Matteo Salvini, einer der fremdenfeindlichen Scharfmacher, ist der zweitbeliebteste Politiker in Italien. Dies geht aus einer jetzt veröffentlichen Meinungsumfrage *) hervor. Der 41-jährige Salvini, einst Journalist, jetzt Abgeordneter im Europa-Parlament und Parteisekretär, gehört zu jener Kaste der lauten, rechtsgerichteten Populisten, die jetzt in Europa Konjunktur haben.
35 Prozent der Italienerinnen und Italiener würden laut der Meinungsumfrage des Instituts Demos heute für Salvini stimmen. Das sind im Vergleich zum Vormonat fünf Prozent mehr. Die Lega Nord, die Partei von Salvini, hat innerhalb der letzten sechs Monate ihren Stimmenanteil verdreifacht. Sie kommt jetzt auf 13,6 Prozent.
„Vergewaltigt sie“
Salvini war durch wüste Ausfälle gegen die 49-jährige afro-italienische Integrationsmininisterin und Augenärztin Cécile Kyenge aufgefallen. Seine Kampagne löste im Internet eine wochenlange Hasstirade aus. Sie gipfelte in Einträgen wie „Tötet sie“, „vergewaltigt sie“, „repatriiert sie sofort nach Afrika“. Durch ihre Politik, sagte Salvini, würden die Italiener zu Straftaten aufgestachelt. Staatspräsident Giorgio Napolitano hatte sich gegen die rassistischen Äusserungen der Lega gewehrt. Salvini antworte, Napolitano „soll den Mund halten“.
Als sich im vergangenen Jahr Papst Franziskus auf Lampedusa für eine humane Flüchtlingspolitik stark machte, erklärte Salvini, er solle nicht die „Globalisierung des Verbrechens“ fördern.
Die Fremden sind an allem schuld
Italiens Rechtspopulisten – von den Meinungsumfragen beflügelt – schlachten den geförderten Hass auf alles Fremde aus. Ziel sind Flüchtlinge, die übers Mittelmeer kommen, und Zigeuner. Die Ausschreitungen gegen Randgruppen häufen sich, vor allem in den Agglomerationen der grossen Städte.
Die Fremden sind jetzt an allem schuld – als ob die italienische Misere von afrikanischen Flüchtlingen angerichtet worden wäre. Als ob nicht, die Politkaste daran schuld wäre, der verkrustete Arbeitsmarkt, die schreckliche Bürokratie, die massloser Überregulierung.
Öl ins Feuer
Zwar erwecken die Fernsehbilder von den ankommenden Flüchtlingsbooten den Eindruck, Italien werde von Afrikanern überflutet. Tatsächlich sind im vergangenen Jahr Zehntausende in Italien gestrandet. Doch die meisten blieben nicht hier.
In der EU haben im Jahr 2013 440‘000 Menschen um Asyl gebeten, davon nur 28‘000 in Italien. Andere EU-Staaten nahmen weit mehr Asylbewerber auf als Italien. Und insgesamt leben in Italien weit weniger Ausländer als in den meisten übrigen EU-Staaten.
Das hindert die Lega Nord nicht, Öl ins Feuer zu giessen und die Bevölkerung gegen alles Fremde aufzuhetzen. Italien werde von Fremden überschwemmt, man sei nicht mehr in Italien sondern in Afrika. Viele Italiener kriechen auf den Leim dieser Aufhetzer – und Salvini erklimmt in der Hitparade der beliebtesten Politiker den zweiten Platz.
Platz eins für Renzi
Beliebtester Politiker ist laut der jüngsten Umfrage noch immer der sozialdemokratische Ministerpräsident Matteo Renzi. Die Hoffnungen in einen neuen Regierungschef sind zu Beginn immer überzogen. Im Laufe der Monate brechen die Werte dann ein. Das ist nicht nur in Italien so.
Vor sechs Monaten erreichte Renzi einen Spitzenwert von 74 Prozent. Im November waren es noch 52 Prozent. Jetzt stabilisiert sich der Wert auf guten 50 Prozent. Gut deshalb, weil die Regierung in den letzten Wochen vor allem von den Gewerkschaften und dem linken Flügel von Renzis eigener Partei arg zerzaust wurde.
Bessere Noten für die Regierung
Nicht nur Renzi selbst schneidet in der Volksmeinung überraschend gut ab: auch die Arbeit der gesamten Regierung wird wieder besser bewertet. Im November erreichte die Regierungsarbeit einen positiven Wert von 43 Prozent, jetzt sind es 46 Prozent. Diese Zahlen sollten den Gewerkschaften zu denken geben; offenbar wird die gewerkschaftliche Blockade-Politik nicht mehr überall verstanden.
Auch Renzis eigene Partei, der Partito Democratico (PD), hat nicht unter der Gewerkschaftskampagne gelitten. Im Gegenteil: Der PD, der seit Monaten an Zustimmung verlor, konnte wieder leicht zulegen und kommt jetzt auf 37 Prozent.
Doch lieber Berlusconi
Schlecht geht es Berlusconis Forza Italia (FI). Die einst staatstragende Partei hat innerhalb von drei Monaten 5 Prozent verloren und kommt jetzt noch auf 13,6 Prozent. Berlusconi selbst würde immer noch von 22 Prozent der Italiener gewählt. Vom Stillhalte-Abkommen, das Berlusconi mit Renzi geschlossen hat, profitiert vorläufig also vor allem Renzi. Berlusconis Forza Italia verliert offenbar auch Stimmen an die Lega Nord. Schon wäre man versucht zu sagen: Dann doch lieber Berlusconi als die Fremdenhasser der Lega.
Die Fünf-Sterne-Bewegung von Beppe Grillo verliert minim und kommt auf 19,8 Prozent. Grillo ist noch bei 17 Prozent der Italiener beliebt.
Matteo gegen Matteo
Sicher ist, dass die fremdenfeindliche Lega Nord solange Wind unter den Flügeln hat, solange es der Wirtschaft schlecht geht. Matteo Salvini versteht das populistische Geschäft.
Jetzt fordert er ein Streitgespräch „Matteo gegen Matteo“. Die Diskussion zwischen ihm, Matteo Salvini und Matteo Renzi müsse live am Fernsehen zur besten Sendezeit übertragen werden. Dass sich der Ministerpräsident nicht darauf einlassen kann, versteht sich. Und es versteht sich, dass ihn Salvini als „Feigling“ bezeichnen und die Weigerung populistisch ausschlachten wird.
*) Die Meinungsumfrage des Instituts Demos wurde im Auftrag der Römer Zeitung „La Repubblica“ zwischen dem 15. und 19. Dezember durchgeführt. Befragt wurden 1‘434 Italienerinnen und Italiener ab 18 Jahren. Die Fehlerquote beträgt plus/minus 2,6 Prozent.