Vor nur einem Jahr tönte der EU-Gruppenchef Jean-Claude Juncker noch: "Griechenland wird nicht Pleite gehen." Umrankt von Wenn und Aber sagt er heute immerhin, "dann hiesse das, dass im März die Pleiteerklärung erfolgt." Zwischen diesen beiden Aussagen liegt eine zweistellige Zahl von Krisengipfeln, deren jeder die endgültige Lösung des Problems versprach. Immer wieder.
Das wirtschaftliche Einmaleins
Man kann mit dem Rücken zur Realität mit Gelddrucken, mit absurden Rettungsschirmen, unsinnigen Hoffnungen auf "freiwillige" Beteiligung von Gläubigern und umnebelten Wolkenkuckucksheimen wie wirtschaftliche Erholung Zeit kaufen. Wenn man über die Macht einer staatlichen Druckerpresse wie die Europäische Zentralbank verfügt, sogar über längere Zeitabschnitte. Das wirtschaftliche Einmaleins kann man dennoch nicht ausser Kraft setzen. Das lautet im Fall Griechenlands: Selbst wenn heute sämtliche griechischen Staatsschulden auf Null gesetzt würden, bräuchte der Pleitestaat morgen Milliarden an neuen Krediten, um übermorgen noch zu erleben.
Realitätsferne Pläne
Es wird nicht passieren, aber nehmen wir einmal an, der aktuelle Rettungsplan würde umgesetzt. Das hätte zur Folge, dass alle Gläubiger Griechenlands, freiwillig oder gezwungen, auf rund 70 Prozent ihrer Forderungen verzichten würden. Das sollte dazu führen, dass Griechenland im Jahre 2020 unter einer Staatsschuld von "nur" 120 Prozent des Bruttoinlandprodukts leiden würde. Vorausgesetzt, die griechische Wirtschaft erholt sich von der aktuellen schweren Rezession, das BIP steigt ab 2013 wieder. Und zwar mit jährlichen Wachstumsraten, die Griechenland seit dem Eintritt in die Eurozone nie erreicht hat. Selbst dieses ideale Szenario ist reine Traumtänzerei.
Weitere Folgen
Dieses Szenario hätte weiter zur Folge, dass die meisten europäischen Banken staatlich rekapitalisiert werden müssten, da ihre Abschreiber auf Griechenpapiere in ihren Büchern und die Nachschusspflicht für an die EZB verpfändete Papiere, mit denen neues Gratisgeld geliehen wurde, das Eigenkapital bei weitem überstiegen. Im Falle einer "freiwilligen" Beteiligung würden die Kreditausfallversicherungen CDS nicht greifen. Und wer würde dann Griechenland (oder einem anderen europäischen Wackelstaat) noch Geld leihen, wenn er sich nicht einmal gegen einen Zahlungsausfall versichern kann? In jeder wirtschaftlichen Krise gibt es ein Zeitfenster, in der sie gelöst werden sollte. In der Privatwirtschaft sorgen Gesetze dafür, dass gegen Konkursverschleppung, Gläubigerbevorzugung und unverantwortliches Handeln Rechtssicherheit hergestellt wird. Leider unterliegen denen Politiker, insbesondere Eurokraten, nicht.
Der Gegenbeweis
In den Naturwissenschaften gibt es eine einfache Methode, die Richtigkeit eines Axioms, einer Formel zu überprüfen. Einfacher, als ihre Richtigkeit zu beweisen, ist oft die Falsifikation. Man nimmt also an, dass das Axiom richtig ist und führt auf dieser Grundlage den Nachweis, dass es unter dieser Hypothese zu Widersprüchen, zu Fehlern, zu unsinnigen Ergebnissen kommt. Genau das ist beim grossartigen Rettungsplan für Griechenland der Fall. Schon ein einziger Gläubiger, bspw. ein über juristische Feuerkraft verfügender Hedgefonds, kann ihn versenken. Ausser natürlich, die Eurokraten ersetzen auch noch gleich Rechtssicherheit durch Willkür. Zuzutrauen wäre es ihnen. Denn grosse Teile der Entscheidungsträger, angefangen beim EU-Gruppenchef Juncker, über die "Troika" bis hin zu EU-Kommissaren, bewegen sich ja schon seit Langem in Dunkelkammern, die jeder demokratischen Kontrolle entzogen sind.
Armes Deutschland
Der Zahlmeister im ganzen Schlamassel hat, zugegeben mit etwas ungeschickten Formulierungen, eigentlich nur auf ein altes Grundprinzip im Verhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger hinweisen wollen: Wer zahlt, befiehlt. Wer einen Kredit bekommt, muss damit verbundene Bedingungen erfüllen. Muss sich kontrollieren lassen, als Staat Teile seiner Souveränität aufgeben. Nachdem sich Griechenland bereits in den Euro geschummelt hat, offenbar auch mit geschummelten Zahlen Kredite erlangte und sich an damit verbundenen Verpflichtungen vorbeischummeln will, zeigen die Hellenen nun, dass im Verhältnis Gläubiger – Schuldner auch ein anderes Prinzip gilt: Der Gläubiger ist in Geiselhaft des Schuldners. Armes Deutschland.