Das muss man sich so vorstellen: da streift ein Vater im Norden Englands mit seinem Sohn durch den Wald. Zwischen den Baumwipfeln sehen sie den Himmel und beim Eindunkeln auch die Sterne. Der Vater ist Förster, der Sohn wissbegierig. Die beiden fachsimpeln über das, was sie sehen, sie überlegen, was da draussen, weit weg von ihrem Horizont, sein könnte….Sie fragen sich, warum der Himmel blau ist und was es mit dem Sonnenschein auf sich hat. Fragen, die der Vater nicht beantworten kann. Die ihn aber beschäftigen. Dem Sohn legt er deshalb ans Herz, die Universität zu besuchen und diesen Dingen da draussen nachzugehen. Und solche Fragen zu beantworten.
So wurde Ben Moore Astrophysiker. Die Welt, als Raum, war ihm zu klein. Es musste nun der Weltraum sein. „da draussen“ heisst folglich sein Buch, das soeben erschienen ist und das sich „mit dem Leben auf unserem Planeten und anderswo“ – so der Untertitel - befasst.
Inzwischen lebt Ben Moore in der Schweiz. Seit zwölf Jahren. Er ist Professor an der Universität Zürich, wo er den Lehrstuhl des legedären Albert Einstein besetzt. Das klingt beeindruckend, und ist es auch.
Er selbst hingegen hat sich die Bubenhaftigkeit bewahrt. Man sieht ihn förmlich noch an der Hand des Vaters durch den Wald ziehen. Nur ist er inzwischen 48 Jahre alt und fast zwei Meter gross. Herzlich und unkompliziert öffnet er die Tür zu seiner Wohnung im obersten Stock eines Blocks in Zürich Unterstrass. Nichts wirkt hier professoral. Von der Terrasse sieht er auf die Dächer seines Quartiers oder hat freien Blick in den Sternenhimmel. Natürlich. Was denn sonst, denkt man da.
Ben Moore winkt aber gleich ab. „Die Sterne, das Universum, das Weltall, da sehe ich vor allem auf dem Computer, nicht mit dem Teleskop!“ Dann bleibt wenigstens noch die Aussicht auf den leuchtend gelben Ginko-Baum vor dem Fenster, der das Grau des Wintertags da draussen überstrahlt.
Inspiration Science Fiction
Zu seinem Buch wurde Ben Moore durch andere Bücher angeregt. „Ich habe viel Science Fiction gelesen“, erzählt Ben Moore. „Klassische Autoren wie H.G. Wells oder Isaac Asimov haben mich angeregt, in meinem Buch Fragen zu stellen, was da draussen ist.“
Wie gross ist denn nun der Unterschied zwischen Science Fiction und der Realität da draussen? „Im Science Fiction Buch gibt es eine durchaus mögliche Geschichte, in der meist Schreckliches geschieht. Aber diese Geschichte ist um wissenschaftliche Dinge herum gebaut, die in Zukunft tatsächlich geschehen könnten. Science Fiction ist die Wissenschaft der Zukunft, die darauf wartet, richtig entdeckt zu werden.“
Und Ben Moore sinniert: „Wer weiss, was die Zukunft bringt, wenn wir erst weiter an unserem Wissen daran arbeiten.“
Als er mit seiner Forschung begann, habe er noch Lochkarten benutzt, sagt Moore. Heute arbeitet er mit einem Supercomputer, den er zusammen mit Studenten gebaut hat.
Viele Antworten auf seine Fragen sind allerdings noch offen. Möglicherweise noch für lange Zeit. „Auch auf die Frage, wie unser Universum überhaupt entstanden ist“. Und ob man diese Frage überhaupt je beantworten kann, scheint selbst Ben Moore zweifelhaft. „Ich denke, wir werden ganz gute Ansätze finden. Aber eines Tages mit Sicherheit zu sagen, wie das Universum begann, das wird wohl unmöglich sein. Es ist nämlich äusserst schwierig, die Voraussetzungen und Bedingungen des frühen Universums nachzubilden und wir werden vielleicht nie einen wissenschaftlichen Beweis haben.“
Klarheit durch dunkle Materie?
