Vielleicht hatte Shakespeare doch Recht. Die Geschichte ist wie ein Rad und dreht sich auf der Stelle. Wahrscheinlich hatte Shakespeare Recht: Unabhängig davon, in welche Richtung sich das Rad dreht, es wird übel enden. Vor allem, wenn völlig verantwortungslose Politiker in seine Speichen greifen und versuchen, es gleichzeitig in alle Richtungen zu drehen. Mit einer einzigen erkennbaren Absicht: Verzögern wir den Bankrott Griechenlands wenigstens bis nach den nächsten Wahlen.
Nadel in der Rille
Es hört sich an wie beim Abspielen einer alten Schallplatte, wenn die Nadel in einer Rille hängengeblieben ist. Frühling 2012: Mit dem neuen Hilfspaket über immerhin 130 Milliarden Euro sind die Probleme nun wirklich endgültig gelöst. Sommer 2012: Okay, ein kleines Zusatzloch von 31 Milliarden braucht etwas kreative Buchhaltung sowie die Erlaubnis für die griechische Notenbank, mal kurz ein paar Milliarden Euro herzustellen. Aus dem Nichts, für nichts. Herbst 2012: Nun ja, vielleicht braucht der Pleitestaat doch noch bis zu 20 Extramilliarden. Und wozu? Damit er statt heute erst morgen offiziell Bankrott erklären muss.
Ohne Ziel und Verstand
Dabei ist das wahre Problem: Man könnte Griechenland mit Geld zuschütten, bis selbst die Akropolis darunter verschwindet, damit würde kein einziges Problem gelöst. Die Verschleuderung von vielen Milliarden Billigkrediten dank Zugang zum Euro hat das Schlamassel angerichtet. Das Nachwerfen von vielen zusätzlichen Milliarden Billigkrediten wird es nicht wegräumen. Das ist so, wie wenn man einem krankhaften Spieler, der sein Vermögen im Casino verzockt hat, neues Geld in die Hand drückt. Der Unterschied zu Griechenland ist allerdings: Der Spieler hat eine verschwindend geringe Chance, den Jackpot zu knacken. Griechenland nicht.
Allgemeine Ermattung
Das ist aber das letzte Mal. Wenn Griechenland wieder nicht liefert, muss es die Konsequenzen tragen. Es wird keine weiteren Hilfen mehr geben. Selbst der Austritt aus der Eurozone hat seinen Schrecken verloren. Ein Staatsbankrott ist nicht ausgeschlossen. Das ist aber das letzte Mal. Wenn Griechenland wieder nicht liefert, muss es die Konsequenzen tragen. Es wird keine weiteren Hilfen mehr ... Pardon, da bin ich wohl selbst in der Rille steckengeblieben. Aber nein, ich zitiere ja nur im Schnelldurchlauf Eurokratenworte der letzten sechs Monate. Hat die Welt jemals ein absurderes Theater gesehen? Es ist nur mit allgemeiner Ermattung des Publikums zu erklären, dass nicht schon längst Tomaten und festere Gegenstände auf die Bühne des EU-Schmierentheaters fliegen.
No Staatsbankrott
«I think there will not be a Staatsbankrott in Greece», holperte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble kürzlich im fernen Singapur. Ach ja? Dürfen wir vielleicht daran erinnern, dass alle vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Hilfen an eine klares Ziel geknüpft waren: Bis 2020 soll sich die Schuldenlast des griechischen Staates auf 120 Prozent der Wirtschaftsleistung verringern. Multimilliarden an Hilfspaketen, einen Schuldenschnitt und allesamt gebrochene Zusagen später ist Griechenland gut unterwegs: Das BIP versinkt jedes Jahr seit Beginn der «Rettungsaktion» tiefer in der Rezession, die Staatsschulden steigen unaufhörlich auf inzwischen wieder rund 344 Milliarden Euro, mehr als 170 Prozent des Bruttoinlandprodukts. 2010 betrugen sie, hoppla, 329 Milliarden. Da sieht man wenigstens, was zwei Jahre energische Sanierung bewirken können. Und schöpft Hoffnung, dass so das Ziel im Jahre 2020 sicher erreicht wird.
Nur ein Vorspiel
Griechenland ist bekanntlich ein wirtschaftlicher Zwerg mit einem Anteil von rund 2 Prozent am BIP der EU. Selbst hier gelingt es dem gesammelten Sachverstand der Eurokraten und der europäischen Politiker nicht, aus einem vergleichsweise kleinen Schlamassel ein noch kleineres zu machen. Im Gegenteil, aus einem kleinen Fünkchen am Rande der Eurozone ist inzwischen ein Flächenbrand geworden.
Nun haben bekanntlich Spanien, Italien und Frankreich auch so ihre Probleme. Was die drei Länder nicht daran hindert, im Sinne des europäischen Hauses Multimilliardenverpflichtungen für Griechenland einzugehen. Natürlich nur in der Absicht, so schnell wie möglich selbst in die Geldtöpfe des ESM und der EZB greifen zu dürfen. Ungeniert und ohne Auflagen.
No Weltuntergang
Wenn nicht dieses, dann sicher nächstes Jahr wird man vom deutschen Finanzminister Schäuble den Satz vernehmen: «There will not be a Staatsbankrott in Spain, Italy and France.» Semantisch gesehen hat er damit, wie im Falle Griechenlands, ja Recht. Es wird keinen Staatsbankrott geben, weil der Staat schon bankrott ist. Vielleicht sollte Schäuble einfach eine etwas allgemeine Formulierung wählen, die er auch beliebig wiederholen kann: «There will not be a Weltuntergang.» Das ist ja in Europa das Einzige, was einigermassen sicher ist.