Der Jahreswechsel ist in privaten wie politischen Belangen eher Fortsetzung als Neuanfang, auch wenn seine ausschweifende Feier und die «Gute-Vorsätze-Orgie» eigentlich das Gegenteil vermuten lassen. Auf Fortsetzung stehen die Zeichen ganz bestimmt bei der fortlaufenden Zerstörung des gutes Rufes der Schweiz durch die kriminellen Machenschaften von Schweizer Banken.
Einen neuen Tiefpunkt erreichten wir gleich zum Jahresanfang, als der Vergleich der Bank Wegelin mit den Strafverfolgungsbehörden der USA bekanntgegeben wurde. Die St. Galler Bankbesitzer legten ein umfassendes Geständnis ab und übernahmen gezwungenermassen die Verantwortung für die systematisch betriebene Anstiftung und Beihilfe zu Steuerbetrug und Steuerhinterziehung, begangen durch reiche amerikanische Steuerflüchtlinge. Der Satz aus dem Geständnis, der uns die Fortsetzung der unrühmlichen Geschichte das ganze Jahr hindurch garantieren wird, heisst: «Das Verhalten von Wegelin war in der Schweizer Bankenindustrie üblich.»
Das haben viele Sachkundige zwar seit längerem vermutet. Von den Bankmanagements wurde es aber immer bestritten oder, wenn bestreiten angesichts der übermächtigen Indizien nicht mehr möglich war, als Fehlverhalten einzelner Bankangestellter dargestellt. Genau das war es nicht. Es waren nicht individuelle Fehlleistungen, es waren systematische, vorsätzliche, von den Bankmanagern angeordnete kriminelle Machenschaften. Die Mitschuld des Staates Schweiz besteht darin, dass er ein Bankgeheimnis als Vorhang konstruiert hat, hinter dem solche kriminellen Machenschaften versteckt werden konnten.
Die Bank Wegelin hatte ein Gesicht: Konrad Hummler. Als ihr Mitbesitzer wurde er in den letzten zehn Jahren zu einem eigentlichen Star des Bankenplatzes Schweiz. Den Ritterschlag des Bürgertums bekam er durch seine Wahl zum Präsidenten des Verwaltungsrates der «Neuen Zürcher Zeitung». Das zeigt, welch hohes Ansehen er in diesen Kreisen genoss, obwohl er nie einen Hehl machte aus seiner Sympathie für Steuerbetrüger und Steuerhinterzieher.
Als Präsident wurde er zwar abgesetzt, Mitglied aber soll er bleiben dürfen. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Im NZZ-Verwaltungsrat sitzt ein Mann, der Mitglied einer wirtschaftskriminellen Vereinigung war. Er darf in der NZZ auch Kolumnen schreiben, kürzlich zum Thema «schlaflos». Es ist nicht anzunehmen, dass ihn seine Betrügereien schlaflos machten, ganz sicher machten sie ihn nicht mittellos, denn aus dem Verkaufserlös des Wegelin-Teils «Notenstein» an die Raiffeisen-Bank dürften ihm ein paar Dutzend Millionen Franken bleiben.