Die Frankfurter Buchmesse startet in zwei Wochen. Vor einem Jahr im Oktober, die Messe war gerade zu Ende und mit ihr die aufschwellenden Nachrichten über E-Books, stellte ein portugiesischer Gestalter von Druckwerken ein Video ins Netz, das in schönen Bilder rekapituliert, welche Gesten des Lesens hinübergerettet werden sollten ins neue Medium, auf die elektronischen Reader. Sie sollen nicht einfach verschwinden, diese vertrauten Handbewegungen ums gedruckte Papier.
Erst in der Dämmerung fliegen die Eulen der Minerva los und plaudern aus, dass «eine Gestalt des Lebens alt geworden» ist. (Hegel. Fürchtet euch nicht; viel mehr weiß ich auch nicht von ihm.) Aber die Eulen. Und ihr elegischer Flug. Eine Comicfigur aus der Geistesgeschichte. Vor einem Jahr, im Monat des weltweit größten Treffens jener Menschen, die an Büchern aus Papier Geld verdienen, und der Schaulustigen, denen vor der schieren Menge des Ausgestellten in 9 Hallen schlecht wird; Frankfurter Buchmesse also. Gehen Sie unbedingt nochmal hin (6.–10. Oktober), denn diese Messe ist schon 2009 geschrumpft, und nun meldet sie weiteren Abgang. 400 Aussteller weniger und 25% weniger ausgestellte Bücher. Das ist nicht schlimm für Besucher. Es bleiben immer noch fast 7000 Stände. Ob dieser Vanity Fair in fünf Jahren noch halb so groß sein wird wie jetzt, weiß aber keiner. Auch nicht, wie lange es dauern wird, bis sie aufs menschliche Maß des Jahres 1953 wieder geschrumpft sein wird: 1000 Aussteller waren es damals. Denn Verlagsmessen sind ein langsam auslaufendes Modell, international. Im Pariser Salon du Livre wurden im März 10% weniger Besucher gezählt, und ab nächstem Jahr spart man sich 2 volle Messetage. Eine neue Frage drängt zusätzlich: wie stellt man E-Books aus? Und: Muss man überhaupt ausstellen? Erfahren wir inzwischen nicht viel mehr über die immer intelligenter gemachten Websites, auf denen Verlage ihre gedruckten Novitäten lang vor Erscheinen inszenieren? Mit Autoren-Video und Leseproben. Oder mit Audio-Häppchen, wie sie Kein & Aber im eigenen Internetradio anbietet für alle, die z. B. das Interview mit Harry Rowohlt bisher verpasst haben und somit Näheres über Trulla, seinen Lieblings-Neufunddackel.
Die Appetizer gehen also ins Netz. Vor Ort, im Real Life, tut sich anderes. Das gleichzeitige Erstarken von Literaturfestivals, regionalen Bücherfesten und kleinen Messen ist seit Jahren auffallend. Überschaubarere Events, sie zeigen einen Paradigmenwechsel der Aufmerksamkeit: weg von den Ausstellungen der Verlage, hin zu den Auftritten der Autoren. Im März: lit.Cologne, im Mai: Solothurn, im Juli: Leukerbad, im September: Berliner Literaturfestival etc. (In Wien haben sie es auch versucht. Aber da fand sich dann der große S. Fischer Verlag neben einem popligen Bezahlverlag ähnlichen Namens … Unverträgliche Ähnlichkeiten können nur in sehr großen Messehallen weit genug auseinandergehalten werden. In kleinem Ambiente wird es peinlich für eine Branche, die noch an erkennbare Qualität glaubt: an diesem Fehler hatten sich schon vor Jahren die Macher der Basler Buchmesse die Finger verbrannt.)
Vor einem Jahr also im Oktober, die Messe war gerade zu Ende und mit ihr die aufschwellenden Nachrichten über E-Books: da stellte ein portugiesischer Gestalter von Druckwerken ein Video ins Netz, das in schönen Bilder rekapituliert, welche Gesten des Lesens hinübergerettet werden sollten ins neue Medium, auf die elektronischen Reader. Sie sollen nicht einfach verschwinden, diese vertrauten Handbewegungen ums gedruckte Papier, die sich seit Gutenbergs Erfindung in unsere Körpergeschichte einmischten. Lesen auf Displays soll im alten Sinne angenehm bleiben. Also sehen wir dort: das Öffnen eines Buchs, im Deckel ein eingeklebtes Blatt mit Ausleihdaten, Gebrauchsspur anderer Leser. Behutsames Umblättern, Illustrationen halten inne und verschwinden. Ein Zeigefinger folgt zögernd Verzweigungen in einem Register. (Und keine Ahnung hat dieser Finger, wie vieleviele Tage Arbeit hinter der Erstellung eines intelligenten Registers einst lagen. Eine schöne Arbeit der Textdurchdringung, wenn man sich Zeit lassen konnte. Da wurden zum Beispiel, wenn es um das Register eines Tagebuchs ging, nicht nur die lebenden Personen erfasst, die dem Tagebuchschreiber begegneten, sondern auch die Namen der Maler, deren Bilder er in Museen anschaute … Keine Nostalgie. Natürlich ziehe ich inzwischen den Suchmodus in digitalisierten Texten vor. Das Lesen kann aktiver betrieben werden. Wenn man weiß, was man suchen will.)
Aber sehen Sie selbst, diese Bilder von den ratlos zurückbleibenden Händen nach dem Verschwinden des Buchs. Gestures, von João Machado: http://vimeo.com/7338692
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