Immerhin verstehe man mittlerweile immer mehr davon. Was seit dem Urknall geschehen ist, werde immer klarer, sagt Moore. Ein Hauptpunkt seiner Forschungstätigkeit ist, herauszufinden, wie Planeten entstanden sind. Dabei setzt er sein Augenmerk auf verschiedene Aspekte. „Ich lasse meine Studenten über ‚dunkle Materie‘ forschen. Das ist nach wie vor geheimnisumwoben und bis jetzt wissen wir nicht viel darüber. Aber vielleicht ändert sich das bald…. Ein anderer Student arbeitet auf dem Gebiet der Astro-Biologie. Da geht es um die Frage, woher Leben kommt. Das ist gerade auch ein Punkt in meinem neuen Buch.“
Vielleicht, so Ben Moore, sei das Leben aus dem Universum zu uns auf die Welt gekommen. Nichts spreche dagegen, dass auch auf anderen Planeten so etwas wie Leben vorhanden ist. Die Voraussetzung dafür sei allerdings das Vorhandensein von Wasser.
„Wir wissen heute, dass das Wasser auf unserer Erde von Astroiden stammt. Auch der Kohlenstoff könnte von Astroiden stammen, die auf der Erde aufgeschlagen sind.“
Wenn man sich mit solchen Fragen, solchen Dimensionen, solchen Distanzen befasst, wird es einem dann nicht manchmal schwindlig beim Gedanken, was dort ist, wo unser Universum aufhört? Irgendwie muss es ja doch weitergehen. Und dann? Was ist dort?
Damit, so Ben Moore, habe er sich in seinem ersten Buch befasst. „Elefanten im All“. Der launige Titel geht auf einen Vortrag Ben Moores zurück, in dem er über allfälliges Leben im All referierte. Und wenn es Leben im All gäbe, könnten auch Elefanten im All umhersausen.
Und das mit dem Schwindligwerden beim Nachdenken und Forschen in den grossen Dimensionen, das sei gar nicht so schlimm. Diese Zahlen seien sowieso irgendwie abstrakt.
„Zahlen in der Physik, Biologie oder Kosmologie sind oft ellenlang. Hundertausend Zuschauer in einem Stadion, sowas kann ich mir konkret vorstellen. Bei einer Million bekomme ich schon Probleme. In der Kosmologie sprechen wir aber von Milliarden von Jahren zum Beispiel. Und eine Milliarde, das geht über unsere Vorstellung hinaus. Das gilt auch, wenn man über die Grösse des Universums spricht. Das ist so unglaublich weit…!“
Unsere Welt, unser Leben, unsere Herkunft
Mit seinen beiden Büchern ist es Ben Moore gelungen, sozusagen mit beiden Beinen auf dem Boden der irdischen Realität zu bleiben. Natürlich ist der Inhalt anspruchsvoll und wissenschaftlich, aber dies alles ist in einer Sprache geschrieben, die sehr alltagstauglich ist. Auch für Leser, die keine Wissenschaftler sind, aber Interesse haben an dem, was unsere Welt, unser Leben, unsere Herkunft und unser Universum angeht.
Ganz einfach war es mit dem einfachen Schreiben allerdings nicht, gibt Ben Moore zu. „Ich habe aber einige Erfahrungen an Vorträgen und Diskussionen sammeln können mit einem Publikum, das keine Universität besucht hat. Wenn man Wissenschaftliches in eine Geschichte einbetten kann, dann wird es anschaulicher.“
Sonnenzeit und Sternenzeit
So nebenbei gehört Ben Moore auch zu einem Team, das eine überaus komplizierte Armbanduhr entwickelt hat. „Portuguese Sidérale Scafus“ heisst das noble Stück und zeigt auf der Vorderseite die Sonnen- und auf der Rückseite die Sternenzeit an. Für die Schaffhauser Uhrenfirma IWC ist es die komplizierte Uhr, die sie je angefertigt hat. Die exakte Berechnung dieses Sternenhimmels, genau abgestimmt auf die geografische Herkunft des Uhrenbesitzers, ist Ben Moores Angelegenheit. Astronomisch ist nicht nur die Uhr, sondern auch der Preis. 750‘000 Franken darf man für das Kunstwerk hinblättern.
