Aber verselbständigen sich auch andere, ganz gewöhnliche Dinge? Das Thema ist heikel. Aber wer Augen hat zu lesen und Ohren zu hören, findet immer wieder Hinweise darauf.
So weiss die NZZ in ihrer Ausgabe vom 29. Juni 2011 Merkwürdiges von einer Deponie mit radioaktiven Abfällen in der Nähe des ehemaligen Atomforschungszentrums Los Alamos zu berichten: „Dort warten die Fässer auf ihren Weitertransport in den Süden New Mexicos.“ Da fragt man sich: Wie vertreiben sich die Fässer die Zeit? Und schade, dass Samuel Beckett noch nichts davon gewusst hat.
Aber es gibt auch Positives. Am 27. Juli 2011 vermeldete die NZZ frohgemut: „Das in Deutschland gebaute Solarboot «Tûranor Planet Solar» will für erneuerbare Energie werben.“ Ein solches Boot verdient jedes Lob.
Der „Blick“ wiederum berichtete im Dezember vergangenen Jahres von folgendem Unglück: „Flugzeug wollte in Zürich notlanden und stürzte ab.“ Kam es im Cockpit zu einem Streit mit dem Piloten?
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) zeigte in einem Bericht über die steigende Beliebtheit der EC-Karten (Ausgabe vom 7. August 2011) echtes Mitgefühl: „Die Kreditkarte hat das Nachsehen.“ Hoffentlich wird sie nicht wütend.
Dagegen formulierte der Spiegel am 27. Juni 2011 etwas frivol: „Goldpreis knackt Rekordmarke“. Und der Artikel beginnt: „Gold, Gold, Gold“. Da hört man es richtig knacken.
Aber auch in der Kultur tut sich einiges. So berichtet Felicitas von Lovenberg in der FAZ vom 8. August 2011 vom neuesten Buch der Autorin Charlotte Roche. Die Autorin markiere „den Boden des Abgrunds, in den dieses Buch zitternd hinunterstarrt und von dem aus es zugleich zornig hinauf in den Himmel blickt, der ihm keine Rettung verheisst.“ Nie hätten wir gedacht, dass es einmal so schlimm mit einem Buch kommen könne.
S. W.
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