Seit einiger Zeit sind sogar überzeugte Europäer angesichts des nationalistischen Dauerbeschusses gegen „Brüssel“ und Sachkritik an europäischen Institutionen dem Defensivreflex des „Ja, aber’“ verfallen. Sie benehmen sich, als wäre die EU zwar eine weiterhin wertvolle und unverzichtbare Sache, über die man aber am besten so wenig wie möglich sagen sollte, um Wahlen zu gewinnen.
„Europa ist gut“
Diesen - ganz zu schweigen von den Europakritikern - hat Macron mit seinem deutlichen Wahlerfolg einen Denkzettel verpasst. Er stand und steht, unverhohlen und unverblümt für Europa ein. In einer staatsmännischen Rede aus seinem Hauptquartier, unmittelbar nachdem sein Sieg feststand, bezeichnete er - wie immer wieder im Wahlkampf - Europa und die EU ausdrücklich als Schild für Frankreich und die Franzosen.
Europa ist gut, weil die EU den Frieden erhält, fehlgeleitete Mitgliedsregierungen allein zu Demokratie und Rechtsstaat zwingen kann und Europas weltpolitisches Gewicht garantiert. Der Euro ist gut, weil er den Blutkreislauf des Binnenmarktes darstellt, fiskalische Massnahmen für Gesamteuropa erlaubt und das Leben der Unionsbürger vereinfacht.
Rohrkrepierer Euro-Kritik
Umgekehrt hat sich gezeigt, dass Marine Le Pen mit ihrem Ruf nach Abschaffung der Einheitswährung verloren hat. Als sie in der letzten und entscheidenden TV-Debatte einmal mehr auf den Euro einhieb, wurde sie von Macrons präzisen Sachfragen nach ihrer Fiskalpolitik zu einer hilflos über eine „Paralellwährung“ stammelnden Frau reduziert. „Die Franzosen wollen ihr nationales Geld“, sagte sie. Dies ist kaum ein tragfähiges Regierungsprogramm, zudem spricht sich eine konstante Mehrheit der Franzosen in allen Umfragen für die Beibehaltung der Einheitswährung aus.
Macron als Antithese
Nicht nur mit Bezug auf Europa hat Macron offensichtlich mit gegenläufigen Positionen gepunktet. Im Gegensatz zu anderen westlichen Ländern galt im politischen Frankreich noch immer ein starres rechts-links Schema. Links die Sozialisten, rechts die Konservativen. Ein Sozialdemokrat wie Michel Rocard, den Mitterand seinerzeit zum Premierminister machte, weil er als Präsident Mittewähler abholen wollte, blieb die absolute Ausnahme. Ebenso schwer hatten es bislang französische Zentrumspolitiker, wie etwa François Bayrou. Dieser ist nun bezeichnenderweise ein hochgehandelter Kandidat für das Amt des Premierministers.
Macron machte während des Wahlkampes nie einen Hehl daraus, dass er als Sozialdemokrat und Zentrist regieren wird. So wie Clinton und Obama in den USA, Blair in Grossbritannien und Schröder in der Bundesrepublik gezeigt haben, dass mit einer soliden Mitteregierung vernünftige und an den Urnen erfolgreiche Politik gemacht werden kann. Gerade Obama glaubte und glaubt an Europa als starken westlichen Bündnispartner der USA. Er hatte ja damals Premierminister Cameron vor der Brexit-Abstimmung sehr klar vor einer Abwendung vom Kontinent gewarnt, nun hat der ehemalige amerikanische Präsident Macron Ende letzter Woche in einer Videobotschaft ausdrücklich als Hoffnungsträger unterstützt.
Hoffnung für Europa
Allein an Macron wird die EU nicht genesen. Im Gegensatz zu Grossbritannien, wo Premierministerin May wählen lässt, um den europäischen Rückwärtsgang zu zementieren, hat Macron aber die Wahl auch mit Euro-Optimismus gewonnen. Hoffnungen sind erlaubt, dass damit die Achse Berlin-Paris Europa neu gestärkt wird. Ob Merkel oder Schultz im Herbst gewinnt, Berlin wird seine konstruktive Europa-Politik sicherlich weiterführen.