Der italienische Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi will in den nächsten Tagen eine neue politische Bewegung aus der Taufe heben. Sie soll „alle moderaten Kräfte in Italien“ ansprechen.
Er selbst werde die Formation nicht führen, betont er in einem Fernsehinterview. Doch es gebe zwei, drei Personen, die in der Lage seien, sein Erbe anzutreten. An wen er denkt, wollte er noch nicht sagen.
Am Pfingstsonntag ist ein Fernsehauftritt mit Berlusconi geplant; vielleicht lässt er dann die Katze aus dem Sack.
Schon jetzt machte er klar, dass er allein entscheiden werde, wer der neue Leader ist. Von Basisdemokratie hält er nichts. „Es wird sicher keine Primärwahlen geben“, sagt er. „Ich entscheide“.
Mein Freund, der Gesetzesbrecher
Die Geschichte zeige, dass grosse Politiker „wie De Gaspari, Craxi und Berlusconi“ nie durch Primärwahlen bestimmt worden seien, sagte Berlusconi. Dass er seinen und Craxis Namen in einem Atemzug nennt, ist bemerkenswert. Der Sozialist Bettino Craxi hatte durch Gesetzesbruch Berlusconi den Aufstieg zum Medienmogul ermöglicht. Craxi musste dann wegen Korruption und andern schweren Vergehen aus Italien flüchten und starb im Exil in Tunesien.
Ganz zurückziehen aus der Politik will sich Berrlusconi dann doch nicht. Vom Spielfeldrand aus wolle er der neuen Führung Ratschläge erteilen. „Ich fühle mich verpflichtet, dem Land, das ich liebe, meine Erfahrung als Staatsmann und warum nicht als Unternehmer zur Verfügung zu stellen.“
Ich-Partei
Auch einen Namen für die neue Bewegung nannte er noch nicht. Doch sie werde nicht „Partei der Republikaner“ heissen, wie er vor kurzem angedeutet hatte.
Wer wird der oder die neue Führungsfigur der neuen Bewegung sein? Er habe eine präzise Idee, sagte Berlusconi. Italienische Medien überbieten sich schon mit Spekulationen. Es rächt sich jetzt, dass Berlusconi seine Truppe als „Ich-Partei“ geführt hat. Er war der alleinige Star und hat keinen wirklichen Nachfolger aufgebaut. Angelino Alfano, der diese Rolle einst hätte übernehmen sollen, wurde von seinem Meister immer wieder aufs Übelste gedemütigt – bis Alfano aus der Partei austrat und eine eigene Formation gründete. Die meisten Figuren in Berlusconis Entourage sind abgewirtschaftet und werden wohl keinen durchschlagenden Erfolg haben.
3,73 Prozent für Berlusconi
Die Römer Zeitung „La Repubblica“ schliesst eine „familiäre Lösung“ nicht aus. Das Blatt spekuliert, dass seine Tochter Marina das Ruder übernehmen könnte. Sie mag eine valable Wirtschaftsfrau sein, doch politische Erfahrung hat sie keine. Zudem betrachten sie die Italiener als abgehoben, eingebildet, unnahbar und elitär.
Berlusconis Ankündigung, eine neue Bewegung zu gründen, ist eine eigentliche Bankrotterklärung und hat etwas Tragisches an sich. Längst schwimmen dem 78-Jährigen die Felle davon. Seiner „Forza Italia“ geht es nicht gut. Die Partei ist zerstritten und sackt in Meinungsumfragen immer weiter ab. Bei den kürzlich vorgezogenen Regionalwahlen in Trentino-Südtirol und im Aostatal schmolz „Forza Italia“ zu einer Krümelpartei zusammen. Sicher ist das Ergebnis nicht repräsentativ für das ganze Land, doch die 3,73 Prozent, die „Forza Italia“ zum Beispiel in Bozen erreichte, sehen schlecht aus.
Debakel in Sicht
Mit der neuen Bewegung will Berlusconi offensichtlich im letzten Moment noch das Steuer herumreissen. Mit einer neuen Verpackung und einer neuen Führung will er sein Lebenswerk retten. Die Zeit drängt. Schon in einer Woche, am 31. Mai, finden in weiten Teilen Italiens Regionalwahlen statt. Sie prophezeien Berlusconi wenig Gutes.
Anders gesagt: Sie prophezeien ihm ein Debakel. Selbst die Berlusconi-treue Zeitung „Libero“ spricht von „schrecklichen Meinungsumfragen“. Forza Italia werde bei den Regionalwahlen „unter zehn Prozent fallen“. Diese Zahlen seien für Berlusconi „molto, molto preoccupanti“. Das Blatt befürchtet ein bevorstehendes parteiinternes Chaos. In Ligurien und der Toskana zum Beispiel werden Berlusconi 5 bzw. 6 Prozent vorausgesagt. Im Norden gehen viele Verluste auf Kosten der fremdenfeindlichen Lega Nord.
Einzig in Kampanien mit der Hauptstadt Neapel könnte Forza Italia mit ihrem Spitzenkandidaten Stefano Caldoro auf 20 Prozent kommen. Das verleitet Medien zur Spekulation, Caldoro könnte der neue Parteiführer sein.
Belusconi, zum Zuschauer verurteilt
Matteo Renzi, der wirblige Ministerpräsident hat die politische Agenda völlig an sich gerissen und Berlusconis Partei aus dem Gleis geworfen. Mit seiner eher bürgerlichen Politik hat der forsche Sozialdemokrat Renzi der Mitte-Rechts-Bewegung das Wasser abgegraben. Für eine weitere moderate Partei ist in der politischen Landschaft Italiens immer weniger Platz. Berlusconi ist längst zum Zuschauer verurteilt worden.
Wie lange der Renzi-Hype andauert, weiss niemand. Der jetzige Ministerpräsident hat jedenfalls in einem Jahr mehr erreicht als Berlusconi in 20 Jahren. Doch in Italien liegen Ruhm und Höllenfahrt oft nahe beieinander. In kurzer Zeit kann sehr viel geschehen. Renzis Gefahr droht nicht von Rechts, sondern von seinem linken Parteiflügel und den Gewerkschaften. Zudem macht er sich mit seinem autoritären Auftreten manche Feinde.
Sollte er dann irgendeinmal stürzen, könnte sich das Berlusconi-Lager wieder aufrappeln – aber sicher ohne Berlusconi.