Bitcoin existiert seit 10 Jahren. Wie zahlreiche andere Kryptowährungen kann Bitcoin gekauft und verkauft werden. Der jeweilige Kurs wird unter https://www.cryptocompare.com/ publiziert, vergleichbar mit der Publikation von Devisen- oder Aktienkursen.
Anfang Februar 2011 war ein Bitcoin erstmals gleich viel wert wie ein USD, heute ist ein Bitcoin über 26’000 mal mehr wert.
Im Corona-Jahr 2020 hat sich der Bitcoin-Kurs von USD 7’200 auf USD 28’000 fast vervierfacht. Ende August 2020 lag der Kurs erst bei knapp USD 10’000.
Diese enorme Wertsteigerung hat in den letzten Tagen viel Gesprächsstoff geliefert. Es lohnt sich also, einen Blick hinter Bitcoin zu werfen.
Bitcoin basiert auf der Blockchain-Technologie
Die Kryptowährung Bitcoin basiert technologisch auf der Blockchain-Technologie. Ein Blockchain ist eine dezentralisierte Datenbank. Informationen sind bei einer Blockchain auf hohem militärischem Niveau verschlüsselt, damit sie gegen Manipulation und gegen unbefugtes Lesen geschützt sind.
Die über Blockchain getätigten Transaktionen werden wie bei einer Kette (englisch „Chain“) in chronologischer Reihenfolge miteinander verknüpft.
Eine Blockchain-Datenbank kann zur Sicherung und Abfolge von Transaktionen verwendet werden. Beispiele sind die Verwaltung von Grundbuchdaten, Abstimmungen an Generalversammlungen oder Durchführung und Verwaltung von Zahlungen.
Im Kontext von Bitcoin wird diese Blockchain-Datenbank genutzt, um Zahlungen durchzuführen und zu verwalten.
Es kann also festgehalten werden: Bitcoin ist ein möglicher Anwendungsfall für die Verwendung der Blockchain-Technologie. Das tönt für Nicht-Techniker ziemlich anspruchsvoll, was es auch ist.
Was ist die Grundidee von Bitcoin?
Es lohnt sich, einen Blick in das 9-seitige Gründungsdokument zu werfen, das vor rund 10 Jahren von einem gewissen Satoshi Nakamoto unterzeichnet wurde und überschrieben ist mit „Bitcoin: Ein elektronisches Peer-to-Peer-Bezahlsystem“. Eine konkrete Person dieses Namens hat sich nie geoutet. Gerüchten zufolge könnten hinter dem Gründungspapier einige Wissenschaftler stehen.
Dem Autor bzw. den Autoren ging es vor allem um die Vereinfachung von elektronischen Abwicklungen zwischen dem Sender und dem Empfänger von Online-Zahlungen, „ohne über ein Finanzinstitut zu gehen“. Der Hauptvorteil dieser Lösung sollte darin bestehen, Transaktionen ohne das Einschalten einer „vertrauenswürdigen“ dritten vermittelnden Partei durchzuführen, also einer Bank. So sollten die durch diese Drittpartei verursachten Kosten der Vermittlung ausgeschaltet werden, entsprechend der Grundidee. Das durch eine Bank zur Verfügung gestellte „Vertrauen“ sollte ersetzt werden durch eine ausgeklügelte Sicherungstechnik.
Es gilt festzuhalten: Bitcoin war nicht als Börsenwert angedacht, sondern als Online-Zahlungssystem.
Zurzeit sind ca. 18,5 Millionen Bitcoin als Währung im Umlauf. Angeblich um eine Bitcoin-Inflation zu vermeiden, sieht das System eine Limitierung der Ausgabe von Bitcoins bei 21 Millionen vor. Doch genau diese künstliche Verknappung des Angebots führt, wie oben aufgezeigt, bei erhöhter Nachfrage zu Preissteigerungen.
