Wie auch immer man die widersprüchliche Persönlichkeit des 80-jährigen Reinhold Messner beurteilt, er hat Grossartiges geleistet, zuletzt den Aufbau und die Einrichtung von nicht weniger als sechs alpinen Museen – quasi sein fünfzehnter Achttausender.
Dass der 1944 geborene Südtiroler Reinhold Messner ein starkes Ego besitzt, hat er mit unzähligen Vorträgen, Interviews und Büchern hinlänglich bewiesen. Das mag nerven, doch ohne diesen unbändigen, gelegentlich rücksichtslosen Willen zu Höchstleistungen hätte er nicht als erster alle Achttausender ohne Sauerstoff bestiegen, hätte er nicht risikoreiche, strapaziöse Expeditionen in aller Welt durchgehalten, hätte er nicht Bücher am Laufmeter geschrieben und hätte er nicht – als sein Erbe, wie er dieses Vorhaben nennt – die sechs Museen mit dem Label MMM (Messner Mountain Museum) geschaffen.
Wer alle Standorte aufsuchen möchte, braucht viel Zeit, denn sie liegen weit auseinander und sind teilweise nur schwer oder (vor allem im Winter) überhaupt nicht zugänglich. Messner wählte historische Orte, liess aber auch von der Star-Architektin Zaha Hadid auf dem 2275 m ü. M. gelegenen Kronplatz eine amorphe Betonhülle errichten, die teilweise mit Erde überdeckt ist und in drei splissige Aussichtspavillons ausfranst (MMM Corones, 2015). Messner investierte eine beträchtliche Summe aus seinem Privatvermögen und stellte viele Objekte aus seiner Sammlung (Kunst, Ausrüstung, Dokumente) zur Verfügung. Das Programm tönt einladend, zumindest auf dem Papier. Jedes Museum bearbeitet ein präzises Thema: Gletscher, Mythen, Fels, Bergvölker, Alpinismus, Mensch/Berg.
Das wichtigste Museum ist das Schloss Sigmundskron (MMM Firmian) hoch über dem Fluss Etsch, ein Monument in der Reihe der unzähligen Ruinen und Kastelle, die überall im Tal vom Reschenpass bis Bozen zu sehen sind. Es fungiert als Basislager, von dem aus die fünf Filialen gemanagt werden. An diesem Hauptsitz finden Veranstaltungen, Tagungen, Filmvorführungen und vieles mehr statt. Ein Besuch dieses Museums wirft in Sachen Ausstellungskonzept jedoch einige kritische Fragen auf.
Das ganze Areal wurde vom Südtiroler Architekten Werner Tscholl 2006 umgebaut und wortwörtlich begehbar gemacht. Besucher und Besucherinnen werden über Treppen und teilweise luftige Stege aus Eisen, Stahl und Glas um die ganze Anlage geführt, immer wieder unterbrochen von Durchgängen in den Türmen und mit unterschiedlichen Aussichten auf die grandiose alpine Landschaft.
Insgesamt ein sensibler Eingriff, der in Bezug auf den Dialog von Alt und Neu stark an Carlo Scarpa erinnert. Auch der von Aurelio Galfetti veranlasste Umbau des Castelgrande in Bellinzona kann in diesem Zusammenhang zitiert werden.
Messner wollte explizit die optische Reizung durch die Bergketten als Ausgangspunkt auch für die «Faszination Berg» verstehen, die Voraussetzung für den modernen Alpinismus war und noch immer ist. Dies allein hätte als Museumskonzept genügt, doch man wird in jedem Raum mit so viel Material konfrontiert, dass man sich fragen muss, ob da nicht der Bogen überspannt wurde.
Am Ende wird nicht klar, was der Hauptzweck dieses Museums sein soll, denn viele Aspekte kommen auch in den Satelliten zur Sprache, wie etwa die religiöse Dimension der Berge oder die Geschichte des modernen Alpinismus. In einem der ersten Räume befindet sich ein phantastisches Modell des Himalayagebirges. Auf der Umrandung sind Pläne, Zeitungsdokumente, Fotos recht chaotisch ausgelegt. Worüber soll hier genau informiert werden? Über die Geografie des Gebirges? Geht es um die Darlegung der Routen von Erstbesteigungen? Geht es um die wichtigsten Höhenbergsteiger? Oder geht es um das Staunen über die Schönheit des Massivs?
Messner scheint ein Flair für die buddhistische Kultur mit ihren Bildern und Mythen zu haben, und dies wird sowohl im Aussenraum wie in etlichen Kammern durch zahlreiche Artefakte, insbesondere Buddhastatuen, überdeutlich. Doch warum diese Gewichtung des Buddhismus? Wenn man die religiöse Dimension der Bergwelt thematisieren möchte, dann dürften die Spuren des Christentums im Alpenbogen in einer solchen Schau nicht fehlen. Und was hat das als Blickfang am Eingang stehende monumentale Steinmandli, ein sogenannter Inuksuk der Inuit-Kultur, zu bedeuten? Das weiss wohl nur Messner.
Innerhalb der Burgmauern gibt es die Reste einer nicht zugänglichen Kapelle, doch diese wird von Messner so umgedeutet, dass sie auf eine ähnliche Weise unzugänglich sein soll wie der Gipfel des Kailash, eines heiligen, bis anhin unbestiegenen Berges in Tibet. Dies ist nichts anderes als Himalayakitsch.
Von einer historischen Darstellung des Bergsteigens ist im Museum sinnvollerweise einiges zu sehen. Aber Messner wollte auch die Übernutzung der Berge thematisieren. Dabei berücksichtigt er allerdings nicht, dass er mit seiner öffentlich zelebrierten Rekordjagd im Himalaya selbst entscheidend mitverantwortlich ist für den derzeitigen desaströsen Run auf die höchsten Gipfel (es sei diesbezüglich auf die aktuelle vierteilige Doku-Sendung des Schweizer Fernsehen SRF zu den Auswüchsen des Everest-Tourismus verwiesen).
Vielleicht muss man mit der Beurteilung der Messnerschen Museen noch etwas warten. Es ist nicht auszuschliessen, dass es zu einer Bereinigung des gesamten Konzepts kommt. Auch wenn es da bis jetzt Mängel gibt, lohnt sich der Besuch eines oder mehrerer seiner Museen trotzdem. Allein schon die Architektur und die umwerfenden Landschaftsszenerien sind eine Reise wert.
Informationen unter: www.messner-mountain-museum.it
Fotos: © Fabrizio Brentini