Als Saisonarbeiter kam er als junger Mann aus dem bergigen Friaul in die Schweiz. In Chiasso musste er wie alle Saisonarbeiter den Zug verlassen und sich in Unterhose und mit dem Pass der Gesundheitskontrolle unterziehen. Am Bahnhof Zürich erwartete ihn ein Mitarbeiter „seiner“ Firma und führte ihn in eine Baracke in einem Aussenquartier, wo er mit 20 Männern in einem engen Raum hätte schlafen sollen.
Er förderte die Integration und wurde gleichwohl fichiert
Der Schock war gross, und er fuhr mit seinem Koffer zurück in die Stadt, wo er ein bescheidenes Hotel bezog. Am Morgen danach übergab er am Geschäftssitz der Baufirma die Hotelrechnung und bat um eine bessere Unterkunft. Dieses Erlebnis hielt er erst Jahrzehnte später in einer seiner Publikationen fest.
In der Zeit von Schwarzenbach und der Nationalen Aktion war Leo, so nennen ihn die vielen Freunde und Bekannten, Präsident der Colonie libere italiane in der Schweiz, eine linke Organisation, die damals mehrere tausend Mitglieder in vielen Ortschaften zählte. Damals, als viele Italiener glaubten, bald wieder heimzukehren, und daher ihre Kinder in italienische Schulen schickten, empfahl Zanier seinen Landsleuten, den Gewerkschaften in der Schweiz beizutreten und die Kinder in die öffentlichen Schulen zu schicken.
Die Colonie förderten damals die Integration, als sich noch kaum jemand darum kümmerte. Anstatt die Colonie, als Vertreterin eines massgeblichen Teils der italienischen Einwanderer zu anerkennen und mit ihr das Gespräch zu suchen, wurden Zanier und viele andere Italiener in der Schweiz von der Polizei fleissig beobachtet und deren Auftritte und Treffen mit den verschiedensten Leuten auf Fichen festgehalten.
Für ECAP Schweiz, das Bildungszentrum der italienischen Gewerkschaft CGIL, das in der Schweiz seit 1970 tätig ist, arbeitete Zanier viele Jahre, auch als Präsident. Zu Beginn wurden Berufs- und Sprachkurse für italienische Einwanderer angeboten, heute für Einwanderer aus aller Welt. Ab 1975 in Rom und danach in Brüssel war Zanier stets im Bereich der Erwachsenenbildung tätig; 1985 kehrte er in die Schweiz zu ECAP zurück.
Seine Gedichte auch auf Arabisch übersetzt
Seit jungen Jahren hat Zanier Gedichte in friaulischer Sprache geschrieben, welche mit dem Rätoromanisch verwandt ist; sein erster Band wurde 1964 veröffentlicht. Die Notwendigkeit, die Heimat zu verlassen, das Misstrauen der Einheimischen, die Demütigungen, welche die Einwanderer erlebten, hat er einfühlsam geschildert. Seine Werke sind in mehrere Sprachen übersetzt worden. Eine Sammlung, die sich unter anderem mit der Emigration aus Afrika und dem mittleren Osten befasst, wurde in Friaulisch und Arabisch veröffentlicht.
Mit seiner gebirgigen Heimat ist er stets verbunden geblieben, es hat ihn beelendet, dass sein Dorf Maranzanis di Comeglians und viele andere kaum noch bewohnt sind. Allmählich wuchs Zaniers Idee, in den verlassenen Häusern seines Dorfes ein „albergo diffuso“ einzurichten, ein Hotel, dessen Zimmer sich in den umliegenden sanierten Häusern befinden. Kurz nach dem Jahr 2000 konnte es, auch dank Beiträgen der Europäischen Union, eingeweiht werden. Seine Lebenszentren – Friaul, Zürich, Rom und das Tessiner Riva San Vitale, sein Wohnsitz in den letzten Jahren – suchte er immer wieder auf, um dort seine Freunde zu besuchen.
Sein prekärer Gesundheitszustand der letzten Jahre verschlechterte sich drastisch Ende 2016; nach einem langen Spitalaufenthalt ist Leo Zanier in seinem Haus im Tessin gestorben.