„China Inc.“ existiert. Es ist das weltgrösste Unternehmen, das sich staatlich, parastaatlich und vermeintlich privatwirtschaftlich internationalen Zugang und Einfluss kauft. Dank den ungeheuren Finanzreserven, welche China als Industrieplatz der Welt aufgehäuft hat und die (noch) nicht von internem Konsum abgeschöpft werden.
HNA, Anbag und ZTE
Der Gemischtwarenladen HNA, ursprünglich eine südchinesische Regionalfluggesellschaft, machte in der Schweiz den Anfang. Angetrieben von chinesischen Bankenkrediten erwarb HNA zwischen 2015 und 2017 Swissport, Gategroup und SR Technics, ehemalige Blüten im Blumenstrauss der alten Swissair. Ebenso gut 20 Prozent von Dufry, der ehemaligen Weitnauer AG, einem in Basel ansässigen Betreiber von über 2000 Duty-Free-Geschäften weltweit.
Seit einiger Zeit scheinen aber HNAs Geldquellen in China zu versiegen. Nach erfolglosen Versuchen, seine schweizerischen Edelsteine am internationalen Geldmarkt mit dem Gang an die Börse zu vergolden, befindet sich die Holding in grossen Finanznöten, steht doch international aufgenommenes Geld, darunter auch Kredite bei der UBS, zur Rückzahlung an. Anfang Juli ist HNAs Präsident Wang Jian beim Photographieren in Frankreich zu Tode gestürzt.
Chinas Lesart
Ein tragisches und spezielles Schicksal, das er mit dem kürzlich verstorbenen Chen Xiaolu teilt, einem politisch vernetzten Ankerinvestor des ins finanzielle Schlingern geratenen chinesischen Grosskonzerns Anbang. Ein weiterer chinesischer Gemischtwarenladen, der ebenfalls in den 2010er Jahren und mit ursprünglich rein chinesischen Bankkrediten auf internationalen Grosseinkauf ging, seither aber beim Regime in Ungnade gefallen ist.
Offizielle chinesische Lesart will, dass die Regierung darauf abzielt, überbordende Kreditnahme solcher Grosskonzerne einzudämmen. Dies lässt aber die Frage offen, warum davon einige betroffen sind, andere aber nicht, wie beispielsweise der chinesische Elektronikkonzern ZTE. Dieser hat unter dem politischen Schirm eines „Deals“ zwischen Trump und Präsident Xi Jingpin in den USA wegen Embargoverletzungen zwar eine hohe Busse erhalten, soll, und kann aber im Ausland offensichtlich weiterwachsen. Parallelen zu der ebenso diskriminatorisch angewandten Korruptionsbekämpfung durch das chinesische Regime sind offensichtlich.
Der Fall Syngenta
Zurecht hohe Wellen geworfen hat in der Schweiz die Übernahme von Syngenta durch ChemChina, nachdem die stolze Saatgutnachfolgerin von Ciba-Geigy und Sandoz kurz zuvor eine Übernahme durch die amerikanische Montsanto noch abgewehrt hatte. Ende Juni wird nun bekannt, dass ChemChina mit ihrem grösseren chinesischen „Rivalen“ Sinochem fusioniert werden soll, auf politischen Wunsch von oben. Damit wird der Name Syngenta wohl in absehbarer Zeit verschwinden, wie auch der Standort Schweiz abbröckeln dürfte.
„China Inc.“ – im Dienst des politischen Imperativs
Das ist „China Inc.“ am Werk. Sei es auf staatlicher Ebene, wie beispielsweise im Rahmen des gigantischen Infrastrukturvorhabens „BRI “ (Belt and Road Initiative, früher auch OBOR, One Belt, One Road Initiative), mit dem Eurasien als Ganzes erschlossen und mit Afrika verbunden werden soll. Sei es via parastaatliche Unternehmen, allen voran die chinesischen Entwicklungsbanken und -fonds wie beispielsweise dem China Merchants Fund. Dritte Säule sind vermeintlich private Unternehmen wie HNA. Allen drei ist gemeinsam, dass sie letztlich nicht kommerziellen, und auch nicht im weiteren Sinn wirtschaftlichen Kriterien gehorchen, sondern dem politischen Imperativ chinesischer Expansion untergeordnet sind.
Geopolitische Konkurrenz zur EU
Unter demselben Nenner ist die gegenwärtig überbordende chinesische Kreditvergabe im Balkan zu sehen, wo insbesondere die noch nicht der EU angehörenden Staaten Ex-Jugoslawiens (Serbien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Montenegro) sowie Albanien mit Geld überschüttet werden, um Beijing auch nach deren EU-Eintritt direkte Einflussnahme zu garantieren.
Alle fünf gehören zudem der sog. „Gruppe der 16 plus 1“ an (die drei baltischen Staaten, die fünf Visegradstaaten sowie alle heutigen Staaten des alten Balkans, einschliesslich Rumänien und Bulgarien plus China). Dies ist eine Art geopolitisches Konkurrenzunternehmen zur EU, mit dem Osteuropa via wirtschaftliches Zuckerbrot für chinesische Einflussnahme wie beispielsweise die erwähnte BRI-Initiative empfänglicher gemacht werden soll. In anderen Teilen der Welt, so etwa in Sri Lanka und Mauritius, hat sich solcher Zucker aber als vergiftet herausgestellt, indem überbordende Schulden zu Souveränitätsverlusten gegenüber China geführt haben.
Kapitalkontrollen?
Zurück zu chinesischem Einkauf und Investitionen in der Schweiz. Statistisch fallen diese noch nicht schwergewichtig aus. Zudem begreift sich die Schweiz traditionell beim Kapitalfluss über Grenzen als ein von Kontrollen möglichst freies Land. In Zukunft wird aber zu beachten sein, dass solches Geld im Zeitalter des „asiatischen Jahrhunderts“ vermehrt auch strategische und politische Aspekte beinhaltet. Chinesische Investitionen in der Schweiz sind nicht dasselbe wie die Übernahme der „Winterthur“ durch die französische AXA oder der SWISS durch die deutsche Lufthansa.