In Spanien und Griechenland ist jeder zweite Jugendliche arbeitslos! Das schockiert, beruht aber auf falscher Interpretation von Statistiken. Was die entsprechenden EU-Statistiken anzeigen, ist die Arbeitslosenquote unter erwerbsaktiven (Stelle haben oder suchen) Jugendlichen unter 25 Jahren. Bis zu diesem Alter gehen in Ländern mit hohen Maturitätsraten viele noch zur Schule oder an eine Uni. Zählt man sie mit, liegt die Arbeitslosigkeit bei den unter 25-Jährigen bei 15 bis 20 Prozent, wie wir heute Mittwoch im Tages-Anzeiger lesen. Noch immer viel zu hoch, aber nicht die gerne herbeischwatzte gesellschaftliche Existenzkrise in südlichen EU-Ländern. Ins Kapitel der Statistikinterpretation gehört eine weitere, diesmal helvetische Geschichte. Hat sich nun die Einkommensschere in der Schweiz über die letzten Jahre hinweg weiter geöffnet oder eben gerade nicht? Mit Blick auf die Abstimmung über die 1:12-Initiative liest man völlig verschiedene Geschichten, alle mit soliden Statistiken untermauert. 53-mal verdiene ein Top-Manager mehr als der schlechtestbezahlte Mitarbeiter, sagt die eine Seite und zitiert eine Statistik, welche einen realen Reichtumszuwachs von einem Drittel über die letzten rund zwanzig Jahre für hohe Einkommen, aber nur einen dreiprozentigen Realgewinn für tiefe Einkommen belegt. Die Gegenseite jedoch verweist darauf, der Gini-Index, ein wissenschaftliches Mass der Reichtumsschere, habe sich über die letzten Jahre in der Schweiz laut Bundesamt für Statistik nicht geöffnet. Dazu wird wohl jeder eine eigene Meinung haben, welche er im Dezember dann an der Urne ausdrücken kann. Ob dabei aber Statistiken helfen werden, ist fraglich. (Daniel Woker)