«Gut aufgestellt, nötige Massnahmen ergriffen, Controlling und Risikomanagement verstärkt.» Waren solche Bankerphrasen früher lachhaft, sind sie Ende 2012 nur noch bemitleidenswert. Der Ausflug in die grosse weite Welt des Investmentbanking, der globalen Finanzströme lässt die daran beteiligten Schweizer Banken in roten Zahlen ersaufen. Die Aufgabe des Bankgeheimnisses, das nach einem guten Bankierwort fett, aber impotent machte, entzieht vielen weiteren Banken die Geschäftsgrundlage. In nur zehn Jahren wurde eine über Jahrhunderte aufgebaute Tradition vernichtet.
Lob des Gnoms
Der Schweizer Bankbeamte in der Form eines Gnoms ist seit den Sechzigerjahren aus keinem Film oder Roman über üble Finanzgeschäfte wegzudenken. Er war diskret, etwas knorrig und unbeholfen, in seiner Wesensart bescheiden und von eher einfachem Gemüt. Seine moralischen Prinzipien waren überschaubar. Was nicht verboten ist, ist erlaubt. Die Herkunft mir anvertrauter Vermögenswerte ist mir egal. Ihre seriöse und gewinnbringende Anlage ist mir eine Herzensangelegenheit, weil ich mir davon eine bekömmliche, aber nicht zu grosse Scheibe abschneiden kann. Der Kunde ist König, und ich bin sein Untertan. Seine wichtigste Eigenschaft war aber: Ich tue nichts, was ich nicht verstehe. Damit fuhr der Bankenplatz Schweiz bis Anfang des neuen Jahrtausends ziemlich gut.
Die Zeitenwende
Kurz nach ihrem Entstehen musste die UBS im Jahre 1998 einen Abschreiber von 700 Millionen Dollar bekanntgeben. Sie hatte den Sirenengesängen des Hedgefonds Long Term Capital Management (LTCM) vertraut. Die Zukunft sei dank mathematischer Algorithmen berechenbar geworden. Wie formulierte das der Wirtschaftsnobelpreisträger Myron Scholes, der mit den edelsten Denkern und Praktikern der Finanzwelt LTCM leitete, so schön: « LTCM ist das Vakuum, das die 5-Cent-Stücke von der Strasse aufsaugt, die sonst niemand sehen kann.»
Kurz danach bestand LTCM allerdings nur aus Vakuum. Einen Fehler machen kann man immer. Den gleichen Fehler immer aufs Neue wiederholen, das ist aber tödlich.
Die ganz grossen Räder
Nicht nur die UBS liess sich von einem solchen Rückschlag nicht davon abhalten, die ganz grossen Räder zu drehen. Die bewegten sich in einer virtuellen Welt namens Derviatehandel. Diese Ableitungen von realen Werten sind zwar nur Wettscheine ohne eigenen Wert. Diese Welt ist ein Nullsummenspiel, bei dem einer gewinnt, was ein anderer verliert. Aber endlich konnte sich der miefige Schweizer Gnom aus der langweiligen Welt von Sparbuch, Obligationen, Aktien und Hypotheken sowie der sicheren Lagerung von Schwarzgeldern aller Art herausbegeben und an die Spieltische der Big Boys setzen.
Schweizer Bankenlenker fühlten sich als Masters of the Universe. Sie tauschten Schirmmützen und Ärmelschoner gegen feinen Zwirn, Privatjets und kostspielige Hobbys ein. Bis sie von angelsächsischen und Ami-Bankern weggeräumt wurden. Die dann vormalig solide Schweizer Bankhäuser in im roten Bereich drehende Maschinen zur persönlichen Bereicherung verwandelten.
Die sieben Bundeszwerge
Hilf- und ratlos schaute die Schweizer Regierung zu, wie der Schweizer Rechtsstaat und der Steuerzahler von Bankmonstern in Geiselhaft genommen wurden, als angeblich unvorhersehbare Ereignisse wie das Platzen von Blasen die grosse Party beendeten. Die grossen Bankenlenker mussten eingestehen, dass sie eigentlich keine Ahnung gehabt hatten, womit sie die ganze Zeit gespielt hatten. Aber eines wussten sie genau: Die persönliche Bereicherung musste unangetastet bleiben. Das angerichtete Desaster aber vom Staat und letztlich vom Steuerzahler weggeräumt werden.
«Too big to fail» wurde wichtiger als die Prinzipien des Rechtsstaats. Aus reiner Dummheit und Geldgier wurde das Bankgeheimnis geschleift, die Rechtssouveränität der Schweiz von der eigenen Regierung zur Disposition gestellt. Aber die zu bezahlende Endrechnung ist noch viel grösser.
Schweizer Schuldenberge
Höher als die Alpen sind die Schuldenberge, die in wenigen Jahren durch das Swiss Banking der neuen Art aufgehäuft wurden. Bussen für die enttarnte Beteiligung an Steuerhinterziehung. Bussen für die Manipulation des Urmeters der Finanzwelt, des Libor-Zinssatzes. Bussen für Fehlberatungen, Betrügereien und den Verkauf von Luftnummern. Das alles addiert sich zu Multimilliardenbeträgen. Zu einem Meer von Schulden, in denen der Schweizer Bankenplatz ersaufen wird.
Aber immerhin: Damit erledigt sich ein Problem von selbst, ohne dass deswegen die Schweiz untergehen wird. Denn nur noch die Banker selbst halten sich für unverzichtbar für eine prosperierende Zukunft.
Die Schweizer Wirtschaft brummt
Trotz Eurokrise, trotz beinahe weltumspannender Rezession, trotz einer sich in den USA immer deutlicher akzentuierenden Wirtschaftskrise: Die sogenannte Realwirtschaft in der Schweiz brummt. Nur der Irrealwirtschaft hinter immer noch glänzenden Bankfassaden geht die Luft aus. Das ist tragisch, denn die meisten Banken bestehen ja nur aus Heerscharen von häufig inkompetenten Angestellten, vielen Computern, holzgetäfelten Sitzungsräumen, hohlem Reputationsmanagement, überflüssigen Hochglanzbroschüren – und viel heisser Luft.
Fort mit Schaden, zurück zur langweiligen Erbsenzählerei. Umso schneller der gute, alte Gnom wieder aufersteht, umso besser für die Schweiz.