Je deutlicher die fatalen Folgen der Einführung des Euro sichtbar werden, umso mehr überbieten sich die Eurokraten mit Lobgesängen. Er sei «unverzichtbar» beim «Bau des europäischen Hauses», ja ein «Friedensbringer», garantiere die «Einheit». Fehlt nur noch, dass er vom neuen Papst heiliggesprochen wird. Aber wie war es denn eigentlich vorher?
Dickes Portemonnaie
Wer im noch nicht so lange vergangenen letzten Jahrtausend durch Europa reiste, brauchte ein etwas dickeres Portemonnaie als heute. Peseta in Spanien, Franc in Frankreich, Lira in Italien, Gulden in Holland, natürlich D-Mark in Deutschland. Ach, und Drachme in Griechenland. Furchtbar, oder?
Aber der Handel
Überhaupt nicht, spätestens nach dem ersten Kaffee beherrschte man nicht nur den Umrechnungskurs, sondern bekam auch ein Gefühl für die Kaufkraft der jeweiligen Landeswährung. Und konnte die unterschiedlichen Inflationsraten messen, wenn der letzte Besuch schon etwas länger zurücklag.
Doch stellen wir uns nur vor: Wenn Oliven in Spanien geerntet wurden, in den Süden des Stiefels zum Entkernen transportiert, dann nach Holland zum Konservieren verbracht und schliesslich in Deutschland in Büchsen gefüllt wurden, vier Währungen mussten da berechnet werden. Abgesehen davon, dass das schon damals nicht wirklich Sinn machte: Seit 1979 gab es den Ecu, die European Currency Unit. Eine Währungseinheit, die nur zur Vereinfachung solcher Umrechnungen existierte, nicht als Papiergeld.
Ihr Wert wurde mit einem gewichteten Währungskorb festgelegt. Das war eine völlig ausreichende Vereinfachung des Währungsteppichs, wobei auch ohne den Ecu schon damals Umrechnungen nicht mehr mit einem Abakus von Hand getätigt wurden.
Und die Wirtschaft?
Es waren vielleicht nicht überall blühende Landschaften, aber beispielsweise Spanien war fröhlich unterwegs, Madrid eine Boomtown, Barcelona entwickelte sich zur Trendstadt. Das galt auch für Portugal, Irland, usw. usf. Die nationalen Wirtschaften verzahnten sich mit Hilfe der eigenen Währungen in den sich globalisierenden Handelsaustausch, justierten ihre Attraktivität als Tourismusdestination durch Auf- oder Abwertungen.
Von Massenarbeitslosigkeit, tödlich überschuldeten Staaten, bewegungs- und handlungsunfähigen Regierungen keine Spur. Ebenso wenig von Kriegsgefahr. Man lebte nach dem richtigen Satz von Charles de Gaulle, dass es unter Nationen keine Freundschaft, aber gemeinsame Interessen gibt.
Dann kam Kohl
Es ist müssig, darüber zu spekulieren, ob der Euro das von der ehemaligen Siegermacht Frankreich geforderte Geschenk für die Zustimmung zur deutschen Wiedervereinigung war oder eine Idee des von ökonomischen Kenntnissen weitgehend unbeleckten deutschen Kanzlers Kohl. Auf jeden Fall ging dann nach Einführung der Einheitswährung die Post ab. Billige Kredite für jedermann. Drittweltstaaten wie Griechenland oder Portugal und auch eher schmalbrüstige Agrarstaaten wie Spanien konnten sich auf dem gleichen Zinsniveau wie Deutschland Geld borgen.
Und damit beginnen, es sinnlos rauszupulvern. Der Zins als länderabhängiger Massstab für Risiko war ausser Kraft gesetzt, nationale Inflation als Möglichkeit zur Schuldenverringerung ebenfalls.
Dazu noch Greenspan
Auch dramatische Fehlentwicklungen hängen ja häufiger, als es Anhängern von Gesetzmässigkeiten in ökonomischen Prozessen lieb ist, von Zufälligkeiten ab. Also begab es sich, dass in den USA der damalige Notenbankpräsident Alan Greenspan auf die kriminelle Idee kam, dass man mit Billigstzinsen und Aufpumpen des Geldvolumens keine Blasen, sondern solides Wirtschaftswachstum herstellen könne.
Auch das zwang die frischgegründete Europäische Zentralbank dazu, den Leitzins niedrig anzusetzen, um eine dramatische Aufwertung des Euro zu verhindern, der sich ja als neue Weltwährung etablieren wollte. Dazu kam noch die Perversion, dass - vereinfacht ausgedrückt - Deutschland anderen Eurostaaten die Möglichkeit gab, sich billig Kredite zu verschaffen, um deutsche Produkte zu kaufen.
Es läuft verkehrt
Bis zur Jahrtausendwende existierte in Europa ein friedliches Zusammenleben der Nationen nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Lagers, ohne Notwendigkeit, mit einem «Friedensprojekt Euro» einen drohenden Weltkrieg zu verhindern. Deutschland war mit der Absorption der ehemaligen DDR beschäftigt, die übrigen Volkswirtschaften werkelten mehr oder minder erfolgreich vor sich hin.
Bereits zwölf Jahre nach dem Start der grossartigen Einheitswährung steuern diverse europäische Nationen auf den Staatsbankrott, Unregierbarkeit und den Zerfall der sozialen Ordnung zu. Oder sind schon mittendrin, mit Massenarbeitslosikeit, Elend und Armut, anhaltender Wirtschaftskrise oder gar Depression, ohne die geringste Aussicht auf Besserung.
Mal ehrlich
Wenn man die zynischen Wortblasen wie «das Schlimmste ist vorbei» beiseite lässt: Wann waren die Gefahren für Europa grösser: Vor der Einführung des Euro oder heute? Wann waren Worte wie Bürgerkrieg, Ersatz der staatlichen Ordnungsmacht durch rechtlose Räume, Unregierbarkeit, Chaos wirklichkeitsnäher? Vor dem Euro oder heute? Die Frage stellen heisst, sie beantworten.
Plus die Feststellung hinzuzufügen: In Kerneuropa geht es einer einzigen Volkswirtschaft blendend, funktionieren Staat, Unternehmen und Gesellschaft weitgehend rumpelfrei. Wo? Kleiner Tipp: Wer hat’s erfunden?