Wie erwartet: Das rechtspopulistische, teils rechtsextreme «Rassemblement national» (RN) wird stärkste Partei in Frankreich. Laut Hochrechnungen kommt die Le Pen-Partei auf 33,5 Prozent der Stimmen. Für das Linksbündnis «Le Nouveau Front populaire» werden 28,1 Prozent errechnet. Macrons Bündnis «Ensemble», das bisher im Parlament eine relative Mehrheit hatte, folgt abgeschlagen mit 20.7 Prozent.
Wird das «Rassemblement», das vom 28-jährigen Jordan Bardella angeführt und von Marine Le Pen dominiert wird, die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung erreichen?
Das wurde nicht im heutigen ersten Wahlgang der französischen Parlamentswahlen entschieden. Die Würfel fallen erst in einer Woche, am 7. Juli in der Stichwahl.
Wie sich das alles im zweiten Wahlgang in Sitzen ausdrückt, ist noch unklar. Die Wahlbeteiligung beim heutigen ersten Wahlgang war extrem hoch – so hoch wie seit 1976 nicht mehr. Laut Analysten gibt es zwei Gründe dafür: Ein Teil der Bevölkerung will wirklich einen Wechsel hin zu den Rechtspopulisten. Auf der anderen Seite wollen gerade so viele eine extremistische Regierung verhindern.
Da die Möglichkeit besteht, dass das «Rassemblement National» die nächste Regierung stellt, haben sich im Eiltempo die Linken zusammengerauft. Ihrem Bündnis «Le Nouveau Front populaire» gehören die sozialdemokratischen «Sozialisten», die Linksaussen-Partei «La France Insoumise» (LFI), die Grünen und die Kommunistische Partei an. Umstritten ist Jean-Luc Mélenchon, der ehemalige Chef und die heutige Galionsfigur von «La France Insoumise». Er steht mit allen anderen Linksparteien im Konflikt. Seine pro-palästinensischen Äusserungen bewegen sich am Rande des Antisemitismus.
Harakiri
Die jetzigen Wahlen hatte Staatspräsident Emmanuel Macron zur grossen Überraschung fast aller nach dem schlechten Abschneiden seiner Partei angesetzt. Den Parteien blieben nur zwanzig Tage für ihren Wahlkampf.
Die meisten Beobachter schüttelten den Kopf. Unser Frankreich-Korrespondent Hans Woller sprach von «Harakiri». Macron wurde vorgeworfen, er öffne mit diesen «unnötigen vorzeitigen Wahlen den Rechtsextremisten Tür und Tor». Doch Macron hatte gehofft, innerhalb von fast drei Wochen das Steuer noch herumreissen zu können. Das ist ihm nicht gelungen.
Bei den jetzigen Wahlen geht es einzig um die Besetzung der Nationalversammlung. Wie das Ergebnis auch herauskommt: Macron bleibt bis 2027 Staatspräsident.
Sollte das Rassemblement national an die Macht kommen und sollte der junge Jordan Bardella Ministerpräsident werden, müsste Macron mit einer «Cohabitation» zurechtkommen.
Die Le Penisten möchten jetzt die Regierung übernehmen, um dann den Weg zu ebnen, dass Marine Le Pen im dritten Anlauf 2027 Staatspräsidentin wird.
Laut einem Urteil eines französischen Gerichts darf das Rassemblement national als «rechtsextrem» bezeichnet werden.