Einwanderung, und viele seiner Anhänger versagen ihm die Gefolgschaft..
Fachkräftemangel
„Die Ecopop-Initiative ist gefährlich und würde unserem Land schaden. Sie muss abgelehnt werden.“ Dieses harte, klare Urteil stammt weder von einem freisinnigen oder sozialdemokratischen Politiker, noch von einem Bundesrat, aber von Christoph Blocher, dem es mit seiner Partei gelungen ist, eine Mehrheit der schweizerischen Stimmberechtigten für die Volksinitiative „gegen die Masseneinwanderung“ zu gewinnen. Der populäre Politiker, noch heute der Kopf seiner Partei, nimmt für sich in Anspruch, den Auftrag zur Rettung der Schweiz erfüllen zu müssen, gestern wie heute, gegen den Beitritt der Schweiz zur Europäischen Union oder doch gegen ein zu enges Vertragsverhältnis zu Europa, und jetzt gegen die Ecopop-Initiative.
Blocher ist der Meinung, dass Ecopop die Zuwanderung mit für alle Schweizer unhaltbaren Mitteln beschränke. In einem Interview mit dem „Tages-Anzeiger“ erläutert der SVP-Politiker, ein Unternehmer, der keinen schweizerischen Ingenieur finde, könnte die Stelle nach einem Ja zu Ecopop nicht besetzen, da die Zuwanderungsquote von 0,2 Prozent mit Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommen ausgeschöpft würde. Die Firma des Unternehmers müsste deshalb dorthin gehen, wo Ingenieure vorhanden sind, so verlören auch Schweizer ihre Stelle. Die vom Volk im Februar angenommene Volksinitiative der SVP lasse hingegen genügend Spielraum, um bei Bedarf und angesichts fehlender Ingenieure, einen solchen in die Schweiz holen und anstellen zu können; sie sei eine gute Lösung, um die Einwanderung zu beschränken.
Blocher spaltet auch seine Partei
Es fällt auf, dass Blochers Argumente gegen die Ecopop-Initiative sich kaum von jenen anderer Politiker aus verschiedenen Parteien sowie des Bundesrats unterscheiden. In den letzten Wochen haben wir gesehen, dass viele Delegierte, Mitglieder und Sympathisanten der SVP sich von ihrem hochverehrten Chef nicht überzeugen liessen. So haben sich verschiedene kantonale SVP-Sektionen zugunsten der „gefährlichen Initiative“ entschieden. Blocher, der oft die Schweiz spaltete, spaltet jetzt sogar seine eigene Partei. Auf den ersten Blick mag das überraschen, aber bei näherem Hinsehen ist das verständlich, ja logisch.
Blocher und seine Partei haben die Ausländer seit vielen Jahren immer wieder als Sündenböcke dargestellt, ihnen für viele Probleme und Mängel in unserem Land die Schuld zugeschoben. Sie haben die Ausländer verleumdet, sie für die Kriminalität in der Schweiz verantwortlich gemacht, ohne zu erwähnen, dass die grosse Mehrheit die Gesetze achtet und viele Ausländerinnen und Ausländer Arbeiten ausführen, für die kaum noch Schweizer gefunden werden. Doch kann man während Jahren eine Gruppe von Menschen und die Zuwanderung schlecht machen, ohne dass diese Kritik Spuren hinterlässt? Ich glaube nicht. In der Folge der dauernden Kampagnen der SVP hat die Zuwanderung einen schlechten Ruf erhalten, wobei deren Nutzen und Vorteile für unser Land ausgeblendet werden.
In der Falle des Zauberlehrlings
Jetzt kann das Volk über eine Volksinitiative entscheiden, welche die Einwanderung rigoros bremsen würde. Viele Menschen haben die ausländerfeindliche Propaganda der SVP nicht nur gehört, sondern sie auch übernommen: sie wollen sich jetzt die Gelegenheit nicht nehmen lassen, Ecopop zuzustimmen. Blocher spaltet in diesem Zusammenhang nicht mehr nur die Schweiz, sondern auch seine Partei. Wie der Zauberlehrling muss der raffinierte Politiker jetzt feststellen: „Die ich rief, die Geister, werd’ ich nun nicht los.“ Blocher ist zweifaches Opfer seiner Politik. Er, und noch mehr seine Mitstreiter, haben die Ausländer verunglimpft, und er hat sich verächtlich über unsere demokratischen Institutionen und den Bundesrat geäussert. Er und seine SVP haben das Vertrauen in den Bundesrat und ins Parlament untergraben. Jetzt nehmen viele Bürgerinnen und Bürger die Mahnungen von Bundesrat und Parlament nicht einmal ernst, wenn sie das gleiche sagen wie Christoph Blocher.