Was steckt hinter dieser Aktion, der sich auch andere Fachrichtungen angeschlossen haben und die man besser als Moratorium denn als Streik titulieren sollte?
Ungesicherte Kostendeckung
Es geht um den von Bundesrat Alain Berset selbstherrlich verordneten Eingriff in den Ärztetarif Tarmed, den er nicht einmal bezüglich seiner Rechtmässigkeit korrekt abklären liess. Dabei werden ausschliesslich ambulante Leistungen mit massiven Abschlägen der ärztlichen Leistung belegt, zudem werden die Ausbildungszeit des Arztes und die Komplexität seines Fachgebietes nicht mehr tariflich berücksichtigt. Dies trifft nun eben die Handchirurgen, aber auch die Augenärzte massiv, da sie fast ausschliesslich ambulant operieren und ihre sehr lange Ausbildungszeit nicht mehr berücksichtigt wird.
Der Tarifeingriff führt zu Reduktionen von 40 Prozent und mehr des ärztlichen Honorars. Dadurch sind viele Eingriffe nicht mehr kostendeckend finanziert, was bedeutet, dass der Arzt sie mehr oder weniger gratis durchführen muss.
Weg in die Staatsmedizin
Wer nun denkt, das sei Jammern auf hohem Niveau, dem möchte ich kurz zwei Beispiele geben. Für eine Karpaltunnel-Operation (Nervenbefreiung am Handgelenk) erhält der Spezialist im Kanton Zug noch 89 Franken, für das Einsetzen einer künstlichen Linse bei grauem Star noch 94 Franken. Und dabei handelt es sich um Umsatz und nicht Verdienst. Dass mit solchen, geradezu absurd anmutenden Honoraren eine voll eingerichtete Arztpraxis nicht zu finanzieren ist, braucht nicht näher erläutert zu werden. Zudem geht es nicht einmal nur um den Betrag an und für sich, sondern auch um die fehlende Wertschätzung einer Arbeit, die viel Erfahrung und Verantwortungsbewusstsein voraussetzt.
Was interessiert nun aber den Bürger oder den Prämienzahler der Einkommensverlust eines Arztes respektive der Umstand, dass Privatpraxen nicht mehr finanziert werden können? Die Absichten von Bundesrat Berset sind klar: Schaffen eines Globalbudgets, das schliesslich zur Staatsmedizin führt. Was hätte dies für die Patienten zur Folge? Belegärzte mit freier Praxis würden verschwinden, da diese nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden könnten und junge Ärzte schon gar nicht mehr motiviert wären, solche Praxen zu führen.
Zweiklassenmedizin
Damit verlagert sich der Patientenstrom in die Spitäler, womit die Wartezeiten für ambulante Operationen massiv steigen würden und sogenannte Routineeingriffe von deutlich weniger erfahrenen Assistenzärzten durchgeführt werden müssten. Dieser Trend hat bei den Augenoperationen schon begonnen. Der Qualitätsverlust ist vorprogrammiert. Das wiederum führt zur klassischen Zweiklassenmedizin, wie man sie von anderen Ländern, zum Beispiel England, kennt. Patienten, die es sich leisten können, werden sich auf eigene Kosten oder durch neu geschaffene Privatversicherungen von erfahrenen Spezialisten ambulant behandeln lassen, die anderen werden mit massiv längeren Wartezeiten und verminderter Behandlungsqualität vorliebnehmen müssen.
Wollen wir das wirklich? Unser Gesundheitswesen ist teuer, keine Frage, aber auch eines der besten auf der Welt. Wir müssen der Realität ins Auge blicken. Wenn wir die sehr hohe Qualität und den Komfort unseres Gesundheitswesens weiter behalten wollen, werden wir auch bereit sein müssen, die Kosten dafür zu tragen. Das schliesst sinnvolle Sparmassnahmen und Kostenbewusstsein in keiner Weise aus. Wollen wir aber die Kosten generell senken oder zumindest stabilisieren, geht dies nur mit einem klaren Qualitätsverlust, Einschränkung der Leistungen für allgemein versicherte Patienten und somit mit der Einführung einer ungerechten und nicht erwünschten Zweiklassenmedizin einher.
Kostentreiber Lebenserwartung
Alle anderen Behauptungen sind Augenwischerei von Politikern und anderen selbst ernannten Fachleuten des Gesundheitswesens. Die mit Abstand grössten Kostentreiber im Gesundheitswesen sind die schnell zunehmende höhere Lebenserwartung der Menschen und die Fortschritte in der Medizin hinsichtlich Diagnostik und Therapie. Diese Faktoren können und wollen wir nicht ausschalten. Hier die Wahrheit auszusprechen, fällt den Politikern schwer und ist natürlich unpopulär. Da ist es viel einfacher und beliebter, mit den Fingern auf gewisse Leistungserbringer zu zeigen und Sündenböcke zu kreieren. Alle, auch wir Ärzte – ebenfalls Prämienzahler – wollen die zunehmenden Kosten im Gesundheitswesen in den Griff bekommen und sind bemüht, unseren möglichen Teil dazu beizutragen.
Wir sind momentan intensiv daran, ambulante Leistungen in Zusammenarbeit mit den Versicherungen zu pauschalisieren, was Mengenausweitung von Leistungen bekämpft und viel bessere Transparenz der Kosten bietet. Gegen den Verlust der hohen Versorgungsqualität für unsere Patienten und gegen die Einführung einer ungerechten und asozialen Zweiklassenmedizin werden wir uns wehren. Eine Staatsmedizin haben unser Land und Sie als Patient nicht verdient!