15 Tote und mindestens 40 Verletzte – unter den Opfern auch zahlreiche Frauen und Kinder - forderte am Mittwoch der Überfall von drei bewaffneten Männern auf Shah-e-Tscherach in Shiraz, einer historischen Stadt im Südwesten des Landes. Im Jahr 835 war an dieser Stelle der Bruder eines prominenten Imams ermordet worden und seitdem ist seine dortige Grabstätte ein wichtiger Anziehungspunkt.
Die Bluttat ereignete sich nur Minuten vor dem Abendgebet, zu dem sich wie jeden Tag eine grosse Anzahl von Gläubigen versammelt hatte. Und zumindest auf den ersten Blick schien die Tat zu bestätigen, was zunehmend in weiten Kreisen – nicht nur im Iran selbst – vermutet worden war: Dass die Unruhen der letzten Zeit weiter eskalieren und ernste Folgen für die Islamische Republik haben könnten. Spätestens am Tag nach dem Terroranschlag relativiert sich das Bild ein wenig, weil es Anzeichen dafür gibt, dass zwischen den grossen Demonstrationen der letzten Zeit und dieser Tat keine direkte Verbindung besteht.
40 Tage nach dem Tod von Mahsa Amini
Nicht nur der Iran hatte mit einiger Sorge dem 26. Oktober entgegengesehen, denn nicht zu Unrecht musste man an diesem Tag mit einem neuen Höhepunkt der seit Wochen andauernden Unruhen rechnen. Diese waren 40 Tage zuvor nach dem Tod einer 22-jährigen iranischen Kurdin ausgebrochen. Die Frau war von der so genannten «Sittenpolizei» festgenommen worden, weil sie sich nicht an die Vorschrift gehalten hatte, ihr Haar mit einem Kopftuch zu bedecken. Mahsa Amini – so der Name der Inhaftierten, sollte angeblich eine Unterweisung über die Bekleidungsregeln für Bürgerinnen der Islamischen Republik erhalten, aber sie überlebte die Haft nicht.
Die Behörden sprachen von den Folgen eines Schlaganfalls. Für die Demonstranten, die sofort überall im Iran auf die Strasse zogen und gegen System und Führung des Staates protestierten, steht hingegen fest, dass Amini an den Folgen polizeilicher Gewaltanwendung gestorben ist.
Weil es im Islam üblich ist, sich am 40. Tag nach dem Tod eines Verstorbenen in grossem Kreis zu versammeln – und damit die Trauerzeit mehr oder weniger zu beenden, waren die beunruhigten Ahnungen Grund genug für vorbeugende Vorsichtsmassnahmen in der Gegend von Saghes, des Heimatortes der Toten im kurdischen Nordwesten des Iran. Die Zufahrtstrassen waren weitläufig unter Kontrolle gestellt und das Personal von Polizei und anderen Sicherheitsgruppen in der Stadt verstärkt worden.
Angesichts der Tatsache, dass rund 10’000 Trauergäste anlässlich der 40-Tage-Versammlung nach Saghes kamen, verlief der Tag denn doch glimpflich: Ein Toter und einige Verletzte sollen allerdings die «Bilanz» einer Demonstration in einer anderen kurdischen Stadt, Mahabad, gewesen sein. Der bewaffnete Überfall in Shiraz am Abend überschattete dann aber die Ereignisse am Grab von Mahsa Amini und er löste zumindest vorübergehend ganz offenbar einige Unruhe an wichtigen Stellen der Verwaltung aus.
Gemäss Regime die «wahren Täter und Verantwortlichen»
Seit Beginn der Protestversammlungen wegen des Todes von Amini hatten Politiker und iranische Journalisten einander förmlich überschlagen bei der Suche nach der «wahren Ursache» für das Geschehen auf den Strassen der arabischen Städte. Oder besser: bei der Suche nach den «wahren Tätern oder Verantwortlichen». Und es fiel den meisten eigentlich nur die übliche Antwort ein: Die Unruhen würden vom Ausland initiiert und da in erster Linie von den «üblichen Übeltätern»: Den USA, Israel und – um dies ja nicht zu vergessen – natürlich auch von den Europäern.
Solange solche Beschuldigungen von Politikern kamen, mag das ja noch nachvollziehbar gewesen sein. Wenn aber Journalisten daran gingen, ihre Kollegen im Ausland als Instrumente ihrer jeweiligen Regierungen oder Regime hinzustellen, dann drängte sich dem Beobachter doch mal wieder ein Vergleich zwischen der Presse im Iran und der im Ausland auf. Zumindest der in der EU und in Nordamerika. Und es dürfte dabei eigentlich auch denen, die nicht «vom Fach» sind, aufgefallen sein, dass in den Medien der kritisierten Länder Kritik an der eigenen Regierung durchaus möglich ist und auch angewandt wird, während ähnliches im Iran in der Vergangenheit zur Schliessung von Redaktionen und Medien sowie zu Verhaftungen von Journalisten geführt hat.
So ansprechend viele iranische Medien auch aussehen mögen: Bei näherem Hinschauen wiederholen sie aber doch, was «von oben» kommt – manchmal elegant verpackt, manchmal aber auch recht plump. Das geschieht nicht nur in den Printmedien, sondern auch in den elektronischen Medien von Funk und Fernsehen. Diese berichten in den letzten Wochen zum Beispiel immer öfter über Demonstrationen in Frankreich, Deutschland oder den USA. Meist Proteste von Gewerkschafen aus wirtschaftlichen Gründen. Präsentiert werden sie dann aber in den iranischen Medien als Beweis dafür, dass anderswo eben auch demonstriert wird.
Ganz besonders krass mag das Beispiel des englischsprachigen Auslands-TV «PressTV» gewesen sein: Am Tag, nachdem in Berlin rund 80’000 Teilnehmer gegen die Ursachen für die Demonstrationen im Iran und die staatliche Antwort darauf protestiert hatten, blendete «Press TV» Bilder von einer deutschen Gewerkschaftsdemo ein. Von der Iran-kritischen Demo vom Vortag allerdings kein Wort. Dem Publikum im Iran dürfte das keine Überraschung sein.