Chinas Belt&Road Initiative (BRI) steht in Asien zunehmend vor demokratischen Strassensperren. Zuerst hatten die Wähler in Sri Lanka die chinafreundliche Rajapakse-Regierung abgewählt; dann folgte in diesem Jahr Malaysia. In beiden Ländern argwöhnte eine Mehrheit des Stimmvolks, dass die riesigen Infrastrukturprojekte chinesischer Firmen zur Schuldenfalle zu werden drohten.
Gegen China-Hörigkeit und Amtsmissbrauch
Nun hat mit den Malediven ein weiteres Land einen chinahörigen Präsidenten weggewählt. Am Sonntag gaben knapp 60 Prozent der Malediver ihre Stimme dem Kandidaten der Oppositionsallianz, Ibrahim Solih. Sie verweigerten der regierenden „Progressive Party of Maledives“ und Staatspräsident Abdullah Yameen eine zweite Amtszeit. Da sich nur zwei Kandidaten gegenüberstanden, verkürzte sich das mehrstufige Wahlverfahren auf einen direkten Ausstich zwischen den Zwei.
Sowohl in Sri Lanka wie in Malaysia war China nicht der einzige Streitpunkt im Wahlkampf. Dies galt noch mehr für die Malediven. Während fünf Jahren hat Yameen die demokratischen Institutionen mit immer dreisteren Eingriffen ausgehebelt. Begonnen hatte es noch früher, als er im Jahr 2011 den amtierenden Präsidenten Mohammed Nasheed des Amtes enthob, ins Gefängnis warf und später ins Exil schickte.
Wie Yameen mit der Demokratie umspringt, zeigt die diesjährige Präsidentenwahl exemplarisch. Zweimal erklärte er den Ausnahmezustand. Nach der Ausschaltung seines Vorgängers Nasheed wurden auch die Führer der zwei anderen Oppositionsparteien verhaftet. Nicht genug damit, wurden alle Oppositionspolitiker, die im Jahr 2013 für ein Parlamentsmandat kandidiert hatten, wegen angeblicher Korruption für 2018 disqualifiziert.
Skrupelloser Wahlverlierer
Dies zwang die drei Parteien zu einer Koalition. Mit Ibrahim Solih nominierten sie einen Politiker als Präsidentschaftskandidaten, der weitgehend unbekannt ist und als farblos gilt. Seines Sieges immer noch nicht sicher, sandte Yameen die Polizei auf die Strasse. Sie entfernte Wahlplakate und störte Wahlveranstaltungen. Stunden vor Beginn der Wahl am Sonntag besetzte sie das Hauptquartier der Opposition und beschlagnahmte Computer. Menschenrechts-Organisationen ebenso wie die EU und die USA warfen Yameen zudem vor, die Wahllisten zu manipulieren.
In seinen Wahlkampfreden beschuldigte der Präsident seine Gegner, mit den ‚Imperialisten’ – sprich EU und USA – sowie mit Indien ein Komplott zu schmieden, das ihn stürzen sollte. Zudem hat er, mit dem Sukkurs von Saudiarabien und Pakistan, seinen islamistischen Kurs im mehrheitlich muslimischen Land verschärft. Dies gab ihm die Handhabe, liberale demokratische Positionen als anti-islamisch zu brandmarken.
Und wie in anderen Ländern gibt sich China gern dazu her, seinen Verbündeten Sanktionsdrohungen aus dem Westen vom Leib zu halten. Letztes Jahr reiste Yameen als erster maledivischer Präsident nach Beijing und unterzeichnete ein Freihandelsabkommen. Es konsolidierte Chinas Position als grösste Abnehmer maledivischer Produkte. Diese Exporte – allen voran Meerestiere – sind allerdings verschwindend klein im Vergleich zu Importen aus China.
Ängste vor dem chinesischen Füllhorn
Zudem fliesst viel Geld in das Land der tausend Inseln, allen voran für Infrastrukturprojekte, etwa eine Brücke zwischen dem Flughafen von Malé und der Hauptstadt. Beim Chinabesuch unterzeichneten die beiden Präsidenten 2017 zudem ein Memorandum, wonach diese Projekte nun als Teil der Belt&Road Initiative gelten. Laut dem indischen Thinktank „Gateway House“ sollen bereits 1,5 Milliarden Dollar geflossen sein; schon heute betragen allein die Zinskosten 20 Prozent des jährlichen Budgets.
Wie in anderen Ländern hat das chinesische Füllhorn aber auch in den Malediven mehr Ängste ausgelöst, statt eitel Freude geschaffen. Es halten sich hartnäckige Bestechungsgerüchte hochrangiger Politiker, im Zusammenhang mit dem Verkauf ganzer Inseln an chinesische Investoren, sowie dem Bau einer Marinebasis auf einer der Inseln. (Yameen hatte 2015 das Gesetz ändern lassen, das Grundstückverkäufe an Ausländer verboten hatte).
Wahlbeteiligung von nahezu 90 Prozent
Präsident Yameen hatte daher gute Gründe, den Wahlkampf nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Er sollte Recht bekommen. Bereits am frühen Morgen des Wahltags liefen in Malé Berichte ein, wonach sich auf vielen Inseln vor den Wahllokalen lange Schlangen bildeten – für die Malediven ein unüblicher Anblick. Es stellte sich heraus, dass die Wahlbeteiligung beinahe 90 Prozent betrug. Und schon bald schälte sich eine klare Mehrheit für den Oppositionskandidaten heraus, der am Ende auch ein Stimmen-Plus für Yameen in der Hauptstadt Malé nichts anhaben konnte.
Doch selbst nachdem die Wahlkommission Ibrahim Solih zum Sieger erklärt hatte, liess Yameen nichts von sich hören. Rasch verbreiteten sich Gerüchte, wonach er erneut den Ausnahmezustand erklären und die Wahl für ungültig erklären würde. Nicht zuletzt wegen diesen Befürchtungen, so meinen Beobachter, hatten sowohl die USA wie Indien dem Oppositionskandidaten zu seinem Sieg rasch gratuliert, noch bevor die offiziellen Resultate vorlagen.
Kurzes Aufatmen
Erst am folgenden Tag trat der Präsident endlich vor die Kameras und erklärte erbittert, er habe nur das Beste für sein Volk gewohnt, und dennoch habe dieses nun der Opposition zum Sieg verholfen. Die Malediver konnten kurz aufatmen – doch die Beklemmung ist wohl noch nicht gewichen. Denn die Machtübergabe erfolgt regelgemäss erst am 17. November. Es werden für sie zwei lange, und bange Monate werden.