Wenn Dinosaurier Dinosaurier als Dinosaurier beschimpfen, dann kann es sich nur um das handeln, was man in der Psychologie eine Projektion nennt. Genau das tut Chefredaktor Eric Gujer in der NZZ vom 16.12.17 und knöpft sich dabei die SRG vor. Sie pflege ein überholtes Programmmodell, eben dasjenige eines Dinosauriers, und gebe den kleinen, flinken Säugetieren wie Netflix und Co. keine Chance.
Alte Kampfbegriffe
Ich liebe Dinosaurier und ihr Vollprogramm, das ich unter anderem in der NZZ wieder finde. Aber schon mein Vater, der dem Freisinn durchaus nahestand, klärte mich als Bube darüber auf, dass der innenpolitische Teil der NZZ leider stark parteipolitisch und ideologisch geprägt sei, währenddessen das Ausland, das Feuilleton und die Kultur ganz allgemein ausgezeichnet daherkämen. Ich begriff erst in den 60er Jahren was er wirklich meinte, als der damalige Chefredaktor Fred Luchsinger eine seiner Sonntagspredigten unter dem Titel „Wehret den Anfängen“ hielt. Es gab dann später auch ruhigere Zeiten, und man gewöhnte sich daran, den Inlandteil mit einem Blaufilter zu lesen. Jetzt aber, da der verhinderte Markus Somm die rechte Latte wieder höher setzte, kommen die alten Kampfbegriffe wie „Staatsfernsehen“ wieder auf die Titelseite.
Ja, auch die NZZ muss sich wehren gegen die kleinen, flinken Gratiszeitungen, Watsons und Blicks (vor allem aber gegen die Grosstanker Google und Facebook). Auch die NZZ hat ernsthafte Existenzprobleme. Und kauft sich auch dieses und jenes auf dem Medienmarkt dazu. Da darf man denen, welche „im Geld schwimmen“, mal tüchtig an den Karren fahren. Auch wenn’s unverantwortlich ist in Zeiten der No Billag-Initiative.
Staatsmedien?
Im Laufe des Textes werden dann – einmal mehr – die angeblichen Staatsmedien beschworen, für welche in der Schweiz kein Platz sei. Mal abgesehen davon, dass es sich bei der SRG kaum um ein Staatsmedium handelt – warum sonst würden dann die Kollegen von Eric Gujer aus der SVP und der FDP ständig Zetermordio über das linke Schweizer Radio und Fernsehen schreien? Es hat aber in der Rolle der zuständigen Departementsvorsteherin eine Patronin in der Person von Doris Leuthard, welche anscheinend eine Intimfeindin des Chefredaktors ist. Sie betreibe Service public als Mischung aus „Paternalismus und Gnadenakt“. Aha!
Wie auch immer, – seien wir froh, dass es in unserem Land einen Service public überhaupt gibt und dass er im Ganzen von hervorragender Qualität ist (schon mal amerikanische Fernsehen geschaut, Herr Gujer?).
Service public – breit, kontrovers und kritisch
Natürlich sind die kleinen Flinken nicht zu verachten und sie leisten in ihrem streng umrissenen Sektor teilweise Hervorragendes. Und die noch flinkeren, vor allem fetten Grossen (Google, Facebook) bieten auch viel, bedrohen aber mehr und mehr die Souveränität der Einzelnen und der Gemeinschaften. Noch ist das Schweizer Radio und Fernsehen die Bühne, auf der unsere Angelegenheiten breit, kontrovers und kritisch verhandelt werden, auch wenn „die Jungen“ nicht mehr so viel zuschauen (und ja auch nicht so oft abstimmen gehen). Noch haben wir ein demokratisch und rechtlich legitimiertes Medienangebot, das durch Beschwerdekommission, Ombudsstelle und das Parlament kontrolliert wird.
Für den Dinosaurier an der Falkenstrasse mag dies ein Graus sein, aber er hat ja seine eigenen Aufpasser. Mal abgesehen davon, dass die NZZ – nimmt man sie nur als Ganzes – ja tatsächlich eine hervorragende Zeitung ist.