Die Erwartungen vor dem ersten Showdown zwischen der früheren First Lady und dem Immobilienmagnaten waren riesig gewesen. Prognosen und Szenarien füllten ganze Zeitungsseiten, frassen lange Sendestunden, bewegten aufgeregte User auf Facebook und Twitter.
„Godzilla vs. King Kong“
Experten sagten voraus, es werde entscheidend sein zu beobachten, wer auf der Bühne der Hofstra University (New York) am Ende welche Erwartungen enttäusche oder übertreffe. Das Podium war im Gegensatz zu den Bühnen der Parteitage der Republikaner und der Demokraten spartanisch-nüchtern: ohne Farben, Flaggen und Glitzerdekors. Eingeblendet, weiss auf blau, war lediglich eine Textpassage der amerikanischen Verfassung, was von den Ausführungen der Debattierenden eher ablenkte.
„The Huffington Post“ schrieb vom Duell „Godzilla vs. King Kong“ – in Anlehnung an eine Definition der „New York Times“-Kolumnistin Maureen Dowd, die den Zweikampf um die demokratische Präsidentschaftskandidatur zwischen Hillary Clinton und Barack Obama 2008 als „Hillzillah vs. Obambi“ charakterisiert hatte. Über 100 Millionen Fernsehzuschauer wurden erwartet, so viele, wie sonst lediglich bei der Übertragung des jährlichen „Super Bowl“, dem Final der Football-Meisterschaft – Bier, Chips und Beef Jerky zur Seite.
Dünnhäutiger Trump
Den hochgeschraubten Erwartungen zum Trotz ging die 90-minütige Debatte in Hempstead dann weitgehend gesittet und reibungslos über die Bühne, ohne spektakuläre Aus- oder Zusammenbrüche, ohne allzu grobe Anwürfe oder Gehässigkeiten. Obwohl Hillary Clinton wie Donald Trump wiederholt versuchten, den Gegner oder die Gegnerin aus der Fassung zu bringen.
Wobei sich Trump aber dünnhäutiger erwies als Clinton, wie sein Minenspiel und seine Gestik zeigten, wenn er nicht sprach und zuhören musste. Und gleich zu Beginn der Debatte, beim traditionellen Händedruck, dürfte die Demokratin den Republikaner genervt haben, als sie ihn kollegial mit „How are you, Donald?“ ansprach, was in seinem Umfeld nur wenige wagen. Üblich ist es, den New Yorker Milliardär unterwürfig „Mr. Trump“ zu nennen. Trump redete seine Gegnerin mit „Secretary Clinton“ an.
Die bekannten Themen
Neues war von der Kandidatin und vom Kandidaten während der Debatte an der Hofstra University kaum zu erfahren. Beide wiederholten sie Standpunkte, die sie bereits im Vorwahlkampf vertreten hatten – Trump aggressiv, plakativ und nicht immer wahrheitsgetreu, Clinton nüchtern, detailliert und auch gelegentlich die Fakten strapazierend.
Zur Sprache kamen Amerikas Handelsbeziehungen, die Wirtschaftslage des Landes, Trumps nicht veröffentlichte Steuererklärung, das Verhältnis der Rassen, die Kriminalitätsrate, Barack Obamas Herkunft, Fragen der Sicherheit, Cyberattacken, IS, der Einsatz von Atomwaffen, das Verhältnis zu Iran. Wenig zu hören gab es dagegen zu Themen wie Abtreibung, Altersvorsorge, Bildung, Einwanderung, Klimawandel, Militär, Reform des Gesundheitswesens, Waffengesetzgebung.
Gewinnendes Temperament?
Noch wird in den USA die Zahl unentschiedener Wählerinnen und Wähler auf zehn bis zwanzig Prozent geschätzt. Zumindest nicht viele Frauen dürfte Donald Trump auf seine Seite gezogen haben, als er Hillary Clinton vorwarf, nicht über genügend Geschäftssinn oder Stehvermögen, „stamina“, zu verfügen.
Sich selbst hatte der Republikaner zuvor „ein gewinnendes Temperament“ bescheinigt. Die Demokratin konterte mit dem Verweis auf ihre langjährige politische Erfahrung, die ihr Gegner jedoch wiederholt in Zweifel zog: „Secretary Clinton hat Erfahrung, aber sie hat schlechte Erfahrung.“ Dagegen reagierte die Kandidatin auf eines der wirren, ausufernden Argumente ihres Gegenspielers in einem Fall wie folgt: „Donald, Sie schaffen sich Ihre eigene Realität.“
„Tragische Dimension“ der Debatte
Die Leitartikler der „New York Times“, die am Tag zuvor ihre Unterstützung für Hillary Clinton bekannt gegeben hatten, kamen am Morgen danach zum Schluss, von einer „Debatte“ könne im Grunde keine Rede sein: „Wenn nur die eine Kandidatin ernsthaft ist und der andere Kandidat ein geistloser Grobian, verliert der Begriff jegliche Bedeutung.“
Die politischen Umstände, so das liberale Weltblatt, hätten dem Zusammentreffen von Clinton und Trump „eine seltsame, möglicherweise tragische Dimension“ verliehen: „Es ist absurd, dass der Ausgang des Wahlkampfes und die Zukunft der Nation unter Umständen von einem 90-minütigen Fernsehritual abhängen, das derart von Unwahrheiten beeinträchtigt ist.“