Bei der Empörung, dem Aufstand, der Randale oder wie immer man die Ereignisse in den mehrheitlich muslimischen Ländern nennen will, geht es nicht um Religionsfreiheit, sondern um fehlenden Respekt. Im „aufgeklärten“ Westen ist eine Religion erst akzeptabel, wenn sie sich auch beleidigen lässt. Im Islam kennt man diese Art der Toleranz nicht. Es ist dumm und arrogant, wenn der Westen sich deswegen für berechtigt hält, die Gefühle anderer Glaubengemeinschaften zu verletzen. Dann hat er nicht begriffen, dass es im menschlichen und kulturellen Umgang nicht allein um die Frage geht, wer Recht hat. Und schon gar nicht muss jemandem, der Unrecht hat, im Sinne einer fragwürdigen Toleranz nachgegeben werden. Aber unverzichtbar ist der Respekt. Man kann eine Glaubensüberzeugung für falsch halten, sie aber als eine legitime Einstellung von Menschen respektieren. Fehlt dieser Respekt, bleiben nur die Mittel der Umerziehung unter Zwang oder die Vernichtung. Wir sind aber darauf angewiesen, mit Kulturen zurechtzukommen, die uns fremd, wenn nicht gar zuwider sind. In Konflikten, blutigen zumal, geht als erstes der Respekt verloren: Der Gegner ist kein Mensch. Erst wenn Wege zur Überwindung der Gewalt gesucht werden, wird der Gegner wieder als Mensch anerkannt, also respektiert. Es ist fatal, wenn in unserer Kultur das unverzichtbare Recht der Religions- und Meinungsfreiheit mit dem vermeintlichen Recht verwechselt wird, anderen Kulturen und Religionen den Respekt zu versagen und sie zu beleidigen. (Stephan Wehowsky)