Die Kopten sind immer wieder Ziel von Anschlägen, für die der „Islamische Staat“ die Verantwortung übernimmt. Nach den Attacken vom Palmsonntag, bei denen 45 Menschen ums Leben kamen, veröffentlichte die IS-Nachrichtenagentur „Amaq“ sogar den Namen des Selbstmordattentäters von Alexandria.
Die christliche Minderheit der ägyptischen Kopten umfasst etwas mehr als neun Millionen Menschen. Das sind rund zehn Prozent der Bevölkerung. Die Kopten sind die Nachfahren der ägyptischen Christen, die einst, vor dem Einzug des Islams, das gesamte Niltal bewohnten. Sie sind also die ägyptischsten aller Ägypter. Etymologisch gesehen, leitet sich der Namen der Kopten (im ägyptischen arabisch ausgesprochen: „`Ibt“ ) vom griechischen „Aigyptioi“ ab.
Erfolgloser Kampf gegen den IS
Der IS ist primär im Sinai aktiv, wütet aber manchmal auch im Niltal. Im Sinai wird der IS seit der Machtübernahme von Präsident al-Sisi im Sommer 2013 mit aller Macht von der ägyptischen Armee bekämpft. Der Kampf wird mit grosser Rücksichtslosigkeit und Brutalität, auch gegenüber der zivilen Bevölkerung, geführt. Bisher allerdings war die ägyptische Armee wenig erfolgreich.
Die genaue Zahl der ägyptischen Soldaten, die im Sinai im Kampf gegen den IS zum Opfer gefallen sind, ist nicht bekannt. Die IS-Kämpfer überfallen immer wieder Armee-Angehörige, die sich auf den Pisten in den Wüsten bewegen oder Strassensperren bewachen. Die Nachrichtenagenturen sprechen von „Tausenden“ toten Soldaten. Die Zahl der zivilen Opfer dürfte ein Vielfaches betragen. Dabei handelt es sich um Menschen, die in den Städten im Norden des Sinai lebten, aber auch um Bewohner in weiter südlich gelegenen Wüsten.
Die Vorgänge im Sinai stehen unter strengster Zensur durch die Armee. Nur Gerüchte über die dortigen Zustände dringen an die Aussenwelt.
Aufruf zum Mord
Im vergangenen Monat kamen die wenigen Kopten, die in al-Arisch leben, unter massiven Druck des IS. Al-Arish ist die grösste Siedlung im Nordsinai. In einem veröffentlichten Video rief der „Islamische Staat“ die Muslime auf, die Kopten in al-Arish entweder zu ermorden oder zu vertreiben. Daraufhin wurde das Haus eines Kopten niedergebrannt und der Hausherr ermordet.
Etwa 250 Kopten flohen darauf nach Ismailiya, der ägyptischen Stadt am Suezkanal. Sie erklärten, die ägyptische Armee weigere sich, sie zu beschützen, und die Flucht sei ihr einziger Weg, um ihr Leben zu retten.
Ziel ist ein Bürgerkrieg
Die am Palmsonntag erfolgten Anschläge auf koptische Kirchen sind nicht die ersten ihrer Art. Im vergangenen Dezember explodierte in einer koptischen Kirche in Kairo eine Bombe und forderte 29 Tote. Die Kopten beklagen, dass sie von den Sicherheitskräften kaum geschützt würden. Tatsächlich sind die einfachen Polizisten und Soldaten wohl eher darauf aus, in erster Linie für die Sicherheit der Muslime zu sorgen. Sie stehen ihnen näher als die Kopten.
Die Regierung allerdings ist sich bewusst, dass der IS-Terror gegen die Kopten das gleiche bezwecken soll, wie der IS-Terror gegen die Schiiten im Irak. Ziel ist es, den Hass zwischen den religiösen Gemeinschaften so lange zu schüren bis sie einander angreifen und in einem Bürgerkrieg aufreiben. So soll der Staat erschüttert und unregierbar werden.
Wirtschaftlich wichtige Minderheit
Doch in Ägypten dürfte das schwierig werden. Die Kopten werden sich wohl kaum gegen die Mehrheit der ägyptischen Sunniten aufhetzen lassen. Seit jeher sind die ägyptischen Christen eine sehr friedfertige Minderheit. Seit der Islamisierung des Landes übten sie keine nennenswerten Regierungsfunktionen aus.
Im Gegensatz dazu stehen die Schiiten im Irak. Sie sind die grösste irakische Religionsgemeinschaft, hatten das Land jedoch vor der amerikanischen Invasion im Jahr 2003 nicht regiert. (Saddam Hussein war ein Sunnit.)
Ägyptens Präsident al-Sisi ist sich bewusst, dass die ägyptische Wirtschaft bedeutenden Schaden erleiden würde, wenn die Kopten das Vertrauen in den Staat verlieren. Sie stellen wirtschaftlich gesehen eine wichtige, ja unentbehrliche Gemeinschaft im Lande dar.
Langer Kampf gegen den IS
Was bezweckt die Ausrufung des Ausnahmezustandes? Unter al-Sisi ist Ägypten ein Land, in dem sich die Sicherheitsbehörden und Geheimdienstkreise wenig um das Gesetz kümmern und weitgehend tun und lassen, was sie wollen. Mit der Ausrufung des Ausnahmezustandes will al-Sisi unterstreichen, dass sich sein Land in einer kritischen Lage befindet und dass er gewillt ist, auch seine koptischen Bürger zu schützen.
Die Verhängung des Ausnahmezustandes hat also mehr symbolischen Charakter, als dass damit das Sicherheitsdispositiv grundlegend geändert werden soll. Schon vor der Ausrufung des Notstandes hatte der Präsident die Armee angewiesen, an allen kritischen Punkten im Land präsent zu sein und für Sicherheit zu sorgen. Al-Sisi unterstrich, dass der Kampf gegen den Terrorismus eine schwere und lang andauernde Prüfung für Ägypten sein werde.