Die syrische Regierungsarmee hat zwei strategische Knotenpunkte eingenommen, den einen an der Nordfront, den anderen im Süden. Dies sind im Norden die Flecken Salma und Rabia, die letzten Orte, der Provinz Lattakiya, die in Händen von Nusra-Front, Jaisch ul-Islam und Verbündeten geblieben waren. Beide Orte hatten sich seit 2012 in Besitz der Oppositionskräfte befunden. Russische Sprecher sagten, russische Offiziere hätten den Angriff der Regierungstruppen „koordiniert“.
Die syrische Armee hat mitgeteilt, Rabia werde ihr künftig als Sprungbrett in die Nachbarprovinz Idlib dienen, die von den Aufständischen gehalten wird. Rabia war auch als Ausgangspunkt der Verbindungsstrasse an die türkische Grenze wichtig für die Opposition.
An der Südfront konnten die Truppen Asads den Ort Scheich Meskin einnehmen. Dieses Städtchen dominiert die Verbindungswege zwischen der weitgehend von den Aufständischen gehalteten jordanischen Grenzprovinz Deraa und den im Aufstand befindlichen Agglomerationen am Rand von Damaskus und in der Ghouta.
Fortschritte Asads
Die beiden Erfolge sind wahrscheinlich die wichtigsten Fortschritte, die der syrischen Armee und den ihr zugeordneten Volksmilizen (Schabiha) mit ihren Hilfstruppen aus Libanon (Hizbullah), aus Iran und aus den schiitischen Teilen des Iraks gelungen sind, seitdem die Russen im vergangenen März mit ihren Kampfflugzeugen eingegriffen hatten, um das Regime Asads zu stützen oder zu retten.
Im Norden ist nun die Provinz Lattakiya, alawitisches Herzgebiet, frei von der Bedrohung durch die feindlichen Milizen wie Nusra-Front und Jaisch ul-Islam, die immer noch die grössten Teile der östlichen Nachbarprovinz Idlib beherrschen, aber unter starkem Druck durch die russischen Bombardierungen stehen.
Milizführer eliminiert
Jaisch ul-Islam, eine weitgefasste Allianz von islamistischen Gruppen, die von Saudi-Arabien aus unterstützt wird, hat ausserdem wichtige Führer verloren. Ihr Anführer und Gründer, Zahran Allush, wurde am 25. Dezember Opfer eines russischen Luftangriffs.
Rateb al-Homsi, Führer und Gründer der zweiten grossen Allianz islamistischer Kräfte, die sich vom „Kalifat“ unterscheiden, der Ahrar al-Scham, wurde in der Nähe von Homs in seinem Auto in den Kopf geschossen. Weitere seiner Unterführer waren schon zuvor Attentaten erlegen. Diese Mordaktionen kann man am ehesten dem IS zuschreiben.
Für den IS sind die Jaisch ul-Islam und Ahrar al-Sham Milizen gefährliche Rivalen, weil sie auch in Kreisen rekrutieren, die dem Islamismus zuneigen, jedoch die Unterstützung von Saudi-Arabien erhalten (mit schweigender Zustimmung der Amerikaner). Sie treten für einen „Islamischen Staat Syrien“ ein, nicht wie der IS für ein „Kalifat“, dessen Ambitionen sich auch auf Saudi-Arabien sowie alle anderen islamischen Staaten erstrecken.
Im Vorfeld von „Genf 3“
Jaisch ul-Islam und Ahrar al-Sham erklärten sich im Prinzip bereit, an den Verhandlungen in Genf teilzunehmen. Doch die Russen sehen sie als Teroristen und sprechen sich gegen ihre Beteiligung aus. Die Haltung der beteiligungswilligen Rebellengruppen gilt den Dirgenten des IS als Verrat.
Sie müssen natürlich gewärtigen, dass ein Einvernehmen zwischen Regierung und Opposition, wie Genf es anstrebt, die heute gegeneinander kämpfenden Kräfte in Syrien und ihre internationalen Helfer auf beiden Seiten – Russen und Amerikaner – alle gemeinsam gegen den IS und Nusra mobilisieren würde. Deshalb tun diese, was sie können, um das Zustandekommen und ein immerhin theoretisch denkbares Gelingen der Konferenz zu hintertreiben.
Misstrauen der Kämpfer gegen Diplomatie
Die Mannschaften und Unterführer der Oppositionskräfte, die nicht zu Nusra und nicht zum IS gehören – welche beide von Genf ausgeschlossen sind – sind unschlüssig, ob ihre Gruppierungen wirklich teilnehmen sollten oder nicht. Äusserungen auf Twitter und verwandten Internet-Plattformen lassen erkennen, dass viele Personen aus den Reihen der Kämpfer den Verhandlungen misstrauen und offenbar ihre Notwendigkeit nicht einsehen.
Man findet Äusserungen wie: „Dieser Märtyrer (der abgebildet ist) sagt: geht nicht nach Genf!“ oder: „Geh nicht nach Genf, um bei Konzessionen mitzuwirken, die auf Kosten syrischer Frauen, Kinder und älterer Leute gehen und die Baathisten rehabilitieren helfen!“ Sowie auch: „Geh nicht nach Genf – ausser mit einem Explosivgürtel, den du während dem Treffen hochgehen lässt!“ Oder auch: „Beende die wütenden Angriffe der Russen auf das syrische Volk und lass Nahrung in die belagerten Städte bringen, wie die Ghouta, Madaya, Aleppo, Homs. Dann kannst du mit diesen Affen verhandeln, wenn du es unbedingt musst!“
Enge Erfahrungshorizonte
Die Kämpfer stehen unter täglicher Lebensgefahr aus der Luft und am Boden. Sie sind weitgehend isoliert von ihrer Umwelt, und sie besitzen nur wenig Überblick über die höchst komplexe Gesamtkonstellation und die weltweite Grossmachtpolitik, in die Syrien eingesponnen ist. Dies macht es für sie schwierig zu erkennen, dass nur Verhandlungen ein Ende des syrischen Bürgerkrieges herbeiführen können. Sie glauben einfach – manchmal hoffnungsvoll, manchmal verzweifelt –, dass es für sie nichts anderes gibt als weiterzukämpfen ohne aufzugeben bis zum siegreichen oder verzweifelten Ende.
Die Anführer dieser Kämpfer sehen etwas weiter, weil sie in Verbindung stehen mit Aussenmächten – mit solchen mittleren Ranges, wie Saudi-Arabien und den Golfstaaten sowie mit Weltmächten und permanenten Mitgliedern des Sicherheitsrates. Dies ist ein weiterer Grund für den IS, solche Personen, die im weltpolitischen Bereich mitreden können, zu elminieren.