Die Freilassung weiterer israelischer Geiseln durch die Hamas scheint vorläufig blockiert. Die im Gazastreifen herrschenden Islamisten erklärten, sie seien dazu nur bereit, wenn Israel neben anderen Hilfsmitteln auch der Lieferung von Benzin in das abgeriegelte Gebiet zustimme.
Keine Bereitschaft zu Kompromissen
Plötzlich kursierte aber das Gerücht, die Hamas sei bereit, 50 ihrer Geiseln freizulassen. Den vermeintlichen Auftakt hierzu hatten einige Tage zuvor eine US/Israel-Doppelstaatsbürgerin und ihre Tochter gemacht und wenig später zwei ältere israelische Frauen. (Beide erklärten ziemlich widersprüchlich, sie seien einerseits «durch die Hölle» gegangen, andererseits aber auch, ihre Wächter hätten sie gut behandelt und sogar das Essen mit ihnen geteilt.)
Der Golfstaat Katar hatte sich für sie eingesetzt und zeigte sich zuversichtlich, dass weitere Freilassungen folgen würden. Israel aber beharrt vorläufig darauf, in keine weiteren Konzessionen bei der Versorgung des Gazastreifens mit Hilfsmitteln einzuwilligen. Deshalb ist laut jüngsten Meldungen auch die Hamas nicht mehr bereit, weitere Geiseln freizugeben. Offenbar will die Regierung Netanjahu auch nicht die Lieferung von Treibstoff in den Gazastreifen zustimmen, ohne den die Krankenhäuser in Gaza sehr bald ihre Arbeit einstellen müssen. Diese letztere Behauptung wird allerdings von israelischer Seite bestritten.
An der jetzigen Blockierung weiterer Geiselfreilassungen durch die Hamas werden wohl auch all die Vertreter der internationalen Politik nichts ändern können, die seit Ausbruch des Gaza-Krieges einander die Klinke in die Hand drücken. Meist nur für «Solidaritätsbesuche» in Israel, manchmal aber auch in anderen Staaten der Region, die sich zum Teil um eine Entschärfung der explosiven Situation bemühen. Zum Beispiel Ägypten, das schliesslich die Versorgungskonvois für Gaza ermöglichte. Oder Katar, das bei den ersten Geisel-Freilassungen half. Der deutsche Bundeskanzler, Olaf Scholz, war der erste wichtige Politiker, der Israel nach dem 7. Oktober aufsuchte und anschliessend Ägypten. Erst in Deutschland allerdings modifizierte er die deutsche Haltung ein wenig, indem er für eine möglichst rasche Waffenruhe plädierte, die besonders den Zivilisten auf beiden Seiten entgegenkomme, den meisten Opfern dieses Krieges.
Ägypten unterstützt diese Idee, auch US-Präsident Biden hält sie offenbar für den besten Weg zu einer Eindämmung des Krieges. Und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) gehen sogar weiter: Als einer der arabischen Staaten, die mit Israel ein sogenanntes «Abraham-Abkommen» abgeschlossen haben, sehen die VAE in einer baldigen Waffenruhe den möglichen Auftakt zu internationalen Verhandlungen über eine «Zweistaatenlösung». Auch Jordanien dürfte dies so sehen und zahlreiche andere Staaten. Wie etwa Frankreich, dessen Präsident Macron ebenfalls Israel besuchte. Ähnliche Töne sind aus der Volksrepublik China zu hören, die jetzt zu internationalen Verhandlungen aufrief.
Netanjahu gegen jede «Zweistaatenlösung»
Die hohen politischen Israel-Besucher dieser Tage konferieren natürlich in erste Linie mit dem umstrittenen Ministerpräsidenten Netanjahu. Dieser macht sich sonst eher rar in der Öffentlichkeit, denn die Kreise jener Bürger wachsen, die dem Chef der Rechtsaussen-Koalitionsregierung voraussagen, dass er diese Entwicklung nicht überstehen dürfte. Nicht nur, weil er mit seiner Politik hauptsächlich dazu beigetragen hat, dass die im Oslo-Abkommen gemachten Ansätze zu einer politischen Regelung sabotiert wurden und in Vergessenheit gerieten. Netanjahu – wie die meisten Mitglieder seines jetzigen Kabinetts – war in der Palästinenserfrage nie zu ernsthaften Kompromissen bereit.
Als die damalige Arbeiterpartei-Regierung unter Yitzak Rabin Anfang der 1990er Jahre das Oslo-Abkommen unterzeichnete, pinselten Anhänger von Netanjahus Likud-Partei auf israelische Hauswände «Tod den Arabern». Diese Sprüche sind zwar weitgehend verschwunden, nicht aber die Ideologie, die hinter ihnen steckt.