Bei den letzten 20 von 26 bedeutenden Wahlen in der EU wurden die Regierungen entweder abgewählt oder die führenden Parteien stimmenmässig massiv abgestraft. Solche Wahlniederlagen linker und rechter Regierungen in Serie sind eigentlich ein klares Signal dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger mit der gegenwärtigen Politik in Europa nicht mehr zufrieden sind. EU-Kommissionspräsident Barroso hat denn auch unlängst, zum Auftakt der EU-Parlamentswahlen, bereits davor gewarnt, dass die sich abzeichnende politische Unstabilität in der EU zu einem grossen Risiko für die EU geworden sei. In mehreren Staaten haben die EU- und Euro-kritischen Parteien zwar den Sprung in die Regierung nicht geschafft, aber sie sind eindeutig im Aufwind, sei dies in Frankreich (Front National / Marie Le Pen), sei es in Deutschland (Alternative für Deutschland), sei es in Oesterreich (Team Stronach) oder in Italien (Fünf-Sterne-Bewegung / Beppe Grillo). Auch in Grossbritannien haben die EU-Skeptiker (United Kingdom Independence Party / Nigel Farage) deutlich an Terrain gewonnen, so dass Premierminister Cameron mit einer Abstimmung zur EU-Frage sogar zu einer taktischen Flucht nach vorne gezwungen wurde. Auch in anderen Ländern (z.B. Niederlande, Finnland, Ungarn, Polen, Griechenland) sind Anti-EU Parteien oder Bewegungen im Anzug. Die Themenvielfalt dieser Opposition beschränkt sich nicht nur auf die Immigrationspolitik und einen allfälligen Austritt aus dem Euro oder der EU. Sie teilen auch oft die wirtschaftspolitischen Anliegen der US-Tea Party.
Opfer mit den Tätern verwechseln
Heute sind die 766 EU-Parlamentssitze wie folgt aufgeteilt: EVP (Christdemokraten, Konservative) 36%, S&D (Sozialisten) 25%, ALDE (Liberale, Zentristen) 11%, Grüne /EFA (Grüne und Regionalparteien) 8%, ECR (Konservative, v.a. UK) 7%, GUE/NDL (Linke) 5%, EFD (EU-Skeptiker) 4%, Fraktionslose 4%. Es ist nun durchaus denkbar, dass bei den nächsten EU-Parlamentswahlen vom 22. bis 25. Mai 2014 die nationalistischen und Euro-skeptische Parteien an Bedeutung gewinnen werden und die Mehrheiten im EU-Parlament nicht mehr so klar ausfallen wie heute. Es werden sich möglicherweise drei Blocks herausbilden (Christlich-konservative, Sozialisten und Grüne, Konservative und EU-Skeptiker), die je rund ein Drittel der Stimmen auf sich vereinigen. Damit ergäbe sich eine Patt-Situation, eine politische Lähmung. Bereits befürchten Politbeobachter damit auch in Europa den Beginn einer grossen Tea-Party Bewegung mit nationalistischem Einschlag.
Die linke Presse in Europa und in der Schweiz wettert schon seit Monaten gegen diese 2009 gegründete Protestbewegung in den USA. Es ist ja nicht das erste Mal, dass Medienleute die Opfer mit den Tätern verwechseln. Jene, die sich sachlich mit den Folgen der verheerenden Schuldenpolitik von Präsident Obama auseinandersetzen, werden als Reaktionäre und Dummköpfe hingestellt. Die Tea-Party ist aber keine hirnlose Bewegung, sondern sie vertritt vor allem wirtschaftspolitische Anliegen, die der politisch Linken missfallen. Sie bekämpft Steuererhöhungen, die staatliche Defizit- und Schuldenwirtschaft und hat weitere 8 Punkte (u.a. Steuerreform, Energiepolitik, Abbau der staatlichen Bürokratie) im Vertrag von Amerika (Contract from America) dargelegt. Wer in den USA als Parlamentarier Stimmen und Unterstützung der Tea Party sucht, muss sich zur Einhaltung von mindestens 8 dieser Punkte verpflichten.
