Iwan Schumacher, der sich mit Filmen über Cuno Amiet, Markus Raetz und Urs Fischer profilierte, vermittelt mehr als einen Einblick in die Kunstgiesserei St. Gallen und mehr als eine Anschauung des Zusammenwirkens zwischen Künstlern und Giessern. Er lässt uns teilhaben am Prozess, den Ideen durchlaufen, bis sie ihre Gestalt gefunden haben, Wir erleben Unmöglichkeiten auf dem Weg zur Möglichkeit und erfahren, wo das Geheimnis fürs Gelingen liegt. Der Film - auch er in sich eine künstlerische Idee, die handwerklich ihre Form sucht - ist aus einem Guss.
Kreative Leidenschaften
Iwan Schumacher wich dank seiner Erfahrung und seiner Sensibilität zwei Gefahren bemerkenswert aus. Zum einen vermied er es, eine Kunstgiesserei als Firmenporträt und die Arbeit der Giesser in berufskundlichen Bildern zu zeigen, obwohl beides faszinierend genug gewesen wäre. Zum andern tappte er nicht in die Pathosfalle, die ihn zu einer feurigen, flammenden und funkenstiebenden Pastorale inspiriert hätte.
Dem Regisseur, Kameramann Pio Corradi und den Co-Autoren des Drehbuchs, Anja Bombelli und Martin Jaeggi, ging es um den bildstarken Nachvollzug zweier kreativer Leidenschaften: jener der Künstlerinnen und Künstler, die ihre skulpturalen Werke in der Form des Gusses vollenden wollen, und jene der Kunsthandwerkerinnen und Kunsthandwerker, die für die Umsetzung zuerst mit kühlem Kopf nach Lösungen suchen und diese dann mit schwerer Körperarbeit in der Hitze des Giessens realisieren.
Begeisterte Hingabe
Der Film führt packend vor Augen, wie die Giesserinnen und Giesser, Meister ihres Fachs, ums Verständnis der künstlerischen Intentionen ringen, unerfüllbare Erwartungen begeistert als Herausforderungen annehmen, sich mit dem Respekt vor der Kunst in deren Dienst stellen und den Auftrag zum glücklichen Ende bringen.
In der Hingabe aus Könnerschaft steckt das Geheimnis für den Erfolg. Die gleiche Hingabe erklärt die Kraft des Films.
Experimentierfreudiges Atelier
Wer in der nationalen und internationalen Kunstszene Rang und Namen besitzt, vertraut sich der - in Shanghai einen Tochterbetrieb besitzenden - Kunstgiesserei im St. Galler Sittwerk an. Felix Lehner verschaffte ihr im wahrsten Sinne des Wortes mit feu sacré diese Geltung. Er und seine heute 45 Mitarbeiter verbinden eine jahrtausendealte Kulturtechnik mit modernsten Hightech-Verfahren: experimentierfreudig wie die zeitgenössische Kunst und in der beflügelnden Atmosphäre eines Ateliers.
Es herrscht ein Geist des Austausches. Den Berufsstolz, die Ehrfurcht vor den künstlerischen Leistungen und die Lust auf neue Grenzerfahrungen macht der kommentarlose, von Victor Moser musikalisch stimmig akzentuierte Film durch Äusserungen des Chefs und seines Teams glaubwürdig und sympathisch spürbar.
"Feuer & Flamme", gegenwärtig in den Kinos zu sehen, ist eine digitale Skulptur, stabil gebaut, energiegeladen, unsere Augen neunzig Minuten lang verblüffend und von schwebender Leichtigkeit.