„Willkommen daheim, Verräter“, schrien Demonstranten lauthals, als Donald Trump nach dem Gipfeltreffen mit Wladimir Putin in Helsinki ins Weisse Haus in Washington zurückkehrte. Es waren nicht nur einige zornige Gegner des Präsidenten, die sich so unmissverständlich äusserten. Auch John O. Brennan, Chef der CIA unter George W. Bush und Barack Obama, klagte Donald Trump via Twitter des Landesverrats an: „Es war ohne Zweifel verräterisch. Trumps Bemerkungen waren nicht nur idiotisch, er steckt völlig in Putins Tasche. Republikanische Patrioten, wo seid ihr???“
„Nationale Peinlichkeit“
Reaktionen von Republikanern liessen nicht lange auf sich warten. „Kein früherer Präsident hat sich vor einem Tyrannen je derart erbärmlich erniedrigt“, sagte Senator John McCain, ein eingefleischter Trump-Kritiker. Newt Gingrich, einst Sprecher des Abgeordnetenhauses und ein Freund des Präsidenten, nannte die Pressekonferenz, „den gravierendsten Fehler seiner Amtszeit“. Das „Wall Street Journal“, auf seinen Meinungsseiten dem Weissen Haus wohlgesonnen, schrieb von einer „nationalen Peinlichkeit“.
Selbst Fox News, dessen Kommentatoren häufig als devote Propagandisten des Weissen Hauses agieren, reagierte empört auf den Umstand, dass der Präsident Wladimir Putins Dementis in Helsinki mehr Glauben schenkte als den eigenen Geheimdiensten, die zum Schluss gekommen sind, dass der Kreml 2016 mittels Cyberattacken versuchte, die US- Präsidentschaftswahlen zu Gunsten Donald Trumps zu beeinflussen. Moderator Neil Cavuto nannte die Vorstellung des Präsidenten „widerlich“. Reporter John Roberts berichtete, Donald Trump habe die Vereinigten Staaten „unter den Bus gestossen“.
Mutiger Journalismus
Nur Starkommentator Sean Hannity blieb unterwürfig wie gewohnt und lobte den Präsidenten in einem Interview nach dem Treffen mit Putin überschwänglich: „Es ist viel zur Sprache gekommen. Sie waren am Ende dieser Pressekonferenz äusserst stark.“ Beide waren sich einig, dass Donald Trump bei seinem Nato-Besuch unglaublich viel erreicht habe: „Glauben Sie wirklich, dass die Medien das so berichten würden?“ (Hannity)
Dabei hatte Fox-Moderator Chris Wallace im Interview mit Wladimir Putin nach dem Gipfel gezeigt, was mutiger Journalismus ist. Auf die Frage, weshalb so viele politische Gegner des russischen Präsidenten attackiert würden, antwortete Putin: „Nun, erst einmal, wir alle haben viele politische Rivalen. Ich bin sicher, dass auch Präsident Trump viele politische Gegner hat.“ Worauf Wallace zurückschoss: „Aber sie werden nicht ermordet.“
Der Moderator versuchte auch, Putin eine Kopie der Anklageschrift gegen jene zwölf Mitarbeiter des russischen Militärgeheimdiensts zu überreichen, die Sonderermittler Robert S. Mueller in den USA der Wahlbeeinflussung via Hacking bezichtigt. Doch der Präsident, sichtlich irritiert, weigerte sich, das Dokument entgegenzunehmen.
Landesverrrat
Es ist amerikanischen Beobachtern zufolge wohl das erste Mal, dass ein Präsident oder ein hochrangiger Politiker öffentlich des Landesverrats bezichtigt worden ist. Auf der Website „dictionary.com“, die via Twitter umgehend eine Definition des Begriffs „Verrat“ verbreitete, vervielfachten sich entsprechende Anfragen um 2’943 Prozent: „Verräter: Eine Person, die Verrat begeht, indem sie sie ihr Land verrät.“
Elliot Cohen, ein hochrangiger Beamter im US-Aussenministerium unter George W. Bush, schrieb auf Twitter: „Das Wort Landesverrat ist so stark, dass wir es sorgfältig verwenden müssen. Die Pressekonferenz in Helsinki aber hat den Präsidenten der Vereinigten Staaten direkt an dieses dunkle, düstere Ufer geführt.“ An sich wäre der amerikanischen Verfassung zufolge Landesverrat einer der Gründe, einen US-Präsidenten des Amtes zu entheben.
Matte Ausrede
Offenbar überrascht von der Heftigkeit der Reaktionen auf sein Treffen mit Wladimir Putin, versuchte Donald Trump am Tag danach, zurückzurudern. Es war das altbekannte Muster: Der Präsident sagt etwas Provokatives, nur um wenig später das Gegenteil zu behaupten und seine Unschuld zu beteuern. In diesem Fall behauptete Trump, er habe sich schlicht versprochen und in Tat und Wahrheit stets den US-Geheimdiensten geglaubt, was die Einmischung Russlands in die Wahlen 2016 betrifft.
Das Missverständnis, so der Präsident, sei entstanden, weil er eine Aussage mit einem doppelten Negativ gemacht habe. „Ich habe Präsident Putin (als Zeugen); er hat nur gesagt, Russland habe sich nicht eingemischt. Ich sage dies klar: Ich sehe keinen Grund, weshalb es das tun sollte“, sagte Donald Trump während der Pressekonferenz. „Ich hätte sagen sollen: Ich sehe keinen Grund, weshalb es (Russland) das nicht tun sollte.“ Überzeugend tönt diese Begründung nicht, vor allem nicht angesichts all dessen, was Trump während der Pressekonferenz sonst noch sagte oder nicht sagte.
Ungebrochene Beliebtheit
Es ist zu vermuten, dass Donald Trump auch diesen Sturm der Empörung über seine Vorstellung in Helsinki schadlos überstehen wird. Zwar dürfte nun für einige Republikaner das Fass voll sein, die Mehrheit seiner Anhänger aber wird ihm wohl auch weiterhin die Treue halten. In den USA bewegt sich laut Umfragen die Zahl jener, die den Präsidenten positiv sehen, zwischen 35 und 45 Prozent – unabhängig davon, was er tut oder lässt oder wieviel Zustimmung oder Ablehnung er erfährt. Damit ist sein Beliebtheitswert ähnlich hoch wie der früherer Präsidenten im zweiten Amtsjahr: Bei Barack Obama etwa waren es 47 Prozent, bei Ronald Reagan 44 Prozent.
2016 haben 46 Prozent der Wählerinnen und Wähler in Amerika für ihn gestimmt. Unter Republikanern liegt seine Zustimmungsrate derzeit bei 87 Prozent. Die Erfahrung zeigt, dass es dem Präsidenten nach dem zeitweiligen Absinken seiner Beliebtheit bisher wiederholt gelungen ist, seinen Anhang zu besänftigen und erneut an Popularität zuzulegen.
„Es gibt nur wenige Gründe anzunehmen, dass Trump wegen seines Verhaltens mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin bestraft werden könnte“, schliesst Harry Enten auf der Website von CNN: „Die Frage wird letztlich sein, ob Trump näher beim (Wieder-)Wahltermin etwas sagt oder tut, was er besser bleiben lassen sollte. Je lauter er die Wirtschaft statt sein eigenes Maul für sich sprechen lässt, desto besser dürfte es ihm ergehen.“ Donald Trumps Team und zwei assoziierten Komitees ist es dieses Jahr gelungen, bereits 90 Millionen Dollar an Wahlkampfspenden zusammenzutrommeln.