Pervertierung der Grundidee
Die Grundidee von Bitcoin, vertrauliche Online-Zahlungen zu ermöglichen und dabei Vermittlungspersonen wie z. B. Banken von den Transaktionen auszuschliessen, ist in den letzten Jahren völlig pervertiert wurden. Heute wird in der Öffentlichkeit Bitcoin als Wert wahrgenommen, der gehandelt wird. Um Bitcoin hat sich eine Industrie entwickelt mit Tausenden von Angestellten, die lediglich am Handel mit Bitcoin interessiert ist.
Bitcoin ist nichts anderes als eine Fiat-Währung, das heisst eine Währung, die weder abgesichert noch mit irgendeinem Wert wie z. B. Gold oder Rohstoffen unterlegt ist. So betrachtet handelt es sich um einen „No-Value“.
Allerdings ist die Anknüpfung an die Blockchain-Technologie ein Anreiz, von der totalen Privatsphäre des Konstrukts zu profitieren. Dazu kommt das Wunschdenken von Spekulanten und Anlegern, durch Kurssteigerungen Kapitalgewinne zu erzielen.
Auslöser der jüngsten Hausse von Bitcoin war unter anderem der globale Zahlungsdienstleister PayPal, der Anfang November bekanntgab, Bitcoin werde in sein Zahlungssystem aufgenommen. Das entspricht zwar der Grundidee von Bitcoin, ein Zahlungssystem zu betreiben. Die Kurssteigerung aufgrund dieser Mitteilung ist jedoch zweifellos irrational und bedingt durch das bewusst limitierte Angebot von Bitcoins.
Aber Fakt ist: Die Marktkapitalisierung von Bitcoin beträgt inzwischen enorme USD 350 Milliarden, was 50 Prozent des schweizerischen BIP entspricht.
Gold und Bitcoin
Gold wird seit Jahrtausenden zur Wertsicherung gehortet. Es ist resistent gegen Einwirkungen von Luft und Wasser und gehört zu den besten Leitern von Elektrizität und Wärme. Im Gegensatz zu Gold kann das „virtuelle“ Bitcoin nicht zu Schmuck verarbeitet werden, ihm fehlen die spezifischen Eigenschaften dieses Metalls.
Bitcoin wirft wie Gold keinen Zins ab. Um Bitcoin am Laufen zu halten, entstehen Kosten, vor allem Stromkosten. Strom für die Computer ist erforderlich, um Bitcoin vor feindlichen Angriffen zu schützen, welche die Kontrolle über das Bitcoin-Netzwerk anstreben. Inzwischen verschlingt dieses Netzwerk in der Tat riesige Mengen an Elektrizität. Zeitweise war der geschätzte Stromverbrauch von Bitcoin höher als derjenige der ganzen Schweiz.
Bitcoin kostet nur und bringt keine Erträge. Die einzige Hoffnung von Anlegern ist die „Greater Fool-Theorie“: Bitcoin wird gekauft in der Annahme, es später zu einem höheren Preis an einen noch grösseren Idioten verkaufen zu können.
Viele Anleger glauben, Bitcoin sei eine Art digitales Gold, also ein sicherer Hafen für die Werterhaltung in bewegten Zeiten. Auch wenn Bitcoin keinen inneren Wert aufweist.
Bitcoin ist eine private und staatenlose Währung
Hinter Bitcoin steht kein Staat. Insofern besteht eine gewisse Verwandtschaft mit dem schweizerischen WIR-System. Dieses Zahlungssystem ist ebenfalls keine staatliche, sondern eine private Währung. Mit dieser unterstützen sich schweizerische KMU gegenseitig, die sich oft persönlich kennen. Damit soll der etablierte Geldkreislauf ergänzt werden. Das WIR-System ist nicht digital, benutzt keine Verschlüsselungstechnologie und ist auf die Schweiz beschränkt.
Staatliche Währungen wie der Schweizer Franken oder der US-Dollar sind ebenfalls Fiat-Währungen, also ebenfalls nicht mit Werten wie z. B. Gold unterlegt. Sie basieren jedoch auf dem Vertrauen in die Notenbanken und in staatliche Strukturen. Bitcoin basiert nicht auf Vertrauen, sondern auf sogenannt sicherer Technik.
