Haben Sie irgendeine, wenn auch nur die geringste positive Auswirkung des Minarettverbots festgestellt? Es ist die Folge einer islamophoben Initiative einer kleinen Männergruppe ganz rechtsaussen, deren politische Aussagen niemand ernst nehmen kann.
Unsinniges Verbot
Wieviel hat uns dieser absurde Verfassungsartikel gekostet? Viel wurde bezahlt für einen Schildbürgerstreich, mit dem sich die Schweiz nur lächerlich macht. Nun scheinen wir drauf und dran, das Verbot einer bestimmten Frauenbekleidung in die Verfassung zu schreiben. Diese Bekleidung betrifft bekanntlich in der Schweiz nur wenige Personen, in einigen andern Ländern oder Kulturen ist sie jedoch Vorschrift. Das unsinnige Verbot zwingt uns, sämtliche Arten von Verhüllung aufzulisten – in der Verfassung! – welche man explizit ausnehmen muss, die Hygienemaske, die Fasnachtsbräuche – und alles, was noch dazukommen könnte. Die Absicht ist ganz klar nur gegen Frauen gerichtet, die sichtbar nicht schweizerisch gekleidet sind.
Mitglieder des Egerkinger Männerkomitees haben schon oft durch Frauenverachtung und Ausländerfeindlichkeit Staub aufgewirbelt. Sie haben sich gegen die EU, gegen internationale Zusammenarbeit, internationales Recht und vieles andere ausgesprochen. Es ist ganz klar, dass sie darauf abzielen, in der Schweiz nur deshalb Regeln aufzustellen, um zu zeigen, dass sie Herr im Haus sind.
Weisse Bräute
Nun haben es diese Initianten geschafft, die Frauen in der Schweiz darauf aufmerksam zu machen, dass die Verschleierung etwas mit Unterdrückung zu tun hat. Natürlich bedeuten Kopftücher, Gesichtsschleier und überhaupt alle religiösen und staatlichen Kleidervorschriften für Frauen deren Unterdrückung. Nur: Die Kleidung, als Zeichen verstanden, ist für sich genommen keine zusätzliche Einschränkung für die Trägerin. Denn eine Burka ist ihr nicht nur vorgeschrieben, sondern auch unentbehrlicher Schutz für die Trägerin in ihrer Gesellschaft. Das erklärt auch, warum wir überhaupt nicht zu beurteilen haben, ob die Verhüllung nun freiwillig oder gezwungen sei. Wenn eine Frau genügend Schutz ohne Überwurf hat und – ob in ihrem Land oder in der Schweiz – sich in ihrer Familie und Umgebung sicher fühlt, wird sie ihn bestimmt von selbst ablegen.
Schliesslich ist das – abgeschwächte – Zeichen auch Teil vieler Kulturen. Es gibt auch in vornehmen katholischen Kreisen Südamerikas die Sitte, dass Frauen das Gesicht zart durchsichtig verschleiern; trauernde Witwen verhüllen das Gesicht, Bräute sind in mehreren Ländern von Kopf bis Fuss bedeckt.
Auch unsere weissen Bräute, die als Geschenk für den Gatten verpackt über die Schwelle getragen werden, tragen Schleier. Das sind liebgewordene Relikte der Vorstellung, dass sie in das Haus des Mannes als Bestandteil eingesetzt werden. Während die Frauenforschung das längst weiss, erwachen nun plötzlich die Spätzünderinnen aufgrund der Debatte um ein Verhüllungsverbot und möchten mit einem JA die Ungerechtigkeit aus der Welt schaffen, obwohl das JA nur die vorgeschriebene Kleidung von ein paar Frauen, mit denen sie nie gesprochen haben, verbietet. Damit kommen wir ihrer Befreiung aber keinen Schritt näher. Denn jedem denkenden Menschen muss klar sein, dass man durch das Verbot eines Zeichens nicht dessen Bedeutung abschafft.
Unanständige Tanzbewegungen
Abgesehen davon, dass es fast keine Burkaträgerinnen in der Schweiz gibt und noch nie von einer Bedrohung durch sie die Rede war, also keinerlei Interesse des Staates an einer Regelung besteht, kann man auch davon ausgehen, dass bis zur Realisierung des entsprechenden Gesetzes die Zeiten sich wieder geändert haben. Wie sich Kleidermoden verändern – das ist das Wesen der Mode – können auch andere Religionen als bedrohlich betrachtet werden. Vor allem aber lösen sich Kleidervorschriften von innen. Nonnentrachten waren einst auch hier äusserst bewegungseinschränkend, früher trugen Frauen auch hier Kopftücher. In vielen muslimischen Ländern war die Verhüllung für Frauen eine Zeitlang verboten, wurden dann wieder erkämpft (Türkei) oder von oben wieder befohlen (Iran).
Übrigens beobachtet man in verschiedenen Religionen, auch christlichen, eine steigende Orthodoxisierung, so dass sich vielleicht irgendwann auch Angehörige anderer Religionen verhüllen – zwangsläufig wären dann die Ausnahmen entsprechend zu ergänzen, wenn es zum Beispiel Evangelikale beträfe. Oder wollen freie Schweizerinnen sich einen allfälligen Modetrend verbieten lassen? Mit den vorgesehenen und zukünftigen Ausnahmen wird unsere Verfassung schliesslich aussehen wie eine spätmittelalterliche Stadtverordnung, die nicht nur die Länge und Farbe der Gugel und Ärmel vorschreibt, sondern auch zwischen Ledigen und Verheirateten unterscheidet, Schnabelschuhe sowie die Halskrausen für Nichtadelige verbietet. Auch dort wurde den einen verboten, was den andern als Privileg erlaubt war. Übrigens sahen sich die Stadtherren auch veranlasst, alle unanständigen Tanzbewegungen einzeln aufzulisten, um sie zu verbieten, weil ja das Tanzen nicht unterbunden werden konnte.
Scheingefechte
Damit bin ich bei der Ausgangsfrage: Was ist los in einem Land, in dem man solche ausgesuchten Details – Gebäude einer bestimmten Religion und jetzt noch ein bestimmtes Kleidungsstück derselben Kultur – in millionenteuren Abstimmungskämpfen monatelang abhandelt und deren Verbot schliesslich zum Gesetz erhebt? Wie von Anfang an klar war, ist der Nutzen für unser Land gleich Null. Es ist ein Zeichen. Gegen ein Zeichen gerichtet.
Der Grund für diese Scheingefechte ist, dass die Tatsachen dahinter nicht verändert werden dürfen und können. Diese betreffen die Wirtschaft. Alles, was wirtschaftliche Bedeutung hat und unseren Wohlstand betrifft, ist im Kern unantastbar. An dem darf nicht gerüttelt werden. Da spricht man lieber über Burka-Verbote. Die Politik ist eine Bühne, Unterhaltung, im besten Fall Spektakel, aber die Geschicke der Länder und Bevölkerung werden ganz woanders bestimmt.