Die herausragende Bedeutung des finnischen Architekten und Designers Alvar Aalto (1898-1976) überträgt sich auf jede ihm irgendwie und irgendwo gewidmete Ausstellung. Doch so vertrauensselig ging das Vitra Design Museum in Weil am Rhein die Retrospektive nicht an.
Menschenwürdig bauen
Ihre Inszenierung genügt dem Anspruch nach Perfektion. Und das von Frank Gehry 1989 gebaute Museum bietet den kongenialen Rahmen. Das sind bestechende Argumente für einen Besuch. Zudem könnte der Ort insofern nicht besser gewählt sein, als seine architektonische Qualität in einer Region massenhaft geistloser Bauten dem Credo Alvar Aaltos nachdenkenswerte Aktualität verleiht: "Es gibt nur zwei Dinge in der Architektur, Menschlichkeit oder keine."
Die Ausstellung betont die humane, von der Natur und Kunst inspirierte Moderne Aaltos, der den Menschen mit seiner Würde und Sinnenhaftigkeit ins Zentrum und die Individualität vor ökonomische Zwänge rückte. Seine Bauten sollten ihren Bewohnern zur zweiten Natur werden. Darum der Ausstellungstitel als programmatische Erklärung: "Alvar Aalto - Second Nature".
Flanieren durch eine kreative Welt
Die Ausstellung umfasst vier thematisch strukturierte und chronologisch locker angeordnete Säle. Wo in manchen Museen ein mühsamer Lehrpfad droht, der fürs Lesen der ausufernden Texte Kniebeugen und Kopfverrenkungen verlangt, öffnet sich hier ein spannender und abwechslungsreicher Flanierweg durch die Weite des Lebens Aaltos.
Besucherinnen und Besucher werden nicht mit pädagogischem Eifer belehrt, sondern gewinnen Einsichten als sanft an die Hand genommene Zeitzeugen. Sie fühlen sich wohl wie in einem benutzerfreundlichen Haus Aaltos.
Wenige, aber aussagekräftige Pläne, Modelle, Objekte und Filmausschnitte vermitteln das Besondere der Denk- und Schaffensweise des bis heute wirkungsmächtigen Architekten und Designers.
Attraktiv ist die Idee, einige Gebäude Aaltos nicht nur mit unseren eigenen Augen zu sehen, sondern auch mit jenen des künstlerischen Fotografen Armin Linke. Das erlaubt die Auseinandersetzung als Dialog.
Erlesene Sorgfalt
Die Ausstellung beginnt dort, wo Aalto seine erste Prägung fand, nämlich in Italien, dem von ihm immer wieder aufgesuchten Land. Seine Seele sei, sagte er, ständig auf einer Reise nach Italien. Den Beziehungen zwischen Natur, Kunst und Architektur gilt der zweite Raum, der dritte der Kunst des Alltags. Im vierten und letzten Raum ist die internationale Reputation Aaltos nachvollziehbar.
Zur erlesenen Sorgfalt der von Jochen Eisenbrand und Katariina Pakoma kuratierten Ausstellung gehören ein Katalog von dokumentarischem Rang und zahlreiche das Universum Alvar Aaltos ausleuchtende Rahmenveranstaltungen.