Im Mittelpunkt steht John Dowland mit seinen Songs voller Melancholie, dem Soundtrack des damaligen Zeitgeists. Und „Flow my tears“ ist das vielleicht bekannteste Lied John Dowlands. „Fliesst, meine Tränen, strömt aus euren Quellen …“ – und die Laute setzt den Tränenfluss in Klänge um. Es war der Mega-Hit der damaligen Epoche. Auch im Luzerner Theater darf man zu diesem Song dahinschmelzen und seinen Emotionen freien Lauf lassen.
Es ist eine gut einstündige Aufführung, dunkel, mystisch und geheimnisvoll. Marina Viotti, feenhaft im weissen langen Kleid, spricht Texte und singt Songs von Dowland. Abwechselnd dazu Diana Schnürpel und die beiden Männer Bernt Ola Volungholen und der Bariton Jason Fux. Die musikalische Begleitung besteht aus Lautenklängen, zwischendurch eine Flöte, und immer dumpfes elektronisches Background-Grummeln. Mal als Herzschlag, mal als Stimmungsverstärker der Mystery-Szenerie. Das geht unter die Haut wie eine Droge, man lässt sich hineinziehen in diese Düsternis und geniesst die Zeitreise. Eine Handlung im klassischen Sinne gibt es nicht, aber es geht um das Leben, an dessen Ende unausweichlich das Sterben steht. Als Erfüllung, Erlösung und Ziel. Ein Thema, das gut in die Passionszeit passt.
455 Jahre ist es her, seit John Dowland in England geboren wurde. Seine Musik hat die Menschen damals in der Seele berührt – und tut es noch heute. Kein Wunder verehren Musiker von Klassik bis Pop den legendären Komponisten und greifen immer wieder auf seine Hits von damals zurück.
Popstar der Renaissance
Geboren wurde John Dowland 1563 in London. Königin Elisabeth I. führte in dieser ereignisreichen Zeit das Zepter. Instrument der Stunde war damals die Laute – höchst populär und sehr geeignet als Gesangsbegleiterin. Wie eine Art Singer-Songwriter schrieb Dowland seine Lieder und trat damit auch selbst auf. Aber er war auch Komponist und Arrangeur. Er komponierte eingängige Melodien, richtige Ohrwürmer, und arrangierte sie mit mehreren Stimmen für ein „Consort“, wie man in der Renaissance ein Musik-Ensemble bezeichnete. Dowland war einer der ersten Musiker, die Songwriting auf hohem Niveau gemacht haben. Er war der Popstar der Renaissance.
Dowland wusste schon damals, wie man sich vermarktet. Er liess seine Noten in mehreren Auflagen drucken und innert kürzester Zeit wurden seine Lieder in ganz Europa von Dänemark und Frankreich bis nach Deutschland und Italien gesungen. Es war Musik fürs Volk, die aber auch von der Aristokratie geliebt wurde. Und Dowland war damals auch selbst unterwegs auf Tour quer durch Europa. Er sang und er war ein begnadeter Lauten-Virtuose.
Seine Melodien verzaubern noch immer
Wie aber hat es Dowland geschafft, den Nerv seiner Zeit so zu treffen? „Das ist das Geheimnis eines jeden grossen Komponisten“, erklärt der Countertenor Andreas Scholl das Phänomen. Scholl hat sich intensiv mit Dowland befasst und sagt: „Man kann’s halt nicht in Worte fassen. Es ist der Schöpfergeist einer Seele, einer ‹ganz erfahrenen Seele› wie es ein Kollege mal formuliert hat. Es ist Musik, die einen reinzieht und einem nicht entgegen geschleudert wird.“
Sogar der Rockmusiker Sting ist von Dowland fasziniert und ist – für eine CD - den Ursprüngen der englischen Musik nachgegangen. „Wenn man Dowland singt, ist man wie nackt, man kann sich nicht verstecken. Es war eine melancholisch geprägte Zeit damals“, sagt Sting, „und Dowland schrieb ein paar der wunderbarsten Songs. Er war der erste englische Pop-Sänger mit internationaler Ausstrahlung.“
So wie Musiker im 21. Jahrhundert noch von Dowland schwärmen, so ist es im 16. Jahrhundert auch Shakespeare schon ergangen. „Du gibst dich Dowlands Melodien hin, von ihres Wohlklangs Zauber eingehüllet“, dichtete er damals. Das ist heute nicht anders. Dowlands schwermütige, suggestive Melodien sind zeitlos und verzaubern noch immer. Auch im Theater Luzern.
„Flow My Tears“
ein szenisch-musikalischer Abend
Musik von John Dowland
Luzerner Theater bis 10. März