Der frühere Ministerpräsident Kostas Simitis ist am Sonntagmorgen im Alter von 88 Jahren in Korinth gestorben. Während seiner Regierungszeit von 1996 bis 2004 führte er sein Land in die Eurozone und versuchte, die endemische Bürokratie abzubauen und sein Land zu modernisieren. Auch politische Gegner würdigen ihn.
1996 wurde Kostas Simitis zum Nachfolger des zurückgetretenen Ministerpräsidenten Andreas Papandreou. Es war die Zeit des Beinahe-Krieges mit der Türkei um die Felseninsel Imia. Bereits in den ersten Tagen seiner Amtszeit hatte Simitis seine schwierigste Probe zu bestehen. Schwer vorstellbar, was hätte passieren können, wenn der neue Ministerpräsident auf die Provokation der Türken nicht derart besonnen reagiert hätte.
Kostas Simitis galt in Griechenland als die graue Maus der sozialistischen PASOK. Er war schon eine Weile aufgefallen, weil er bei der populistischen Stimmungsmache nie mit von der Partie war. Er hatte in den achtziger Jahren das Land als Minister schon einmal durch eine Phase der Überwachung durch den Internationalen Währungsfonds geführt. Nun hatte die langweilige graue Maus Simitis Griechenland einen weiteren verlustreichen Krieg erspart.
Anlässlich eines Vortrags 2016 an der Universität Zürich über die griechische Krise im europäischen Kontext wurden das Weltbild und die Art, wie Simitis sein Land führte, deutlich. Er kritisierte zum Beispiel, dass in Griechenland ein stark selbstzentriertes Weltbild vorherrsche. Probleme würden oft als exogen wahrgenommen, und die eigene gesellschaftliche und politische Struktur werde kaum hinterfragt. Weiter erwähnte er eine verbreitete Ablehnung gegenüber ausländischen Meinungen und rechtsstaatlichen Reformen.
Der ehemalige Premierminister führte zum Beispiel in seiner Amtszeit eine Eignungsprüfung für Beamte ein, um Klientelismus zu bekämpfen. Die Massnahme wurde jedoch von der konservativen Nachfolgeregierung wieder aufgeweicht. Solche Rückschritte sah Simitis als symptomatisch für die politischen und institutionellen Schwächen des Landes.
Simitis wusste die Interessen seines Landes zu vertreten und zu verteidigen. Er betonte, dass in Brüssel mit gut ausgearbeiteten Plänen und fundierten Zahlen durchaus Verhandlungserfolge erzielt werden können. Als überzeugter Europäer warnte er während der Finanzkrise eindringlich vor einem Austritt Griechenlands aus der Eurozone oder gar der EU. Ein solcher Schritt würde Investitionen für eine ganze Generation unmöglich machen und Griechenland weiter isolieren. Er betonte die Notwendigkeit von Stabilität, Planbarkeit und Koordination, um wirtschaftlichen Aufschwung zu erreichen. Nationale Alleingänge seien in einer globalisierten Welt und angesichts der Flüchtlingskrise utopisch. Simitis kritisierte jedoch auch die nordeuropäischen Länder, insbesondere Deutschland, für ihre harte Haltung.
Rückblickend auf die griechische Mitgliedschaft in der Eurozone hielt er fest, dass die wirtschaftlichen Kennzahlen bis zu seinem Abgang im Jahr 2004 im grünen Bereich lagen und die Krise erst durch die Nachfolgeregierungen und deren Politik verschärft wurde. Das stimmt im Prinzip, ist aber nur die halbe Wahrheit. Durch die Mitgliedschaft in der Eurozone sanken in Griechenland die Zinsen extrem. Damit wurde die Schuldenlast viel leichter – ein Anreiz zur Kreditaufnahme. Trotzdem kreiste das Budgetdefizit immer um die Maastricht-Grenze. Das hat damit zu tun, dass die Primärausgaben stark stiegen. Es wurde viel in Rüstung und in die Infrastruktur investiert. Ausserdem standen 2004 die olympischen Spiele in Athen an, die bis zu deren Ausrichtung in Westeuropa schlechtgeredet wurden.
Simitis wurde 1936 in Piräus geboren. Er flüchtete während der Militärdiktatur nach Deutschland, um der Verhaftung zuvorzukommen. 1974 war er zusammen mit Parteichef Andreas Papandreou einer der Gründer der Panhellenischen Sozialdemokratischen Bewegung (PASOK), die heute die offizielle Opposition im griechischen Parlament ist. In den 80er Jahren übte er verschiedene Ministerämter aus und als Andreas Papandreou 1994 gesundheitshalber zurücktrat, wurde er PASOK-Chef und damit griechischer Ministerpräsident. Kurz vor den Olympischen Spielen 2004 gab er das Amt ab.
Simitis starb am Sonntagmorgen im Alter von 88 Jahren im Krankenhauses der Hafenstadt Korinth. Er hatte die Weihnachtszeit und den Jahreswechsel noch in seinem nahegelegenen Ferienhaus verbracht. Zahlreiche griechische Politiker und ehemalige Mitarbeiter, aber auch politische Gegner würdigten Simitis als «Architekten des Beitritts Griechenlands zum Euroland» und Modernisierer. Als einer der ganz wenigen griechischen Spitzenpolitiker war er völlig frei von Skandalen und der weit verbreiteten Günstlings- und Vetternwirtschaft abhold.