Bitcoin kratzt an der Souveränität von Staaten
Bitcoin ist ein global angedachtes nicht-staatliches Zahlungssystem, das keine Landesgrenzen kennt. Die Privatsphäre von Bitcoin bringt den grossen Vorteil von geheimen grenzüberschreitenden Transaktionen mit sich. Ausschliesslich der richtige private Schlüssel kann die chiffrierten Daten von Bitcoin dekodieren. Gerüchtehalber soll der Gründer von Bitcoin, Nakamoto, seinen privaten Schlüssel verloren und damit Millionen in den Sand gesetzt haben.
Die Beschränkung des Zugangs zu Bitcoin über den privaten Schlüssel ist geradezu eine Einladung, nicht versteuerte oder gar kriminelle Werte in Bitcoins zu verschieben. Von Nordkorea in die USA, von Algerien nach Saudi-Arabien oder von wo immer nach wohin immer. Es kommt nicht von ungefähr, dass Staaten und Zentralbanken Kryptowährungen mit Argwohn beobachten.
Bitcoin erinnert an Hollands Tulpenwährung im 17. Jahrhundert
Die Tulpenmanie in Holland zwischen 1619 und 1637 kreierte eine Währung, die auf Tulpen basierte. Tulpenzwiebeln wurden ausserbörslich gekauft und verkauft, anders als Gold und Silber, die nach strikten Regeln an der Amsterdamer Börse gehandelt wurden. Steigende Preise führten zu einer irrationalen Tulpenmanie. Auf heutige Werte umgerechnet wurden Tulpenzwiebeln zeitweise zu CHF 25’000 per Stück gehandelt. Zwischen 1633 und 1637 waren die Bürger Hollands völlig verrückt nach Tulpenzwiebeln. Diese wurden teurer als Gold gehandelt, manche waren so teuer wie Häuser an bester Lage in Amsterdam. Schliesslich brachen die Preise am 5. Februar 1637 zusammen, die Wertverluste führten zu einer Finanzkrise in ganz Holland.
Vergleiche zwischen der Preissteigerung von Bitcoin und der Tulpenwährung im 17. Jahrhundert wurden bereits gemacht, eine Kassandra ist in solchen Situationen schnell zur Hand. Bereits am 12. Dezember 2017 berichtete das Börsenmagazin „finanzmarktwelt“: „Bitcoin hat die Tulpen-Manie überholt und ist jetzt die grösste Blase aller Zeiten!“.
Anlagenotstand fördert irrationale Anlagen
Die Kurssteigerung von Bitcoin hat auch mit dem herrschenden Anlagenotstand zu tun. Wer heute bei Banken liquide Bankkonten unterhält, verliert wegen der Negativzinsen und Administrationsgebühren. Wer den Aktienkursen weiter nachrennt, befürchtet Wertverluste infolge einer Börsenbaisse.
Die derzeit hohen Aktienkurse verdanken wir vor allem den Stützungsaktionen der Zentralbanken. Früher oder später wird der Steuerzahler zur Kasse gebeten werden, in welcher Form auch immer.
Also warum nicht zur Abwechslung einem Nicht-Wert nachrennen, der mit übrigen Anlagen nicht korreliert oder sogar negativ korreliert? Immerhin würde man der Anlagetheorie folgen: Lege nicht alle Eier ins gleiche Körbchen.
Ein weiteres Spielzeug für die Finanzwelt
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es Optionsgeschäfte auf dem Basiswert Bitcoin gibt, also einem rein virtuellen Wert, der mit der realen Welt nichts zu tun hat. Der Finanzwelt steht dann ein weiteres Spielzeug zur Verfügung, mit dem Mathematiker strukturierte Produkte entwickeln. Damit wird der Prozess der Finanzialisierung einen weiteren Schritt vorangetrieben. Auf künstliche Weise wird eine finanzielle Blase geschaffen, die mit realwirtschaftlichen Produktionsprozessen nichts zu tun hat: Finanzgeschäfte werden um der Finanzgeschäfte willen kreiert. Ist das nachhaltig?