Der Euro stand im Mittelpunkt der grössten jährlichen Europaveranstaltung der Schweiz. Veranstaltungen zu europäischen Themen in der Schweiz folgen einem klaren Muster. Von Seiten schweizerischer, vor allem offizieller Teilnehmer werden traditionelle Stärken beschworen und dargelegt, wie sich die EU und die Eurozone in schweizerischer Perspektive verhalten sollte. Von ausländischen Teilnehmern, aber auch von jenen welche dem rauen Wind im Euro-Ausland voll ausgesetzt sind - so etwa Unternehmer, welche weiterhin in der Schweiz produzieren und in den Euroraum exportieren - folgt dann der „reality check“: So ist und tickt die EU, nicht so, wie in helvetischen Träumen gewünscht.
Diesem Muster folgte auch das diesjährigen Frühlingsforum in Luzern, welches im Symposiumsteil und im öffentlichen Teil zusammen jeweils über 1000 Teilnehmer ins KKL bringt.
Enttäuschender Schneider-Ammann
Wenn der Bundespräsident an einer solchen Veranstaltung vor so vielen mündigen Bürgern spricht, könnte man sich ein Plädoyer für eine offene Schweiz vorstellen – eine Schweiz, die viel von Europa erhält, viel von Europa profitiert, aber auch ein Europa, dem die Schweiz viel gibt.
Erwartet hätte man auch ein klares Bekenntnis der Schweiz zur Teilnahme am europäischen Binnenmarkt. Oder den Wunsch zum Austausch, in Taten nicht Worten, mit unseren Partnern in diesem, im globalen Kontext immer kleiner werdenden Kontinent. So bei der Bewältigung der Krisen, welche Europa, eingeschlossen der Schweiz, im Moment durchschütteln, wie die Migration, importierter religiöser Fanatismus und latente Terrorismusgefahr.
Nichts von alledem in der ausgesprochen nüchtern vorgetragenen Ansprache von Bundespräsident Johann Schneider-Ammann. Man mag verstehen, dass zum gegenwärtigen Stand der Verhandlungen an den verschiedenen Fronten Schweiz-Brüssel mindestens bis zum Brexit-Entscheid primär heisse Hoffnungsluft geblasen werden muss. Aber dass es der höchste Schweizer im Jahre 2016 bei einer Aufzählung und Beschwörung traditioneller Stärken der Schweiz verpasst hat, Europa zu erwähnen, enttäuscht, als ob sich in den letzten 50 und 25 Jahren in der Welt und Europa nichts verändert hätte. Die Botschaft, „wir sind gut, besser, komme was wolle um uns herum“, half da nicht - im Gegenteil.
Schleichende Desindustrialisierung
Ähnlich, aber noch spröder Nationalbankpräsident Jordan: Anhand allerlei Statistiken und strikt seinem akademischen Lehrbuch folgend stellte er dar, dass die 2011 gute und notwendige Untergrenze Franken-Euro nur temporär sein konnte (Hildebrand beschwor 2011 das genaue Gegenteil) und damit 2014 aufgegeben werden musste. Was hart aber verkraftbar sei, denn die schweizerische Industrie sei ja anpassungsfähig.
Damit waren am KMU-Panel viele gar nicht einverstanden. Teilnehmer an diesem Panel waren Vertreter von Trisa (Zahnbürsten), WICOR (Energieleitungsteile), Blumer-Lehmann (Holzverarbeitung) und die Credit Suisse. Die Mindestkursaufhebung sei erstens ein gewaltiger, weil unerwarteter Schock gewesen. Zweitens beschleunige ein Frankenkurs von 1.10 die schleichende Desindustrialisierung der Schweiz. Eine weitere Erstarkung des Frankens könne schon kurzfristig dazu führen, dass die Inlandproduktion erschwert oder gar verunmöglicht werde und dass einheimische Zulieferer noch weiter in die Krise geraten. Auch die Schweiz komme um eine eigentliche Industriepolitik nicht herum, wenn wir den Werkplatz erhalten wollen.
Einen anderen Ausweg sprachen indirekt drei hochkarätigen Euro-Gäste an:
- Luc Frieden, ehemaliger langjähriger Minister in Luxemburg und nun Banker ebenda, überzeugter Europäer und Fürsprech für den Euro als globale Reservewährung, was den europäischen Wettbewerbsnachteil gegenüber amerikanischen Produzenten und Dienstleister einebnen würde.
- Jürgen Stark, früherer hoher Beamter in der deutschen Bundesbank und in der Europäischen Zentralbank, der die „Denaturierung des Euros zum politischen Werkzeug“ beklagt, indes ebenfalls für eine Vervollständigung der Währungsunion plädiert.
- Sabine Lautenschläger, deutsche Vertreterin im Direktorium der Europäischen Zentralbank, welche überzeugend darlegte, wie sich der Weg zu einer europäischen Fiskalunion gestalten könnte.
Zusammengefasst war die Aussage klar, der Euro bleibt. Dies wurde auch von Josef Ackermann vom Forumspodium herab bestätigt. Nur durch diesen und dem damit verbundenen Reformhebel, können verkrustete Volkswirtschaften im Süden und Osten Europas - Ackermann betätigt sich teilzeitig als Bankensanierer in Zypern - fit getrimmt werden.
Beitritt des Frankens zum Euro?
Das schweizerische Euro-Leiden veranschaulichte auch der Direktor von Gastrosuisse. Er erwähnte die Halbierung (!) der Zahl der deutschen Touristen in der Schweiz über die letzten Jahre hinweg und die Milliarden, welche die Schweizer durch den kleinen Grenzverkehr in Detailhandel und Gastronomie in der unmittelbaren Nachbarschaft liegen lassen.
Doch schuld am schweizerischen Euro-Leiden ist der harte Franken, nicht die europäische Einheitswährung. In der Luft liegt also der Beitritt des Frankens zum Euro, weil sonst der Werkplatz Schweiz stirbt. Das bedeutet aber auch den Beitritt zu EU. Nicht weil das erste ohne das zweite nicht machbar wäre. Sondern weil die Schweiz wieder beginnen muss, über ihre eigenes Schicksal mitzubestimmen. Über dieses wird entscheidend nicht inner-, sondern ausserhalb der Schweiz entschieden.