Unser aller Besessenheit von der Erwartung eines irgendwann einsetzenden Endes wird in einem performancehaften Stück der chilenischen Autorin und Regisseurin Manuela Infante geistvoll und mit Witz relativiert. Eine Uraufführung im Theater Basel.
«Die Apokalypse wird nicht kommen. Sie ist bereits hier!» Manuela Infante kommt aus Santiago de Chile zum ersten Mal nach Basel, um hier auch gleich die heute so leichtfertig ausgesprochenen Schlagworte vom Ende der Menschheit, Ende der Zeit oder Apokalypse zu hinterfragen. Denn: «Die Vorstellung vom Ende verlegt das Ende in die Zukunft. Doch das Ende ist hier.» Und dies vor allem: «Die Idee vom Ende als etwas Zukünftigem verschleiert die Probleme der Gegenwart.»
So logisch und richtig solche Sätze erscheinen mögen, so stellt sich doch die Frage: Wie setzt man solche Ausrufezeichen sinnlich in Theater um? Rein besetzungstechnisch gesehen natürlich im Kollektiv. In einem kleinen, hochkarätigen Kollektiv, zusammen mit der Bühnenbildnerin Rocio Hernandez und dem Komponisten und Sounddesigner Diego Noguera; aber vor allem mit den drei hinreissenden Schauspielerinnen Elmira Bahrami, Marie Löcker und Gala Othero Winter, die man teilweise bereits aus früheren Basler Inszenierungen kennt. Zusammen mit den drei Frauen und ihren experimentierfreudigen Vorstellungen wurde das Stück erarbeitet und das Textmaterial von Manuela Infante zu einem Theaterstück «verwoben», wie sie selbst die Vorgehensweise definiert.
Farce in Untergangsstimmung
Und, so fragt man sich, hält die Bindung, hält das Gewebe für die rund eineinhalb Stunden auf der Kleinen Bühne des Basler Theaters? Ja, es hält, und zwar mit dem ältesten Theatertrick der Welt: Man baut das Lachen ein. Die Farce über unsere Befindlichkeiten in einer Welt der Untergangsstimmung versetzt in Commedia dell’arte-Stimmung.
Als beim Sinnieren über das Weltenende der Satz fällt: «... auf dass dieser einzigartige Moment (das Ende) auf immer anhält!» kamen die ersten unterdrückten Lacher aus dem Publikum. Das Groteske der Situation («Warten auf Godot» erscheint dagegen geradezu harmlos) forderte zu immer offenerem Lachen heraus, welches aber durch atemlose, betroffene Stille und gespannte Aufmerksamkeit für die auf der Bühne zelebrierte messerscharfe Logik immer wieder erstickt wurde.
Ende mit Hoffnungsschimmer
«Wir sind besessen vom ‘Ende der Zeit’. Aber im ohnmächtigen Warten auf die Apokalypse blitzt manchmal auch Hoffnung auf (…) die Welt verändert sich vielleicht», sagt Manuela Infante und setzt dies auch gleich mittels einfachster, aber wirkungsvoller Bühnentechnik um. Bei alledem vom Sound Nogueras unterstützt, welcher manchmal Anklänge an die Performerin Laurie Anderson aufblitzen lässt.
Das Ensemble imaginiert zum Schluss doch noch ein Ende: nach der grossen Katastrophe ein Eingehen in ein Nichts, welches aber trotzdem etwas Neues, Unbekanntes ist. Und so endet dieses Stück mit einem klitzekleinen Hoffnungsschimmer, verlegt in eine unvorstellbare Zeit, welche – Zukunft heisst.
«Wie alles endet», Schauspiel, Theater Basel, Kleine Bühne; im Rahmen des Basler Theater-Festivals
Nächste Vorstellungen: 8. und 9. September 2022