Dieses Lager liegt inmitten der Wüste nahe der jordanischen Grenze. Dieser Konvoi war der erste seit dem vergangenen Januar, der die notwendigen „Sicherheitszusagen“ von Damaskus erhielt. Er bestand aus 78 Lastwagen, die Lebensmittel, Kinderkleidung, Medikamente, Hygieneartikel für die rund 45’000 Personen ins Lager brachten. Diese Vorräte werden für einen Monat ausreichen.
Zurückgehalten an der jordanischen Grenze
Die meisten der Lagerbewohner waren zwischen 2014 und 2016 vor Kräften des IS in Syrien geflohen und hofften, in Jordanien Schutz zu finden. Doch die Jordanier, die schon weit über eine halbe Million syrische Flüchtlinge in ihr Land aufgenommen hatten, schlossen ihre Grenzen vor der neuen Flüchtlingswelle. Sie liessen es zu, dass die Flüchtlinge sich in der Wüste direkt an der jordanischen Grenze niederliessen, und die internationalen Hilfswerke gewährten ihnen anfänglich Hilfe aus Jordanien über die Grenze hinweg. Doch im Juni 2016 kam es zu einem Anschlag gegen jordanische Truppen, in dem sieben jordanische Soldaten ihr Leben verloren. Der Täter, ein Selbstmordattentäter des IS, war unbemerkt in das Flüchtlingslager gelangt.
Militärisches Sperrgebiet
Jordanien erklärte daraufhin die Grenzzone zum militärischen Sperrgebiet und schloss sie hermetisch ab. So konnten nur noch wenige Hilfslieferungen mit jordanischer Genehmigung das Lager erreichen. Viele der Flüchtlingsfamilien kamen nur noch auf eine Mahlzeit pro Tag. Mehrere Kleinkinder starben.
Jordanien erhöhte den Druck auf das Lager, um die syrischen Behörden zu zwingen, sich ihrer Landsleute anzunehmen und diese ins Innere Syriens zurückzuführen. Doch die militärische Lage an der Grenze bewirkt, dass syrische Rebelleneinheiten, verbündet mit den Amerikanern, die ihnen von Jordanien aus helfen, das Grenzterritorium von at-Tanf beherrschen, innerhalb dessen Rukban liegt. Im vergangenen Jahr versuchten diese Rebellengruppen von dort aus in Richtung Nordosten durch die Wüste hindurch ins Euphrat-Tal vorzustossen. Doch die syrischen Regierungstruppen kamen ihnen zuvor. Seither sind die syrischen Rebellen und ihre amerikanischen Verbündeten, die sie begleiten und notfalls aus der Luft unterstützen, von syrischen Truppen eingeschlossen. Sie befinden sich innerhalb eines Halbkreises mit einem Radius von 50 Kilometern. Das Flüchtlingslager befindet sich innerhalb dieses Gebietes.
Der Faktor Iran
Die Amerikaner hatten bislang vor, at-Tanf mit Hilfe der mit ihnen verbündeten syrischen Rebellen zu halten, weil die internationale Wüstenstrasse, die Damaskus mit Bagdad verbindet, durch at-Tanf führt und die Amerikaner im Verbund mit den Israeli vermeiden möchten, dass die iranischen Verbündeten der Syrier sich der Verbindungsstrasse zwischen Bagdad und Damaskus bemächtigen. Das Flüchtlingslager ist daher zum Gegenstand eines militärisch-politischen Ringens geworden, und seine Bewohner zählen zu dessen Opfern.
Eingeschlossen von mehreren Seiten
Jordanien übt Druck aus, um die Masse der syrischen Flüchtlinge – im Uno-Sprachgebrauch die „displaced persons“ – von seiner Grenze wegzuweisen. Doch Damaskus fordert eine Übergabe des Lagers, das sich auf syrischem Boden befindet, in syrische Hände und eine Unterstellung seiner Bewohnerinnen und Bewohner unter die syrischen Behörden. Solange dies nicht geschieht, werden sie mit dem Gebiet von at-Tanf auch das Lager grossräumig umstellt halten und bestenfalls, wie es zur Zeit geschah, im äussersten Notfall und unter Mitwirkung des syrischen Roten Halbmonds absolut notwendig gewordene Hilfe zulassen.
Um den Druck auf die Lagerbewohner zu erhöhen, verbieten die syrischen Truppen auch alle inoffiziellen Warenlieferungen an die Lagerbewohner aus Syrien, selbst wenn dafür viel gezahlt wird.
Was geschieht nach der „Heimkehr“?
Trotz ihrer prekären Situation wollen die im Lager Ausharrenden nicht zurück in ihre Heimat. Denn sie wissen, dass viele ihrer einstigen Wohnungen und Häuser zerstört sind. Andere argwöhnen nicht ohne Grund, dass die gefürchteten syrischen Geheimdienste früher oder später von ihnen den Nachweis fordern werden, dass sie nicht zu den Rebellen gehörten und nicht mit ihnen sympathisierten. Allen ist bekannt, dass die syrischen Behörden ihre männlichen Familienangehörigen zwischen 18 und 40 sofort zum Militärdienst einziehen werden, falls sie, wie die meisten der Jüngeren, diesen noch nicht absolviert haben.
Die russische Propaganda spricht auch von Rukban. Sie verbreitet die Meinung, es sei die Schuld der Amerikaner, dass die dortigen Flüchtlinge so schwer leiden müssten.