Und als wäre sein Tag mit alldem nicht bereits ausgefüllt genug, ist Ben Moore gleich auch noch Musiker. Angefangen hat er mit der Gitarre. Heute spielt er mit einer Rockband. Unter dem Titel Escape Velocity hat er soeben sein erstes Soloalbum herausgebracht. Dass der Professor auch eine musikalische Seite hat, haben seine Studenten schon früher erfahren. 2010 konnten sie mit ihm ein Love Mobile an der Streetparade bespielen. „Professor Moores Big Bang Truck» - so der Name des Gefährts – dürfte bis auf weiteres das einzige Mobil unter der Leitung eines Professors sein.
Hätte die Musik also auch eine berufliche Alternative zur Weltraumforschung sein können? „Ach, Musik ist für viele Leute ein Hobby“, meint Ben Moore. „Ich habe schon von klein auf gespielt. Aber das Album jetzt herauszubringen, hat mich vier Jahre gekostet! Es war aber auch ein Riesenspass. Und ich konnte mein Gehirn lüften dabei. Viele Kinder träumen ja davon, einmal ein Rockstar zu werden. Aber die Konkurrenz ist gross“, lacht er. Und ein harter Weg sei es auch. „Da ist es einfacher Astrophysiker zu werden…!“
Traumjob
Dass er überhaupt in die Schweiz gekommen ist, nach seiner Zeit in England und an der Universität Berkeley in Kalifornien, bezeichnet er als Glücksfall. „Ich wurde von der Universität Zürich eingeladen, eine Forschungsgruppe für Astrophysik aufzubauen. Damit ist für mich ein Traum wahr geworden.“
Dass es ihm in der Schweiz gefallen würde, wusste er schon, denn in jungen Jahren ist er einmal mit dem Fahrrad von Newcastle in England in die Schweiz gefahren. „Ich kam nach Grindelwald und hatte bis dahin noch nie schneebedeckte Alpen gesehen. Es war so schön, aber ich konnte mir den Aufenthalt nicht leisten. Alles war so teuer! Aber es war auch ein grossartiges Erlebnis“. Mittlerweile ist es kein Problem, schnell mal nach Davos zu fahren und auf dem Snowboard die Piste runterzufegen. „Die Berge sind jetzt so nah, das geniesse ich.“
An ein drittes Buch denkt er inzwischen auch schon. Diesmal soll es für Kinder sein, so etwa im Alter von acht bis zehn Jahren. “Und vielleicht mal ein Science Fiction Buch…“ davon träumt er. Aber das dauert noch ein bisschen.
Vorläufig hat er genug zu tun mit der Forschung nach dem Ursprung des Lebens und des Weltalls. „Popstar der Astrophysik“, wird der ungewöhnliche Professor heute genannt. „Das habe ich aber nicht erfunden!“, stellt er sofort klar. Der Titel stört ihn aber auch nicht. „Es ist eher ein Scherz… und es gibt Schlimmeres!“
Ben Moore – Da draußen
Leben auf unserem Planeten und anderswo
Mit Illustrationen von Katharina Blansjaar
Aus dem Englischen von Katharina Blansjaar
Hardcover
Format: 12,5 x 20,5 cm, 352 Seiten
ISBN: 978-3-0369-5705-0
29,90 CHF
25 % bis zum 31.12.2014
Ben Moore – Elefanten im All
Unser Platz im Universum
Aus dem Englischen von Friedrich Griese, Monika Niehaus
Hardcover
Format: 13,3 x 21,0 cm, 384 Seiten
ISBN: 978-3-0369-5622-0
29,90 CHF
Aktualisierte Auflage
Aus dem Englischen von Friedrich Griese, Monika Niehaus
Taschenbuch