Der Papst in Kuba, der Papst in den USA: Jubel und Trubel. Schaulustige strömen auf die Plätze als würde Madonna oder Mick Jagger auftreten. Die Herzen fliegen ihm zu. Man muss ihn einfach mögen, diesen Franziskus.
Er, der heilige Pop-Star, liebt das Bad in der Menge. Kaum einer vermarktet sich so gut wie er. Er geht selbst zum Optiker, fährt in einem Ford Focus, besucht Suppenküchen und speist in der Kantine. Er hat eine offene, freundliche Art und geht auf die Leute zu.
Ein bisschen Rebell ist er auch, eher ein Linker als ein Rechter, unberechenbar. Er kann auch anecken. Er kritisiert die Türken und nennt Palästinenser-Präsident Abbas einen Friedensengel. Er vermittelte zwischen Kuba und den USA. Er redet den Leuten ins Gewissen. Er spricht von einer „Globalisierung der Gleichgültigkeit“. Den Kardinälen wirft er „spirituellen Alzheimer“ vor.
Jorge Mario Bergoglio ist angetreten, um die kranke katholische Kirche zu reformieren, zu erneuern. Er hat ihr eine neue Aura verpasst. Geht man über den Petersplatz in Rom, sieht man nur fröhliche Gesichter. Er ist der Chouchou der Medien. Die Erwartungen sind gross. Im Vatikan herrscht Aufbruchstimmung, ein neuer Geist – auch wenn das längst nicht allen passt.
Jetzt ist er 30 Monate im Amt, und da und dort macht sich Ernüchterung breit.
Er redet viel, mal so, mal so. Hat er eigentlich einen Plan, eine Strategie? Oder freut er sich nur zu provozieren und der Hahn im katholischen Korb zu sein? Gefällt er sich in der Rolle des Unbequemen? Bis jetzt ist er die dringend notwendigen grundsätzlichen Reformen nicht angegangen.
In wenigen Tagen wird in Rom die Bischofkonferenz zusammentreten. Themen sind schon wieder die Ehe und die Familie. Wieder geht es um Homosexualität und um Fragen, ob Wiederverheiratete die Kommunion erhalten oder ob zweite Ehen gesegnet werden dürfen. Aufgeklärte Menschen könnten eigentlich nur lachen, dass die Kirche die Zeit mit solch lächerlichen Nebenthemen vertrödelt. Sind die Bischöfe eigentlich so Sex-besessen, dass sie Menschen vorschreiben, wie sie sich im Bett zu verhalten haben?
Wieso macht sich der Papst nicht endlich an die heissen Eisen: an eine tiefgreifende Reform der verkrusteten Kurie? Was geht es eigentlich die Kirche an, wie zwei Menschen zusammenleben? Und wieso, zum Beispiel, werden Frauen in der kirchlichen Hierarchie noch immer stigmatisiert? Weshalb dürfen Priester nicht heiraten? Wieso spricht der Aufbruch-Papst nicht endlich ein Machtwort? Es bräuchte jetzt nicht kleine Schrittchen, sondern einen weiten Sprung. Nur so kann vermieden werden, dass die Leute der Kirche weiterhin davonlaufen. Das tun sie auch unter Bergoglio in Massen.
Aber kann Franziskus überhaupt etwas Grundsätzliches verändern? Wie weit will er gehen? Hat er überhaupt die Macht, ein Machtwort zu sprechen? In der Kurie wächst der Widerstand gegen ihn. Huonders gibt es nicht nur in Chur. Und selbst ein Papst ist nicht allmächtig.
Bergoglio wird im nächsten Jahr 80. Viele warten nur darauf, dass er stirbt oder zurücktritt. Dann könnten die Kardinäle wieder einen der Ewig-Gestrigen wählen.
Viel Zeit bleibt Franziskus nicht. Wenn er jetzt nicht die Weichen stellt, wird seine Amtszeit wohl verpuffen.