Kein Ende der Schuldenorgie
In Bezug auf die Staatsfinanzen besteht in den USA ebenso Handlungsbedarf wie in der EU. In seiner kurzen 5 jährigen Amtszeit und Budgetverantwortung hat Präsident Obama die US-Staatsschulden um 67% bzw. USD 6'713 Mrd. auf USD 16'738 Mrd. gesteigert. Oder anders ausgedrückt, von den heute ausstehenden Schulden der USA wurden 40% alleine in den letzten 5 Jahren gemacht. Und was noch schlimmer ist, es ist kein Ende der Schuldenorgie abzusehen. Wenn man die 10-Jahresplanung des Präsidenten zum Wegweiser nimmt, dann werden die Schulden bis 2023 von heute (Ende September 2013 = Ende des Fiskaljahres) um weitere USD 8'615 Mrd. bzw. 51% auf USD 25'353 Mrd. bzw. zunehmen. Seit dem letzten Fiskaljahr unter Präsident Bush hätten sich dann die Staatsschulden von USD 10'025 Mrd. mehr als verzweieinhalbfacht. Pro Tag nahmen die Staatsschulden in den USA 2013 um USD 2.6 Mrd. zu, bis 2023 soll die Tageskandenz "nur" noch USD 2.4 Mrd. betragen. Dabei geht der Präsident erst noch von sehr mutigen BIP-Wachstumserwartungen von real über 3% und einer Inflation von knapp 2% aus. Die kurzfristigen Zinsen sollen erst ab 2017 wieder die 2%-Marke durchbrechen und bis 2023 nicht über 3.7% ansteigen. Die 10-jährigen Staatsanleihe soll nicht mehr als 5% kosten. Auch wenn der hohe Bevölkerungsanteil (43%), der 2013 keine Einkommenssteuern auf Bundesebene bezahlt, in den kommenden Jahren abnehmen wird, haben viele Leute kaum ein Interesse an staatlichen Sparmassnahmen, denn sie erhalten viele staatliche Leistung, für die sie nichts bezahlen müssen. Deshalb ist konsequentes und kompromissloseres Handeln gefragt als bisher.
Seit Beginn der Finanzkrise (Ende 2007) hat die Staatsverschuldung der USA sogar um 81% bzw. USD 7'519 Mrd. auf USD 16'738 (September 2013) zugenommen. Diese Neuverschuldung wurde zu 43% vom Ausland, und zu 34% durch die Treasury-Aufkäufe der US-Fed finanziert. Die US-Kommerzbanken steuerten 9.2%, die US-Sozialwerke 9.3% und die Privatinvestoren 4.1% bei. Wenn nun die beiden Grossfinanciers, das Ausland und die US-Fed, als künftige Nachfrager kürzertreten, dann kann sich der Zinsauftrieb in den USA rascher als erwünscht beschleunigen. Das Ausland (33.5%) und die US-Fed (19.9%) halten zusammen mehr als die Hälfte der US-Schulden. Dazu kommen die staatlichen Sozialwerke mit 28.6%. Die Banken (10.7%) und die Privaten (7.3%) werden die Nachfrageausfälle oder die Verkäufe von ausländischen Institutionen kaum auffangen können. Gefahr aus dem Ausland droht vor allem dann, wenn die grössten Besitzer von US-Staatsanleihen (Mitte 2013: China USD 1'276 Mrd., Japan USD 1'083 Mrd.) ihre Anlagepolitik ändern, weil sie das Geld für ihre eigenen Volkswirtschaften benötigen.
Von Sparen keine Rede
Auch die Staatsschulden der EU wachsen täglich um rund EUR 1 Mrd. (Juni 2012 bis Juni 2013: + EUR 314 Mrd.) Im Euroraum stieg sie von 89.9% auf 93.4% des BIPs an, in der EU-28 von 84.7% auf 86.8%. Ohne den Schuldenschnitt Griechenlands läge die EU-Verschuldung noch höher als die heutigen EUR 11'281 Mrd. Ausser Deutschland (-EUR 16 Mrd.) haben die übrigen grossen EU-Staaten innert Jahresfrist nochmals kräftig Schulden gemacht (FR EUR 80 Mrd., IT EUR 93 Mrd., ES EUR 138 Mrd. , NL 32 Mrd., GB GBP 99 Mrd.). Von Sparen und Schuldenabbau kann somit auch in Europa keine Rede sein. Deshalb wäre es an der Zeit, dass auch in der EU endlich eine Tea Party Bewegung einsetzt. Noch ist Europa nicht verloren, aber wenn weiter so gewirtschaftet wird wie in den letzten Jahren, dann wird die Staatsverschuldung auch bei uns den Wohlstand und den sozialen Frieden gefährden.