Nicht unerwartet bei einem, der die Welt von oben sieht, drängten vor allem auch Dachlandschaften ins Bild. Oft übernimmt das Dach Aufgaben der Fassade; Architekten sprechen daher vom Dach gern als fünfter Fassade eines Gebäudes.
200’000 Biberschwanzziegel auf einer Fläche von 5’000 Quadratmeter über der Klosterkirche der Benediktinerabtei Maria-Einsiedeln bilden eine wundervolle, extravagante barocke Dachlandschaft. Fast alle Ziegel sind alt, aussortiert bei Umdeckungen im 18. Jahrhundert und aus alten Beständen des Klosters; sie wurden samt und sonders in der klostereigenen Ziegelei gebrannt.
Ende des 19. Jahrhunderts war das Dach einsturzgefährdet, erst nach dem Einbau eines Eisenfachwerks à la Eiffelturm 1888 überlebte es ein weiteres Jahrhundert. Bei der 1993 anstehenden (und bis 2003 dauernden) Renovation wurde wiederum ein Eisenfachwerk diskutiert. Aber Fritz Näf, Dach-Ingenieur mehr als nur Dachdecker, plädierte für (und setzte durch) die Rückkehr zur ursprünglichen Holzkonstruktion, einschliesslich herkömmlicher Verbindungstechniken. Mit Befriedigung stellt er heute fest: keine Verwendung von Leimholz, keine Verwendung von Epoxiharz – nur Bolzen und Hartholzdübel.
Ein besonderes Kapitel stellte die Hebung der Holzkonstruktion über dem mächtigen Oktogongewölbe über der Gnadenkapelle mit der Schwarzen Madonna dar. 150 Stockwinden stemmten Dachstock und Bedachung, immerhin 1’750 Quadratmeter Dachfläche, ein 400 Tonnen schweres Paket, Millimeter um Millimeter 33 cm in die Höhe. Fritz Näf betreut jetzt „sein“ Dach wie ein Mündel. Im Vordergrund steht die jährliche Dachkontrolle und die Überwachung der Bemessungspunkte.
Das Landesmuseum Zürich würdigt das Kloster Einsiedeln in einer Austellung (16.09.2017–21.01.2018) als Wallfahrtsort von europäischer Strahlkraft.
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