G-0 ist die Abkürzung in der internationalen Strategiediskussion für eine Welt ohne unangefochtene Führungsmacht wie dies die USA in den 90er Jahren, nach der Implosion der UdSSR, und zu Beginn unseres Jahrhunderts waren. Seither haben sich die globalen Gleichgewichte verschoben. Einerseits sind die USA in der Folge höchstens halbgewonnener Kriege (Afghanistan, Irak, Krieg gegen Terrorismus) politisch und vor allem finanziell ein Stück weit geschwächt, andererseits, sind aufstrebende Grossmächte, speziell China, mächtiger und wichtiger geworden.
G-2 Globales Führungsduo
G-2 steht demnach für ein globales Führungsduo USA – China. Eine katastrophale, im Moment unwahrscheinliche Krise vorbehalten - beispielsweise ein in Ostasien ausbrechender Krieg nach dem sog. ‚Europa 1913 Szenario‘ (Vorabend des 1. Weltkrieges) - werden diese beiden Länder die nächsten Jahrzehnte global prägen, insbesondere in der Sicherheitspolitik. China, und teilweise als Folge davon auch Südostasien (ASEAN) und Südasien (Indien, Pakistan) rüsten auf, die USA verlagern ihr weltweit immer noch sehr dominanten Militärmittel langsam vom Atlantik zum Pazifik.
Geschichte wiederholt sich bekanntlich nicht, Weltkriege aber auch ein neuer kalter Krieg diesmal zwischen den USA und China sind im 21. Jahrhundert keineswegs vorprogrammiert. Indes läuft der Trend im Moment in Richtung Verschlechterung der globalen Sicherheitslage.
“Europa 1913“-Schreckensszenarien für Asien
Gefahren drohen einmal von konventioneller Seite, so zum Beispiel dem sich verschlechternden Verhältnis zwischen China und Japan (welchem im Konfliktfall die USA auf Grund vertraglicher Verpflichtungen automatisch Beistand zu leisten verpflichtet wären), wo auf beiden Seiten die Regierungen sich in, von innenpolitischem Nationalismus geschaffene Sachzwänge treiben lassen. Gewisse Strategieexperten im Grossraum Asien - Pazifik malen das erwähnte ‚Europa 1913‘ Bild so aus, dass China dem wilhelminischen Deutschland und die USA dem imperialen aber überbeanspruchten Grossbritanien entsprechen würden.
Ernste Probleme mit potentiell weltweiten Auswirkungen bereiten weiter die ‚ricochets‘ der internationalen Sicherheitspolitik: Rogue states (das atomare Nordkorea, ein bald atomarer Iran etc.) und Rogue actors ( Terrorismus, militante Religionen etc.).
Der wirtschaftlichen - aber nicht mehr sicherheitspolitischen - Weltmacht Europa ist unter einem G-2 Szenario einmal die Sorge um das Funktionieren der Weltwirtschaft und zudem die Abwehr sicherheitspolitischer Bedrohungen im Grossraum Europa- Afrika aufgetragen, um die sich die USA, zumindest in führender Position weder abgeben will, noch kann. Altes, aber zugleich auch zukünftiges Bindeglied zwischen den zwei atlantischen Pfeilern des Westens ist die NATO, ergänzt/ersetzt allenfalls in Zukunft durch eine europäische Verteidigungsgemeinschaft.
Die französische Intervention in Mali hat zwar auch koloniale Wurzeln, die ersten konkreten Zeichen englischer und deutscher Teilnahme daran entsprechen aber der erwähnten regionalpolizeilichen Aufgabe Europas.
G-20 Die Schweiz steht nicht im Warteraum
Die G - 20 ist auf den ersten Blick etwas anderes: eine Ländergruppe, welche durch Grösse und geographische Verteilung ihrer Mitglieder das kritische Gewicht auf die Waage bringt, unmittelbare Massnahmen in Weltwirtschaftskrisen zu definieren, allen (Ländern, Fachorganisationen etc.) zu empfehlen und alle zur Umsetzung zu drängen. Bei ihrer Schaffung 2008 gelang dies einigermassen mit Bezug auf die GFC (Finanzgrosskrise).
Was die G-20 nicht ist, was aber in der Schweiz oft noch so angenommen wird, ist eine Gruppe der 20 weltweit wichtigsten Volkswirtschaften. Damit ist auch das Argument hinfällig, die Schweiz liege doch auf Platz 19 und sollte damit eingeladen werden. Das wird nicht geschehen. Wie erwähnt, ist Geographie ebenso wichtig wie absolute Zahlen. Diese verändern sich zudem und mittelfristig naturgemäss nicht zu Gunsten der bevölkerungskleinen Schweiz. Europa ist in der G-20 mit 7 Mitgliedern, darunter der EU als solcher bereits gut vertreten , verglichen mit Asien-Pazifik (6), den Amerikas (5) und Afrika/Mittelost ( 2).
Heute hat die G-20 etwas an Bedeutung verloren, was sich im Krisenfall aber schnell wieder ändern kann. Zumindest tendenziell dürfte sie zudem auch in politischen Fragen aktiver und bestimmender werden, weil sie - im Gegensatz zum Sicherheitsrat der UNO - den neuen globalen Gewichtungen einigermassen entspricht.
Lernen von Norwegen, Schweden, Holland, Belgien, Österreich
Angesichts dieser Realität erscheint die aktuelle aussenpolitische Antwort der Schweiz eigenartig zwiespältig. Auf der einen Seite wird eine Illusion von ‚small is beautiful‘ und trotziger Unabhängigkeit kultiviert. Anderseits wollen wir doch überall mittun und entscheidend dabei sein, wie beim erwähnten Drang in die G-20, unserem auf Dauer aussichtslosen Kampf um Stimmrechtsanteile und Gruppenvorsitz im IMF, aber auch unserer irrealistischen Insistenz auf völkerrechtlicher Gleichgewichtigkeit im Verhältnis zur gesamten EU.
Dabei wäre es doch eigentlich einfach wie das Beispiel von mit der Schweiz am ehesten vergleichbaren Ländern zeigt. Norwegen und Schweden, Holland und Belgien und auch unser Nachbar Österreich machen ganz selbstverständlich eine Aussenpolitik des sowohl als auch. Sie sind Mitglieder der EU und/oder der NATO, was ihnen direkte Intressenvertretung erlaubt, wo sie als einzelnen Länder nicht teilnehmen können. Sie werden damit auch als solidarischer Teil von Europa wahrgenommen. Gleichzeitig bleiben sie durchaus unabhängig in der Gestaltung ihrer nationalen Aussenpolitik dort wo eine solche möglich und nützlich erscheint
Nicht nur schliessen sich Unabhängigkeit und Teilnahme nicht gegenseitig aus, sie ergänzen sich. Wo im 20. und atlantischen Jahrhundert, während des kalten Krieges, gewisse Mittelstellungen und damit Mittlerdienste möglich waren, wird im 21. und pazifischen Jahrhundert Europa primär als Ganzes gesehen. Institutionelles Abseitsstehen führt zu politischer Bedeutungslosigkeit.