Wie erwartet spitzt, sich die Krise nach der widerrechtlichen Annexion der Krim durch Russland weiter zu. Die USA, die EU und Japan haben Wirtschaftssanktionen ergriffen. Die Schweiz hat sich bislang mit dem Einfrieren von Guthaben von Ex-Präsident Janukowitsch und Konsorten wegen Verdachts auf Geldwäsche beschränkt.
Verschärfung der Sanktionen
Es wäre interessant zu hören, wie und warum eine Schweizer Bank je solche Konten angenommen hat. Janukowitsch und Konsorten waren zumindest seit dessen Amtsübernahme klar erkennbare PEPs (Politically Exposed Personalities,) mit denen der seit Jahren diesbezüglich geläuterte Finanzplatz Schweiz angeblich nichts mehr zu tun haben wollte. Aber das ist eine andere Geschichte.
Die USA werden nun ihre Sanktionen verschärfen. Präsident Obama kann gar nicht anders, weil er erstens innenpolitisch unter sehr starkem Druck steht, nicht als ‘schwach’ abgestempelt zu werden, weil er zweitens China, dem Iran und Syriens Assad keinen Präzedenzfall von starken Worten und schwachen Taten liefern darf und weil schliesslich die USA als Haupt der NATO deren ost- und nordeuropäischen Mitgliedern unbedingten Rückhalt signalisieren müssen, sollte der russische Bär vollends zum Berserker werden. Obama hat entsprechend eine rasche Sondersitzung der G-7 (G-8 ohne das vorerst hinausgeworfene Russland) verlangt.
Gefährdete Wirtschaftsinteressen
Die EU hat mit ihren Sanktionen im Moment einen Mittelweg beschritten. Osteuropäische und gewisse andere EU-Mitglieder wollten bereits jetzt weitergehen. Für verschiedene grosse Mitgliedsländer - Deutschland, was Handel und Energie anbelangt, Grossbritannien mit Bezug auf seinen Finanzplatz, Frankreich als Rüstungslieferant von Russland - stehen grosse Wirtschaftsinteressen auf dem Spiel.
Ohne beträchtliche russische Konzessionen, welche sich im Moment nicht abzeichnen, werden aber auch sie die Massnahmen verschärfen. Allein schon darum, weil London sich auf sein Spezialverhältnis mit Washington besinnen wird, weil Paris einem militärisch aggressiven Russland keine Waffen mehr liefern kann und, vor allem, weil Deutschland in dieser Krise auch die politische Führung von Europa übernehmen muss und will. Angela Merkel ist unter einem totalitären System aufgewachsen und hat bereits sehr klar signalisiert, dass entsprechendes postsowjetisches Gehabe von Putin nicht ohne scharfe Reaktion bleiben wird, auch wenn eigene Interessen darunter leiden.
Wirkung auf die Märkte
Zudem wirken sich amerikanische Sanktionen, direkt und indirekt, auch auf andere westliche Länder aus. Wenn sich einmal eine internationale Sanktionsspirale dreht, wie das im Falle Iran klar zum Ausdruck kam, müssen und werden alle für Russlands Wirtschaft wichtigen Länder mitziehen. Die Gefahr, anderenfalls das ungleich wichtigere US-Business zu verlieren, ist für alle zu gross.
Indirekt wirken sich die amerikanischen Sanktionen auf den Weltmärkten oder, genauer gesagt, auf die Markterwartungen aus. Das erste entsprechende Beispiel haben wir eben erlebt. Infolge der Erwartung von Sanktionen gingen alle russischen Kennzahlen erheblich zurück, um sich dann bei Publikation der Massnahmen geringfügig zu erholen. Dies wird sich vor der nächsten Sanktionsverschärfung wiederholen: Trotz gewisser Schwankungen werden die Nettoverluste für die russische Wirtschaft rasch zunehmen.
Problematische Äquidistanz
Die Vorstellung, dass die Schweiz wegen ihres vermeintlich einzigartigen Werts als Vermittler vom Westen einen Freipass zum wirtschaftlichen courant normal mit Russland erhalten würde, ist, mit Verlaub, naiv. Dafür sind die schweizerischen Wirtschaftsintressen mit Russland und einzelnen Russen zu gewichtig und zu offensichtlich. Allein schon darum wird Bern gar nicht anders können, als mitzuziehen.
Auch grunsätzliche und praktische Überlegungen sprechen klar für eine Eingliederung der Schweiz in die internationale Embargofront gegen Russland. Diese Eingliederung ist, hier liegt der wichtigste Grund, moralisch richtig und internationalrechtlich angezeigt, wie dies der Präsident der nationalrätlichen AP-Kommission treffend ausgeführt hat. Das russische Vorgehen widerspricht ebenso allen unserem Staatswesen und Staatsverständnis zugrundeliegenden Werten, wie jenen unserer wichtigstenund nächsten Partner im Westen. Eine Schweizer Vermittlungstätigkeit wiegt das nicht auf. Entsprechend problematisch wären Versuche, eine moralische Äquidistanz zwischen der Ukraine und Russland einzunehmen nach dem Motto: „Wir sind zwar gegen dein Vorgehen, lieber Vladimir, aber doch nicht in einem solchen Ausmass, dass wir euch und uns ernsthaft wehtun würden.“
Keine Zeit für Staatsbesuche
Russland hat dem Grundsatz von OSZE-Beobachtern bereits zugestimmt. Die OSZE hat das bisherige russische Vorgehen bereits verurteilt. Dessen dieses Jahr schweizerische Präsidium hat dies urbi und orbi verkündet. Weder erwartet jemand, auch nicht die Russen, noch wird die grosse Mehrheit der OSZE Mitglieder erlauben, dass ihr Präsident mit einem Male seinen Präsidentenkittel mit einem Hirtenhemd vertauscht und andere moralische Töne anstimmt.
Ganz abgesehen davon, dass damit eine stolze, bis in die ersten Anfänge des Helsinkiprozesses reichende schweizerische Tradition des Einsatzes für Menschenrechte und internationale Normen verraten würde.
An dieser Stelle sei auch signalisiert, dass ein offizieller Staatsbesuch in Moskau auf absehbare Zeit unmöglich geworden ist. Dies ist wohl kaum der Zeitpunkt für offizielles Händeschütteln auf höchster Ebene und entsprechende Versicherungen ungetrübter bilateraler Beziehungen der Schweiz mit einer russischen Führung, welche eben den für Europa seit Ende des kalten Krieges gefährlichsten Konflikt losgetreten hat.
Falsche Annahmen
Als OSZE-Präsident hingegen soll und kann unser Bundespräsident, mit einem Mandat der Organisation legitimiert, in Russland Besuche abstatten, um dringend notwendige Arbeit zur Befriedung unseres Kontinentes zu leisten. Dies mit geschickter, diskreter Diplomatie, mit wenn nötig auch erheblichen Mitteln(Mediation kostet viel Geld) und mit der Disponibilität schweizerischen Territoriums für Treffen aller Art. Und nicht mit moralischen Konzessionen, welche viel eher bestraft als honoriert würden.
Nicht in allen, aber in gewissen der politischen Plädoyers für „schweizerische Neutralität“ in der Ukrainekrise schimmert ein altvertrautes Muster durch, nach welchem wir in Tat und Wahrheit darum neutral sind, weil es unserer Wirtschaft nützt. Zudem glaubt man, dass sich die EU ohnehin nicht zu wirklich schmerzhaften Massnahmen wird durchringen können. Beides ist grundfalsch.